Schlichterspruch vom 27.11.2010

Ihr braucht den Bahnhof net bauen!
Schlichterspruch Geißlers vom 27.11.2010

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Der Vort
rag und die Einlassungen von Boris Palmer am 27.11.2010 begründen meiner Meinung nach schlagend, DASS MAN DEN GrabeGrube-BAHNHOF schlicht und einfach NICHT BAUEN DARF. Da ist dann auch gar kein Volksentscheid mehr nötig!!! Denn an diesem Tag formulierte Geißler den Satz, den ich für den einzig ernst zu nehmenden „Schlichterspruch“ halte – alles andere ist abgekartetes Spiel (womöglich nicht nur) innerhalb der CDU (SÖS hat in seiner Zeitung vor einiger Zeit schon mal darauf hingewiesen)!

„Denn wenn des stimmt, [was Boris Palmer gerade gesagt hat], da braucht Ihr [Bund, Land, Stadt und Bahn] den Bahnhof net bauen“,

so hat Heiner Geißler wörtlich gesagt.

siehe und höre Video vom 27.11.10 14h53 / Wortprotokoll S.117 unten.

In den eckigen Klammern steht nur die Erläuterung der Pronomen „des“ und „Ihr“. Dieser Satz ist eindeutig und aus der Situation geboren – und er hat nichts mit den abgekarteten Äußerungen vom 30.11. zu tun à la „Stuttgart 21 kann gebaut werden!“ Um das konkret und auch in der gegebenen Situation nachvollziehen zu können, habe ich große Teile des sog. Wortprotokolls vom 27.11., welches als pdf-Datei auf der Seite http://www.schlichtung-s21.de zur Verfügung gestellt wird, in eine Word-Datei umgewandelt, mit Zeitangaben versehen (im Minutentakt) und auch die Adressen zu den zugehörigen Videos (bei Phoenix nach wie vor unter http://bibliothek.phoenix.de vorhanden) dazu geschrieben, so dass man im Text nach Worten suchen und im Video das Ganze überprüfen kann.

Palmer hatte morgens (11h24 – 12h41) die „Leistungsfähigkeit“ des Tunnelbahnhofs anhand des von der Bahn endlich zur Verfügung gestellten Fahrplans überprüft und als nicht gegeben bewiesen, nach der Mittagspause die Leistungsfähigkeit des Konzepts K 21 dargestellt und Geißler erwartet nun – diesmal ganz logisch und fair –, dass nun Rückfragen zur Darstellung Palmers von den K21-Gegnern kommen – kommen aber nicht, sondern Leuschel sagt: „Weitermachen!“ Und auf dies bezieht sich Geißlers Äußerung: „Da braucht Ihr den Bahnhof net bauen!“ Danach beantwortet Palmer noch knapp und prägnant 11 Fragen der K 21-Gegner.

Es gibt natürlich noch viele andere Gründe gegen den in Stuttgart geplanten Tunnelbahnhof – ich denke eigentlich: es gibt NUR Gründe dagegen, aber der von der Bahn selbst vorgelegte Fahrplan und die Analyse dieses Fahrplans sind einfach (er)schlagend. Außerdem sind die Redebeiträge Palmers richtig gut und es ist spannend ihm zuzuhören –also!

Diese Word-Datei habe ich bereits an Boris Palmer selbst geschickt, damit er Bescheid weiß, aber ich werde sie auch an Merkel, Geißler, Mappus, Grube, Schmid usw. schicken, im Sinne von Peter Grohmann: „Wir geben die Erwartung, die Hoffnung nicht auf, dass doch noch „Vernunft und Verantwortung bei den Verantwortlichen einkehrt“ (s. „Der Fall Silber“ Stuttgart 2010 S. 219 unten.

Außerdem werde ich diese Datei auch in meine Web-Seite „roberts tagebuch“ einstellen und die Parkschützer in ihrem Forum darauf hinweisen. Möglicherweise muss ich das Layout des Textes bei der Überführung auf meine Seite nachbearbeiten.

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Auszüge aus dem „Wortprotokoll“ des Schlichtungsgesprächs vom 27.11.2010
http://www.schlichtung-s21.de/fileadmin/schlichtungs21/Redaktion/pdf/101127/2010-11-27_Wortprotokoll.pdf
(zu finden unter: http://www.schlichtung-s21.de/protokolle_materialien.html )

Ich habe die Teile der Sitzung, die mir für meinen Zweck relevant erscheinen, abgetrennt und mit einer Zeitangabe (real time) versehen, und zwar minütlich: das beginnt mit dem Vortrag von Boris Palmer zur Leistungsfähigkeit von S21 einschließlich der zugehörigen Diskussionen ab 11h24 bis zur Mittagspause 13h18 und es geht weiter nach der Pause von 14h11 bis 15h38. Insgesamt sind es somit knapp dreieinhalb Stunden!

Es handelt sich vor allem um den Vortrag von Boris Palmer zur Leistungsfähigkeit von S21 und der von K21 sowie um Fragen der K21-Gegner und deren Beantwortung usw.

Zur Kontrolle können herangezogen werden die Phönix-Videos, deren Web-Adressen ich ebenfalls an den betreffenden Stellen angebe.

Dort steht die im Wortprotokoll eingefügte Uhrzeit im Phoenix-Logo.

Die Seitenzahl des originalen Wortprotokolls steht nach rechts ausgerückt
im Format: [S. Schl-Stgt 27.11.10]

Bei dem „Wortprotokoll“ handelt es sich im strengen Sinn nicht um ein Wortprotokoll; denn die Protokollanten haben Eingriffe in Satzbau und Wortwahl vorgenommen. Da mir aber keine wirklich sinnentstellenden Passagen begegnet sind, hoffe ich, dass man dem Protokoll so weit vertrauen kann. Hin und wieder habe ich den wirklich gewählten Wortlaut wiederhergestellt. Schönes Bsp.: Palmer sagt um 11h45, im Wortprotokoll S. 64 unten nicht „lieber“ (so aber im Wortprotokoll), sondern er verwendet den schwäbischen Komparativ „gerner“. Veränderungen im Satzbau begegnen auf Schritt und Tritt. Ich habe das nur sporadisch korrigieren können (ein Zeitproblem).

Jetzt hoffe ich nur, dass mir nicht zu viele Fehler unterlaufen sind.

und nun zuvor ein paar zentrale Stellen, die ich gern herausstellen möchte, die in der Word-Datei auch durch größere Buchstaben hervorgehoben sind:

11.45 Palmer: …
Der Zug ist systematisch weg.

11.46 Palmer: …
Ich nehme an, dass Sie Ihr eigenes Konzept so gut kennen, dass es keine Schwierigkeiten machen wird, auf das einzugehen, was ich über Ihr eigenes Konzept sage. Sie haben das ja sicherlich alle selbst analysiert. Es ist ja nicht anzunehmen, dass ich Ihnen jetzt zum ersten Mal erzähle, dass es diese Probleme gibt.

11.49 Palmer:
Wie oft ist es so, dass ein Zug angekommen und in den 5 Minuten vorher ein anderer Zug schon weggefahren ist? Also: Sie sehen die roten Pfeile, das kommt eigentlich nur vor. Es gibt fast gar nichts anderes – im besten Bahnhof.

11.51 Geißler: Aber die [Leute] werden doch die Frage stellen:
Wenn das stimmt, was Sie sagen, dass es sozusagen die notwendige Folge dieser Konzeption ist … Dann ist die Konsequenz aus diesen Überlegungen, dass diese Seite hier [die S21-Befürworter] offensichtlich nen Quatsch plant?
Boris Palmer (Projektgegner): Richtig. (Beifall von den Projektgegnern) Das ist meine tiefe Überzeugung seit vielen Jahren.

11.59 Palmer: …
Wenn man mehr Züge haben will, kann man die sofort haben. Dafür muss man nicht Stuttgart 21 bauen.
,,,

Unser Fazit an dieser Stelle:
12.00 44 Züge pro Stunde sind in diesem achtgleisigen Tiefbahnhof nur mit einem Notfahrplan, der viele Probleme in der Qualität produziert, abzuwickeln. Deswegen leistet der achtgleisige Tiefbahnhof entgegen allen Versprechungen nicht mehr als der bestehende Kopfbahnhof, den wir K 20 nennen.

12.22 Palmer: …
Jeder Zug muss hundertprozentig pünktlich sein, dann geht es gerade irgendwie. Kleinste Verspätungen führen zum Zusammenbruch.

12.24 Palmer: …
Und wenn man es zusammenfasst, dann ist es ganz einfach: Stuttgart 21 leistet nicht mehr als der bestehende Kopfbahnhof 20, kostet aber viel mehr als der Kopfbahnhof 21. Das heißt, ich habe etwas, das nur so viel leistet wie der bestehende Kopfbahnhof, muss dafür aber mehr Geld ausgeben, als wenn ich den Kopfbahnhof 21 bauen würde, der noch einmal viel mehr leistet als der bestehende Kopfbahnhof. Das heißt, ich gebe viel aus und habe nachher ein schlechteres Ergebnis. Das nennen wir eine schlechte Kosten-Nutzen-Relation.

____________________ Mittagspause___________________________________

Die vollständige Simulation, die allein die Frage entscheiden kann: „Passiert das, was wir hier sehen, relativ selten oder häufig?“, gibt es nicht. Sie haben nur Teiluntersuchungen gemacht.

13.11 Palmer: …
Wir hätten gern, bevor Sie weiterbauen, dass Sie das vollständig simulieren, mit allen Weichen, mit allen Signalen.
Manches ist noch gar nicht definiert. Sie wissen gar nicht, ob Sie eine ETCS-Doppelausrüstung im Fildertunnel haben oder nicht. Das ändert die Simulation. Wir sagen: Die Fahrpläne sind so knapp, dass keine Reserven da sind, um die Verspätungen wieder aufzuholen. Im Gegenteil: mittlerweile haben Sie zum Beispiel die Fahrtzeiten der Züge nach Tübingen um mehrere Minuten verlängern müssen, weil Sie mit den ursprünglich geplanten Fahrtzeiten nicht hinkommen; das hat SMA Ihnen gesagt.
Solange so viele Schwierigkeiten da sind und Ihre Lösungsvorschläge so nachteilig sind wie die gerade vorgestellten, möchten wir, dass Sie erst fertig simulieren, um sagen zu können: „Jawohl, das ist stabil oder nicht“, bevor Sie weiterbauen.

14.26 Palmer: …
Wir reden von einem Großbahnhof, der über komplexe Zulaufstrecken mit Verspätungen kämpfen muss und die in seinem System ausgleichen muss. Wir sagen, dass es das in Deutschland nicht gibt. Sie bauen einen Bahnhof, der so wenig Kapazität hat, dass Sie nur, wenn Sie den Zugabstand auf 3 Minuten in Ihrem Fahrplan reduzieren, überhaupt 44 Züge in der Stunde erreichen.

14.27 …
Die Parlamente haben Geld für ein Zukunftsprojekt bereitgestellt, das ein Drittel mehr Züge abwickeln soll, wenn man sie braucht – Reserven für ein Jahrhundert. Und sie bekommen einen Bahnhof, der genauso viele Züge in der gleichen Qualität abwickeln kann wie der bestehende. Das ist der Vergleich. Ich muss ihn wiederholen.

Die Parlamente bestellen ICE, und zum doppelten Preis kriegen sie eine Dampflok.

14.34 Palmer:
Die Parlamente haben ein Zukunftsprojekt versprochen bekommen, das ein Drittel mehr Zugfahrten erlaubt als heute. So eine große Differenz – wir sagen: gar nichts, wenn Ihre Zahlen stimmen, sind es maximal 20 % –, zwischen 0 und 20 %, ist nicht ein Drittel. Ich glaube, diese mathematische Rechnung kann man nicht der Meinungsbeliebigkeit aussetzen. Oder sehe ich das falsch, Herr Dr. Geißler?

14.35 Palmer: …
Entschuldigung, ich war in dem Parlament. Jetzt muss ich mal das Parlament verteidigen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Sehr gut.
Boris Palmer (Projektgegner):
Da waren Leute wie ich drin. Sie haben gesagt: Was ihr da baut, kann maximal so viele Züge abwickeln wie der bestehende Bahnhof. Dann hat man gesagt: Das stimmt nicht, sondern es wird ein Drittel mehr gefahren. Die beiden Aussagen standen im Parlament gegeneinander, Fahrplandaten gab es nicht. Dann hat selbstverständlich die Regierung recht, weil sie die Mehrheit hat. Also hat das Parlament beschlossen: Wir geben die Milliarden aus, damit ein Drittel mehr Züge fahren können.
14.36 Das spricht nicht gegen das Parlament, sondern gegen die Information des Parlaments. Das ist doch das Problem.

14.47 Palmer: …
Der große Unterschied ist, dass wir sicher stellen können, dass Umsteigen immer funktioniert.

14.51 Palmer:
Das heißt, alle Nachteile, die in Ihrem Fahrplan heute Morgen offenkundig – für jeden, der ein bisschen verstanden hat, wie die Pläne zu lesen sind – aufgetreten sind, gibt es bei unserem Konzept nicht. Es gibt sie nicht. Deswegen ist dieses Fahrplankonzept weit überlegen. Es bietet bessere, schnellere Verbindungen, und sie sind zuverlässig.

14.52 Palmer:
Resümee: Ein Zuwachs der Zugzahlen ist im Kopfbahnhof möglich – wie wir gesehen haben –, mit den Infrastrukturverbesserungen deutlich über das hinaus, was mit dem Tunnelbahnhof möglich ist. Die Anschlüsse werden mit Stuttgart 21 eher schlechter; im modernisierten Kopfbahnhof könnten sie deutlich besser sein als heute. Mit Stuttgart 21 sinkt die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit gegenüber heute. Und mit Stuttgart 21 kann jedenfalls nicht mehr als im Kopfbahnhof in gleicher Qualität geleistet werden, auf jeden Fall deutlich weniger als in K 21, im modernisierten Kopfbahnhof. Deswegen meine ich: Man kann nicht davon reden, dass dies der Wirtschaft, dem Verkehr, dem Land nützt.

Schlichter Dr. Heiner Geißler: …

Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Weitermachen!) –

Weitermachen? Man muss schon noch mal Stellung nehmen zu dem, was er bisher gesagt hat. Denn wenn des stimmt,
da braucht Ihr den Bahnhof net bauen.

15.12. Geißler: …
Das sind doch die Fragen, die Sie [die Projektbefürworter] gestellt haben. Da müssen Sie doch sagen, ob die Antwort ausreichend ist oder nicht. So machen wir jetzt Fakten-Check.

15.22 Palmer: …
Jetzt gibt es Leute, die sagen, 1 Milliarde € sei kein Geld. Ich sage: Wenn ich für die Milliarde nachher so einen schlechten Bahnhof bekomme, wenn ich 1 Milliarde € trotz Abbruch und Grundstücken und allem Drum und Dran mehr bezahlen muss, um dann diesen Fahrplan zu kriegen, den Sie uns heute Morgen gezeigt haben und zu der Sie mich als Ingenieur einstellen wollten, bin ich wirklich der Meinung: Sparen wir uns die 1 Milliarde € Mehrkosten und machen den Kopfbahnhof.

15.23 Palmer: …
Sie haben keine Kritik geäußert, Sie haben keinen Fahrplankonflikt identifiziert. Das könnten Sie ja. Sie haben die Fahrpläne. Wenn Sie etwas hätten, würden Sie es uns sagen. Sie haben nichts gefunden. Also geht es. Und die Ausbauten haben wir definiert. Über das Geld müssen wir jetzt nicht reden.

und nun die ganzen dreieinhalb Stunden!!!

PHOENIX-Video: Schlichtung 8.3 ab TC 00:24:14:
http://bibliothek.phoenix.de/videobeitrag,581,33.html

[S.54 unten Schl-Stgt 27. November 2010

11.24 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Herr Palmer.
Boris Palmer (Projektgegner): Dankeschön. Herr Dr. Geißler! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte anknüpfen an den letzten Schlichtungstag, an dem wir dieses Thema aufgerufen haben. Dort sind wir nicht mehr weiterkommen aus zwei Gründen: Erstens war die Frage offen, ob es überhaupt notwendig ist, bevor man baut, einen Langfristfahrplan vorzulegen, wozu man den braucht oder ob das in Deutschland eben un-
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üblich ist und nicht gemacht werden soll.
11.25 Und zweitens war die Frage, ob das, was uns übermittelt wurde – jetzt ist die Ministerin gerade weg –, schon dieser Fahrplan sein soll oder eben ein Arbeitsstand, ein Zwischenstand, an dem sich noch sehr sehr viel verbessern und verändern kann. Deswegen sind wir damals auseinandergegangen. Sie haben gesagt: Wir haben mittlerweile neue Unterlagen, die schicken wir Ihnen zu. Die haben wir bekommen und konnten sie auswerten. Über diese Auswertung würden wir gern mit Ihnen diskutieren: Was haben wir in den letzten zehn Tagen von Ihnen bekommen? Wie bewerten wir dies? Da sind dann einige Fragen an Sie zu richten.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21)
Es ist immer noch die Frage: Ist Stuttgart 21 Ausbau oder Rückbau der Schiene? – im Unterschied zur Neubaustrecke, die zweifellos Ausbau ist. Dort werden zusätzliche Gleise geplant. Bei Stuttgart 21 werden eben auch Gleise abgerissen wie zum Beispiel die Gäubahn. Die Frage ist: Was ist der Effekt in Summe? Weil wir damals so auseinandergegangen sind und es keinen Sinn macht, über den Langfristfahrplan zu reden, wenn man sich nicht einigen kann,
11.26 ob der wichtig ist, möchte ich die Frage am Anfang noch einmal aus unserer Sicht klären.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 2: Warum benötigt man im Jahr 2010 einen Langfristfahrplan, um die Schieneninfrastruktur für das Jahr 2020 zu planen?)
Warum benötigt man jetzt schon – im Jahr 2010, vor Baubeginn – einen Langfristfahrplan – wir haben es einmal so genannt, Herr Dr. Geißler, ich hoffe, der Begriff „Langfristfahrplan“ ist eingängig –, um die Schieneninfrastruktur für das Jahr 2020 zu planen? Also: Warum kann man nicht einfach sagen, 2020 ist noch lange weg, man kann doch in zehn Jahren einen Fahrplan machen?

Weil wir gesehen haben, dass es bei der Bahn mit eingängigen, einfachen Schemazeichnungen immer so schön funktioniert, haben wir gedacht, wir machen das auch. Wir haben nicht so gute Grafikbüros wie Sie, aber ich hoffe, der Zweck wird erreicht. Ich will also mal erklären, warum man vorher wissen muss, wie der Langfristfahrplan aussieht, wenn man bauen möchte.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 3: Geplantes Fahrplanangebot: 1-Std.-Takt zwischen A-Stadt und B-Burg)
Hier ist ein Langfristfahrplan vorgesehen zwischen A-Stadt links und B-Burg rechts. Man plant, langfristig im Stundentakt zu fahren. Außerdem weiß man: Der Zug braucht 20 Minuten für die Strecke.
11.27 Dann genügt es, eine eingleisige Strecke zu bauen; denn der Zug kann in 20 Minuten von A-Stadt nach B-Burg fahren, kann dort 5 Minuten rumstehen, die Fahrgäste wechseln, und dann fährt er wieder zurück. Nach einer Stunde ist er wieder am Anfang. Das heißt, es kommt ihm kein Zug entgegen. Eine eingleisige Strecke reicht für diesen Langfristfahrplan aus.
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(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 4: Geplantes Fahrplanangebot: 30-Min.-Takt zwischen A-Stadt und B-Burg)
Wenn ich aber einen 30-Minuten-Takt fahren möchte, das heißt, wenn mein Langfristfahrplan vorsieht, dass alle 30 Minuten ein Zug fährt, dann muss ich etwas anderes bauen. Dann kann ich nicht eine eingleisige Strecke bauen, dann muss ich in der Mitte zwischen den beiden Städten eine zweigleisige Ausweichstelle haben, sodass die Züge – das Rote mit dem schwarzen Kern, Herr Dr. Geißler, soll einen Zug symbolisieren –, wenn sie alle halbe Stunde fahren, in der Mitte zwischen den beiden Städten die Möglichkeit haben, sich zu begegnen; denn auf eingleisiger Strecke ist es ganz schlimm, wenn sich zwei Züge entgegenkommen. Also muss man zweigleisig bauen.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 5: Geplantes Fahrplanangebot: 15-Min.-Takt zwischen A-Stadt und B-Burg)
11.28 Wenn ich langfristig vorhabe, im 15-Minuten-Takt zu fahren, dann reicht es nicht, in der Mitte zweigleisig zu bauen; denn dann gibt es noch einmal zwei Stellen, wo sich Züge auf eingleisiger Strecke begegnen würden. Dann muss ich die ganze Strecke zweigleisig und die Weichen jetzt an ganz anderer Stelle bauen, als wenn ich nur im Halbstundentakt fahren wollte. Sie stimmen mir zu: Es ist sehr wichtig, vorher zu wissen, was ich nachher fahren will, sonst baue ich an der falschen Stelle mit der falschen Größe. (Dr. Volker Kefer [Projektbefürworter] nickt.) – Sehr schön, ich freue mich über diesen Konsens. Dann ist es jetzt nicht mehr so unverständlich, warum wir darüber reden wollen. Nun war das Thema vor vier Wochen in der Diskussion, und ich habe gesagt: Ich will nicht in die Schweiz auswandern müssen, nur um so vorzugehen, dass man erst den Langfristfahrplan definiert und dann bestimmt, welche Schienen man baut. Das ist das Schweizer Prinzip. Sie erinnern sich: Wir haben „Schweizer Modell“ dazu gesagt. Die Schweiz arbeitet seit Jahrzehnten daran, einen Fahrplan für das ganze Land umzusetzen, bei dem überall gute Takte, gute Zeiten und gute Anschlüsse in den Bahnhöfen realisiert werden.
11.29 Es wird nur dort gebaut, wo es für diesen Fahrplan passt, sonst wird nicht gebaut. Das ist das Prinzip Schweiz. Das hätten wir gern auch in Deutschland. Dazu hat Herr Kefer vor vier Wochen gesagt: „Das geht nur in der Schweiz, in Deutschland geht es nicht.“ Mit am Tisch saß Herr Dr. Weigand, der heute leider nicht da ist. (Zurufe von den Projektbefürwortern: Doch!)
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Großartig, dann können Sie mir jetzt bestätigen, ob ich dort etwas geklaut habe, was nicht stimmt. Denn Sie haben am 30. September, also vor zwei Monaten, in Berlin – nicht in Stuttgart, das stimmt – einen Vortrag gehalten, bei dem ich diese Folie entdeckt habe.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 6: Erst Langfristfahrplan, dann Infrastrukturplanung – das hat eigentlich auch die DB erkannt)
Dort steht, dass auch die Deutsche Bahn mittlerweile das Schweizer Modell übernehmen will. Die klassische Planung der Bahn – links – lautet: Zuerst mache ich Prognosen, dann die Infrastruktur. Das haben wir in Stuttgart so gemacht. Erst sagen wir, wo die Gleise hinkommen, und wenn wir das festgelegt haben und schon bauen, dann kommen wir auf die Idee, den Langfristfahrplan zu definieren. Das nennen Sie „Klassisches Modell“. Dann kommt am Schluss ein Betrieb heraus, der so ist wie in Deutschland, bei dem eben vieles nicht zusammenpasst. Anders ist es in der Schweiz – das steht rechts –:
11.30 „Planungsmethodik netzweiter Taktfahrplan“. Erst kommt der Langfristfahrplan – das rote Feld –, und nur wenn ich den habe, fange ich an, neue Gleise und Schienen zu bauen. Das Tolle ist – das finde ich großartig, Herr Dr. Weigand –, dass Sie in Berlin gesagt haben, dass die Deutsche Bahn den Systemwechsel vollzieht, dass sie nicht mehr nach der klassischen Methode vorgeht, sondern jetzt die „Planungsmethodik netzweiter Taktfahrplan“ anwenden will. Das ist hervorragend; denn dann bekommen wir eine bessere Bahn in Deutschland. (Beifall von den Projektgegnern) Ich würde mich aber freuen, wenn wir nicht immer das Gefecht machen würden, dass niemand etwas zugibt. Wir haben auch mal zugegeben, dass es wohl Eisen- und nicht Eichenpfähle sind unter dem Turm. (Gemurmel bei den Zuhörern) Es gibt immer noch Unsicherheiten, aber jedenfalls haben wir gesagt: Darüber streiten wir nicht mehr. Hätten Sie vor vier Wochen nicht auch mal sagen können: „Herr Palmer, Sie haben grundsätzlich recht, wir wollen das jetzt auch so machen, aber Stuttgart 21 ist noch nach der alten Methodik gemacht“? Dann hätten wir nicht wieder einen Scheinstreit ausgeführt. Ich würde Sie bitten, so etwas auch einzuräumen, wenn schon Ihre eigenen Fachleute am Tisch sitzen und solche Folien produzieren.
11.31 Warum muss ich das ausgraben? Können Sie das in solch einer Situation nicht selbst sagen? Also: Sie sind auf dem richtigen Weg. Das freut uns. Jetzt haben wir uns die Freiheit genommen, zu sagen: Dieses Projekt ist noch nicht fertiggestellt. Man könnte immer noch so klug sein und auch auf Stuttgart 21 die richtige Methodik anwenden, erst den Langfristfahrplan definieren und dann fragen: Wie muss die Infrastruktur dafür aussehen?
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(Dr. Gerhard Heimerl: Herr Dr. Geißler, gestatten Sie eine Zwischenfrage?)
Boris Palmer (Projektgegner): Meinetwegen gern.
Dr. Gerhard Heimerl: Wir haben für die Planung von Stuttgart 21, wenn ich recht im Bilde bin, von vornherein den ITF Nördliches Baden-Württemberg zugrunde legen müssen. Dies war bereits Mitte der 90er Jahre so. Ist das richtig, oder habe ich das falsch in Erinnerung?
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das heißt „Integraler Taktfahrplan“.
Dr. Gerhard Heimerl: Es gab bereits damals Planungen für einen integralen Taktfahrplan, der in Stuttgart natürlich nicht ein kompletter Vollknoten sein konnte, 11.32 aber das Land Baden-Württemberg hatte bereits damals Vorstellungen, wie der integrale Taktfahrplan für den Knoten Stuttgart aussehen sollte. Das Heft hieß seinerzeit „Integraler Taktfahrplan Nördliches Baden-Württemberg“. (Boris Palmer [Projektgegner]: Darf ich darauf antworten?) Dies war eine Vorgabe für die damaligen Planungen. Es ist also nicht so, dass zuerst die Infrastruktur kam und dann der Fahrplan, sondern es war eine Vorgabe. (Boris Palmer [Projektgegner]: Darf ich darauf antworten?)
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ja, das müssen Sie. (Boris Palmer [Projektgegner]: Gut, danke schön!) Aber vielleicht sagen Sie den Leuten erst einmal, was ein integraler Taktfahrplan ist.
Boris Palmer (Projektgegner): Das kann ich gern tun. Taktfahrplan heißt erst einmal, dass die Züge nicht jede Stunde zu einer anderen Minute fahren, sodass man es sich nicht mehr merken kann, sondern sie fahren jede Stunde zur gleichen Minute in eine bestimmte Richtung, also immer zur Minute 12 nach Heidelberg, und nicht in einer Stunde zur Minute 12 und dann zur Minute 17 und in der nächsten Stunde dann zur Minute 23. So hat man das früher gemacht. Heute sagt man: Taktfahrplan – merkbar, immer – jede Stunde – das gleiche Prinzip.
11.33 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Und bei den Bahnhöfen dazwischen natürlich nicht zur halben Stunde.
Boris Palmer (Projektgegner): Zu einer anderen Zeit. Da ist er dann, wenn er 10 Minuten gefahren ist, 10 Minuten später.
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Schlichter Dr. Heiner Geißler: Aber immer 8:10 Uhr usw.?
Boris Palmer (Projektgegner): Genau!
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Okay. okay
Boris Palmer (Projektgegner): Integraler Taktfahrplan: Das Wort „integral“ soll sagen, dass man nicht nur auf einer einzelnen Strecke im Takt fährt, sondern dass man das ganze System im Takt betreibt und dann Umstiege in den wichtigen Bahnhöfen realisiert. Das heißt integral: zusammengedachter Taktfahrplan. Was Prof. Heimerl sagt, ist selbstverständlich richtig. Es gab für einen Teil Baden- Württembergs eine solche Zielplanung, die übrigens nicht vollständig umgesetzt wurde. Da wurden viele Elemente mittlerweile wieder fallen gelassen. Zum Beispiel auch die schöne Vorstellung, mit einem Neigezug von Tübingen nach Freiburg zu fahren, ist vollständig verschwunden. Aber entscheidend ist: Obwohl es die gab, wurde kein Langfristfahrplan für Stuttgart 21 erstellt, sondern es waren nur einige Randbedingungen zu beachten. Deswegen bleibt meine Aussage – das war ja auch Ihre, dass Sie das so gemacht haben – richtig.
11.34 „Wir sind nach der klassischen Planungsmethode bei Stuttgart 21 vorgegangen: Theoretische Laborberechnungen der Kapazität durch Prof. Martin und dann Bauen und dann werden wir schon irgendwann einen Fahrplan auf diese Infrastruktur draufsetzen. Das war die Methodik. Das ist die Methodik Deutschland.“ Und die Methodik Schweiz wird von der Bahn für die Zukunft angewandt. Und das ist die bessere Methodik. Das ist unsere Auffassung. Jetzt wollen wir Ihnen zeigen, wie diese alte Methodik sich auf Stuttgart 21 auswirkt. Stuttgart 21 wird nämlich ungewollt – wir sagen nicht, dass Sie das wollten, aber es war eben nicht berechnet – zum Engpass. Deswegen behaupten wir, dass das so nicht umgesetzt werden kann. Dafür muss ich leider noch einmal diese Folie in Erinnerung rufen.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 8: Wie liest man einen Gleisbelegungsplan?)
Herr Dr. Geißler, Sie erinnern sich. Auch Herr Leuschel hat gerade einen Gleisbelegungsplan gezeigt, aber ich möchte, dass man versteht, was ich jetzt nachfolgend vorlege. Wie liest man diesen Gleisbelegungsplan? – Hier sind zwei Gleise dargestellt. Das Gleis 1 und das Gleis 2 sind markiert. Orangefarben ist ein Zug.
11.35 Wenn die orangefarbene Markierung nur halb hoch ist, dann heißt das – wenn diese Markierung von links kommt, dann heißt das Einfahrt, weil die Zeit von links nach rechts läuft. Wenn die Markierung rechts ist, dann heißt das Ausfahrt. Dazwischen ist ein hoher Balken. Das heißt, dass der Zug im Bahnhof steht. Das ist ein Gleisbelegungsplan. Über die Anschlüsse reden wir jetzt erst mal nicht so intensiv. Was man sehen kann: Von Gleis 1 nach Gleis 2 kann ich umsteigen, denn ich komme zu Minute 50 an, und der Zug auf
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Gleis 2 fährt erst zur Minute 3 weg. Ich habe also 13 Minuten Zeit zum Umsteigen, während es andersherum nicht funktioniert: Ich komme an Gleis 2 zur Minute 57 an, und schon zur Minute 58 fährt auf Gleis 1 der Zug weg. Das ist möglicherweise ein „Turnschuhanschluss“, aber so darf man keine Umstiege planen.
11.36 Wenn die Züge übereinander an einer senkrechten Linie und somit gleichzeitig am Bahnhof stehen, kann ich in beide Richtungen umsteigen. Wenn das versetzt ist, dann ist in eine Richtung kein Anschluss gegeben. Nun haben wir im Tiefbahnhof analysiert, was Ihr vorgelegter Langfristfahrplan – ich würde es jetzt gern Langfristfahrplan nennen – bedeutet.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 9: Notfahrplan im Tiefbahnhof)
Das ist – und das noch einmal klarzumachen – ze
itlich etwas nachgezogen das, was wir gern vorher gemacht hätten. Man ist jetzt an dem Punkt – 2010, während schon gebaut wird –, dass man diesen Fahrplan erstellt hat. Das ist das Gutachten der berühmten Schweizer Firma SMA – immer wieder genannt, Herr Dr. Geißler. Das wurde 2008 erstmals gemacht und jetzt – 2010 – soweit verbessert, dass Sie uns einen aktuellen Arbeitsstand präsentieren konnten. Das ist das, was die Firma SMA erarbeitet hat: der Langfristfahrplan. Wir haben in diesem Langfristfahrplan eine Reihe von Problemen identifiziert, die wir Ihnen jetzt einmal vorstellen möchten, um dann darüber zu reden, ob die schwerwiegend sind und was das bedeutet.
11.37 Wir sehen in dem Langfristfahrplan folgende Situation – erster blauer Kringel –: eine sehr dichte Zugfolge. Der erste Zug fährt zur Minute 37 ein, und zur Minute 40 fährt er raus. Schon zur Minute 44 steht aber der nächste Zug im Bahnhof. Das heißt, wegen der einen Minute, die man für die Ausfahrt braucht, ist das Gleis am Bahnsteig nur eine Minute wirklich frei. Dies ist der Abstand. Diese dichte Zugfolge halten wir für problematisch. Wenn jetzt nämlich der erste Zug 2 oder 3 Minuten Verspätung hat, heißt das, dass der zweite auch Verspätung hat. Er kann nämlich nicht einfahren. Zweites Beispiel: Zugfolge 0 Minuten. Es sind hier noch Situationen eingeplant, wo der Abstand gar nicht mehr da ist. Das heißt, wenn der eine gerade aus dem Gleis raus ist, vergeht keine Minute, sondern sofort in der nächsten Minute fährt schon der nächste Zug wieder ein. Diese Zugfolge 0 Minuten gibt es in dem von Ihnen vorgelegten Langfristfahrplan. Und drittes Beispiel: Doppelbelegung der Gleise.
11.38 Das wurde vorher schon von Herrn Leuschel genannt. Wir haben einen Durchgangsbahnhof, dessen großer Vorteil ja sein soll, dass die Züge hinein- und sofort wieder herausfahren können. In den Durchgangsbahnhof stellen wir auf ein Gleis zwei Züge. Das bedeutet, dass alles
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ganz langsam wird, denn Sie können natürlich auf ein leeres Gleis viel schneller einfahren als auf eines, auf dem ein Zug steht. Da gelten völlig andere physikalische und rechtliche Bedingungen. Also wird der schöne Durchgangsbahnhof durch Doppelbelegungen erheblich langsamer. Er wird dann ungefähr so langsam wie der Kopfbahnhof, der Ihnen ja wegen seiner 4 Minuten, die man durch die Wende mehr braucht, so große Probleme macht. Ungefähr so langsam wird der Tunnelbahnhof, der Durchgangsbahnhof, durch Doppelbelegungen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Aber nur bei Verspätungen, sagten Sie?
Boris Palmer (Projektgegner): Nein, diese Doppelbelegungen – Herr Dr. Geißler, jetzt bin ich ganz unten auf der Folie –, markiert durch den grünen Strich, sind im Fahrplan planmäßig vorgesehen. Sieben Fälle haben wir.
Johannes Bräuchle (Projektbefürworter): Da steht doch aber in der Überschrift „Notfahrplan“. Oder ist das falsch?
Boris Palmer (Projektgegner): Nein, die Überschrift ist von mir, weil ich das, was dort als Fahrplan dargestellt wird, für einen Notfahrplan halte. Das ist nicht der Notfahrplan wie Sie das nennen, sondern wie ich das nenne. Wenn solche Sachen auftreten, sage ich:
11.39 Das kann man nur als Notfahrplan bezeichnen. Wir sind also dort ganz unten auf der Folie. Diese Doppelbelegungen – Herr Dr. Geißler, Sie haben es ja immer gern anschaulich und praktisch – kann man in Köln im Hauptbahnhof beobachten. Das habe ich am letzten Sonntag wieder einmal gemacht. Wenn jetzt ein Zug bei einer Doppelbelegung Verspätung hat, ändert sich die Reihenfolge der Züge im Bahnhof. Das heißt, der Zug der vorne stehen sollte, steht hinten, und umgekehrt. Natürlich schafft die Bahn es nicht, die Anzeigen zu ändern. Ich saß nachher in einem Zug, mit dem – ungelogen – ein Dutzend Leute nach Brüssel statt nach Dortmund fuhren. (Beifall von den Projektgegnern) Das ist normal.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Da kann man keinen Beifall klopfen, wenn die im falschen Zug sitzen.
Boris Palmer (Projektgegner): Nein, das kann man nicht. Ich will nur sagen: Doppelbelegungen sind für die Fahrgäste so schwer zu verstehen. Sie haben ein Gleis, sie denken, sie sind am richtigen Gleis, und dann steigen sie vorne ein statt hinten, und man hat sich gerade noch umgedreht, was vorne und hinten ist. Jetzt sagen Sie mal der 75-jährigen Oma, dass sie da jetzt bitte richtig einsteigen muss.
11.40 Sie kriegt dann nachher vielleicht noch eine Strafe, weil sie keinen Fahrschein für die Strecke hat. Aber eine Entschuldigung bekommt sie nicht.
[S. 62 Schl-Stgt 27.11.10]
Doppelbelegungen sind Notmaßnahmen. Man kann Doppelbelegungen nur machen, wenn sonst gar nichts anderes übrig bleibt. Das ist kein Service für die Fahrgäste. Vielleicht sollte ich da noch einmal zurückgehen. Als ich das vor vier Wochen vorgestellt habe, hieß es, das seien Einzelfälle. Das können wir im Video nachgucken, das ist ein Zitat von Dr. Kefer: „Was Sie da aufzeigen, sind Einzelfälle.“ Jetzt haben wir einmal geguckt, um zu sehen, wie häufig der Einzelfall auftritt.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 10: Gleisbelegung im Tiefbahnhof S 21 [Grundtakt])
Das ist Ihr Grundtakt, also noch nicht die 44 Züge in der Spitzenzeit im Berufsverkehr, sondern Ihr Grundtakt, den Sie, wenn ich es gerade richtig weiß, Herr Leuschel, mit 26 Zügen – – (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Das ist Spitzenstunde!) – Nein, das ist nicht die Spitzenstunde. Die Spitzenstunde kommt noch. Das ist der Grundtakt. (Zuruf) – Was heißt hier verdichteter Grundtakt? Jedenfalls ist es nicht die Spitzenstunde. (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Ich habe es nicht richtig sehen können!) – Ja, aber es ist nicht die Spitzenstunde, sondern Sie hatten jetzt 26 gesagt. Ich dachte eigentlich, es seien 30 Züge pro Stunde. – Sei es drum.
11.41 Es ist nicht die Spitzenstunde. Da sehen Sie jetzt folgende Situation: Doppelbelegung von Gleisen kommt bei Ihnen schon im Grundtakt an drei Punkten vor. Dreimal wird dies in diesem Fahrplan so gemacht – schon im Grundtakt, nicht in der Spitzenstunde. Schon im Grundtakt ist das bei Ihnen nötig. Was noch viel problematischer ist: Wir haben hier mal all die Situationen blau eingekreist, in denen innerhalb von 5 Minuten, bevor der eigene Zug ankommt, ein anderer Zug abgefahren ist – also nicht, weil einer Verspätung hatte, sondern weil das im Fahrplan so steht. Diese Situation – wenn Sie die Kreise durchzählen, sehen Sie: Es sind nämlich oft mehrere Züge, wo der Abstand unter 5 Minuten ist – tritt also ungefähr fast bei der Hälfte aller Züge auf.
11.42 Das heißt: Der Fahrplan, den Sie vorlegen, ist so konstruiert, dass der Fahrgast systematisch 25 und mehr Minuten warten muss, bis er seinen nächsten Zug bekommt. Bei einem Halbstunden-Takt heißt es, wenn innerhalb von 5 Minuten der Anschlusszug schon
[S. 63 Schl-Stgt 27. November 2010]
weg ist, ist die Wartezeit 25 plus x, je nachdem ob es 1, 2, 3, 4 oder 5 Minuten waren, die der Zug schon weg war. Das hat SMA jetzt bestimmt nicht gemacht, um mir einen Gefallen zu tun, sondern das ist eine zwangsläufige Konsequenz aus der Infrastruktur. Das merkt man aber erst jetzt, wenn man den Fahrplan macht. All Ihre eingleisigen Abschnitte usw. führen dazu, dass das alles auftritt. Ich bin Mathematiker und betone das immer wieder. Nach meiner Auffassung sind die Kreise in der Anzahl, in der sie hier dargestellt sind, keine Einzelfälle. Diese Aussage ist mathematisch nicht haltbar. Wenn man das Ganze dann aber noch in der Spitzenstunde macht, dann sieht es so aus:
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 11: Gleisbelegung im Tiefbahnhof S 21 [Spitzenstunde: 44 Züge/h])
Das, was Sie uns vorgelegt haben, um nachzuweisen, dass der Tiefbahnhof 44 Züge in der Stunde abwickeln kann, geht nur – SMA hat das nicht gemacht, um uns Argumente zu liefern –, wenn man all diese Nachteile in Kauf nimmt. Sie sehen all die roten Kringel.
11.43 Überall auf diesen Gleisen kommt es zu Doppelbelegungen mit den genannten Problemen für die Fahrgäste, der Verlangsamung des Verkehrs im Bahnhof, und all die blauen Punkte – obwohl jetzt ja mehr Züge fahren – sind immer noch die Stellen, an denen Anschlüsse verpasst werden. Es tut mir leid. Das sind keine Einzelfälle.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Darf ich eine Frage stellen? Man muss einfach zugeben: Für den Normalsterblichen ist das auf Anhieb nicht recht verständlich, was da geschildert wird. Hängt das damit zusammen, dass da zu wenige Gleise sind?
Boris Palmer (Projektgegner): Natürlich!
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Wir nehmen einmal an, wir hätten eine Verdopplung der Gleise: statt acht 16, dann würde sich das entspannen? Ist das Ihr Argument? Ich will ja nur wissen, warum Sie uns das hier vorführen. Das muss man einmal sagen.
Boris Palmer (Projektgegner): Korrekt, Herr Dr. Geißler, ich komme darauf. Ich habe dafür eine Folie. Es gibt zwei Gründe, warum das so ist: Erstens die Anzahl der Gleise im Bahnhof – es würde sich mit mehr Gleisen entspannen. Das hat auch Herr Prof. Heimerl gesagt, zehn wären besser als acht. Zweitens wegen der Engpässe auf den Zulaufstrecken.
11.44 Beides werde ich noch zeigen. Dadurch kommt das zustande. Das ist eine Folge der Infrastruktur. Das ist ja genau mein Punkt: Zuerst die Infrastruktur definieren, dann gucken, was für ein Fahrplan herauskommt – dann bekommt man dieses Ergebnis, das aber niemand will.
[S. 64 Schl-Stgt 27. November 2010]
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ich bitte für alles Folgende, das, was Sie jetzt sagen, an den Anfang zu stellen, damit die Leute wissen, worum es überhaupt geht. Sie wollen jetzt mit diesen Folien nachweisen– das ist Ihr gutes Recht –, dass es bei einem bestimmten Taktfahrplan bei soundso vielen Gleisen zu Engpässen kommt. Das wollen Sie jetzt darstellen.
Boris Palmer (Projektgegner): Ich will noch ein bisschen mehr nachweisen. Schlichter Dr. Heiner Geißler: Und deswegen ziehen Sie Folgerungen daraus und sagen: Die planen acht Gleise, haben einen Taktfahrplan und die acht Gleise reichen für den Taktfahrplan nicht aus – in Bezug auf die Umsteigezeiten, die eben ein normaler Mensch braucht, wenn er auf ein anderes Bahngleis hinüber geht; dass einfach die Zeiten nicht ausreichen.
11.45 Boris Palmer (Projektgegner): Nein, dass Zeiten nicht ausreichen, ist gar nicht der Punkt. Es ist ja negative Zeit. Wenn der Zug schon weg ist, bevor ich komme, dann kann man nicht sagen, dass die Zeit nicht ausreicht. Sie ist nicht zu kurz, sondern sie ist schon vorbei.

Der Zug ist systematisch weg.

Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ist das zwangsläufig? Verstehen Sie?
Boris Palmer (Projektgegner): Herr Dr. Geißler, wir haben hier eine unterschiedliche pädagogische Konzeption. Ich will eigentlich über die Fakten zu einem Ergebnis kommen und das Ergebnis nicht an den Anfang meiner Überlegungen stellen, weil ich das eigentlich auch intellektuell nicht redlich finde, dass man erst sagt, wie es ist, und danach versucht, irgendetwas zu begründen. Ich habe eher den Aufbau, den Spannungsbogen und an dessen Ende das Resultat darzustellen. Wenn ich das darf, würde ich das gern so machen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ich weiß aber nicht, ob das so verständlich ist. Aber machen Sie einmal weiter.
Boris Palmer (Projektgegner): Darf ich es versuchen?
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das ist die induktive Methode. Es gibt auch die deduktive Methode.
Boris Palmer (Projektgegner): Induktion und Deduktion sind zwei schöne Prinzipien. Ich habe es gerner so. Wenn ich darf?
11.46 Thomas Bopp (Projektbefürworter): Herr Geißler, ich habe eine Frage: Bekommen wir denn irgendwann diesen Vortrag ausgeteilt,
[S. 65 Schl-Stgt 27. November 2010]
weil es bei der pädagogischen Linie, die der Herr Palmer vertritt, sehr wichtig ist, dass wir schon einmal sehen, worauf er hinaus will. (Zuruf Hannes Rockenbauch: [Projektgegner] Wir wollen ja auch, dass Sie etwas lernen. Das kommt, das ist gerade im Druck!)
Boris Palmer (Projektgegner): Ich kann ja einmal sagen: Für diese Druckfragen bin ich nicht zuständig. Ich hoffe, dass Sie das möglichst bald haben. Mein Interesse ist, dass Sie alles im Detail betrachten und auch widerlegen können. Ich habe kein Interesse, hier Folien an die Wand zu werfen, die niemand überprüfen kann. Das wäre völliger Unsinn. Ich fand es gestern schon schlimm genug, dass man die 100 Seiten der Wirtschaftsprüfer erst während der Schlichtungssitzung lesen konnte. Das ist der Diskussion nicht sehr förderlich. Also bitte, Sie haben ja das Fahrplankonzept von uns bekommen und konnten das analysieren.

Ich nehme an, dass Sie Ihr eigenes Konzept so gut kennen, dass es keine Schwierigkeiten machen wird, auf das einzugehen, was ich über Ihr eigenes Konzept sage. Sie haben das ja sicherlich alle selbst analysiert. Es ist ja nicht anzunehmen, dass ich Ihnen jetzt zum ersten Mal erzähle, dass es diese Probleme gibt.

Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Sie sind kompetent genug, das zu beurteilen.
11.47 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Aber die Wirtschaftsprüfungsergebnisse haben alle erst in der Nacht vorher bekommen.
Boris Palmer (Projektgegner): Ja, natürlich.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das hängt mit der knappen Zeit zusammen, die die Wirtschaftsprüfer zur Verfügung hatten. Also, es ist keine Schikane gegenüber irgendeiner Gruppe gewesen.
Boris Palmer (Projektgegner): Nein, um Gottes Willen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das ist die allgemeine Situation, die wir beklagt haben. Aber das Ergebnis ist, so schnell es überhaupt ging, allen zugestellt worden.
Boris Palmer (Projektgegner): Ich bin absolut einverstanden. Ich sage nur: Das erschwert die Diskussion. Ich habe niemandem dafür eine Verantwortung zugewiesen. Das ist die Situation, das haben wir analysiert, das sind die Probleme bei Ihrem Fahrplan in der Spitzenstunde. Jetzt gibt es diese verpassten Anschlüsse – Warten im Tunnelbahnhof – nicht nur negativ, sondern auch positiv. Das heißt, de
r Abstand – 2 Minuten; hier negativ. Ich habe Ihnen erklärt, wie oft das vorkommt. Dann sagt Rüdiger Grube – ich hoffe, das ist korrekt zitiert –: „Wir bauen den besten Bahnhof der Welt.“
[S. 66 27. November 2010]
11.48 Jetzt haben wir uns einmal angeguckt, wie oft kommt denn das vor: der negative Abstand und verpasste Anschlüsse. Jetzt habe ich wahrscheinlich durch so viele Fragen die Zuordnung der Kringel vorher gar nicht richtig erklärt, Entschuldigung. Jetzt muss ich das nochmal korrigieren. Das eine, was wir blau eingekreist hatten, waren die kurzen Abstände zwischen zwei Zügen. Jetzt kommen erst die verpassten Anschlüsse. Noch einmal zur Verdeutlichung – es steht ja auch dran –: Zugfolgen unter 5 Minuten – das sind die blauen Kringel – sind all die Situationen, wo der Abstand zwischen zwei Zügen im Gleis maximal 5 Minuten ist. Ich bitte um Nachsicht, da bin ich jetzt selbst durcheinandergekommen. Dieses Problem: zu eng. Und dann gibt es eine Verspätung. Und wenn einer eine Verspätung hat, hat der nächste auch Verspätung. Und jetzt kommen die verpassten Anschlüsse. Hier das Beispiel: Ankunft des einen Zuges zur Minute 48, der andere ist zur Minute 46 weggefahren. Herr Grube sagt: der beste Bahnhof der Welt.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 16: Verpasste Anschlüsse im Tiefbahnhof S 21 [Grundtakt])
Jetzt haben wir mit Pfeilen – der
11.49 Pfeil geht natürlich immer nur in eine Richtung – mal analysiert, wie oft die Situation in Ihrem Fahrplan auftritt.

Wie oft ist es so, dass ein Zug angekommen und in den 5 Minuten vorher ein anderer Zug schon weggefahren ist? Also: Sie sehen die roten Pfeile, das kommt eigentlich nur vor. Es gibt fast gar nichts anderes – im besten Bahnhof.

Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ich muss jetzt einfach den Ombudsmann für die Leute machen, die am Fernsehschirm sitzen.
Boris Palmer (Projektgegner): Ja, bitte.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das verstehen die nicht, was Sie da vorzeigen, mit dem Rauf und Runter. Das ist völlig indiskutabel.
Boris Palmer (Projektgegner): Herr Dr. Geißler, das sehe ich jetzt anders. Ich glaube, dass jedermann sieht, dass es nicht ein Einzelfall ist, wenn jeder rote Pfeil einen verpassten Anschluss darstellt, wo ich dem Zug nur nachgucken kann, den ich gern genommen hätte. Jeder rote Pfeil ist eine solche Situation. Für jedermann und jede Frau ist beim Blick auf dieses Chaos auf dieser Folie völlig eindeutig, dass das massenhaft vorkommt und dass das kein guter Fahrplan sein kann – mehr will ich eigentlich nicht zeigen.
11.50 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Also – Sie wollen also sagen: Es ist eine unabweisbare Folge dieser achtgleisigen S-21-Lösung. Da kommt es ununterbrochen zu solchen Situationen.
[S. 67 Schl-Stgt 27. November 2010]
Boris Palmer (Projektgegner): Nicht nur des achtgleisigen Bahnhofs, sondern Stuttgart 21 mit den Zulaufstrecken führt zwangsläufig zu diesem Resultat, weil sonst die Planer des Fahrplans sicher etwas Besseres gemacht hätten. Das finden die ja auch nicht schön. (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Vielen Dank, das kann ich nur bestätigen! Es gibt Zulaufstrecken!) – Ja, natürlich. Beides – der Bahnhof und die Zulaufstrecken in der Summe – führen zu einer Reduktion der Möglichkeiten, einen Fahrplan zu bauen, die dieses Ergebnis abliefert. Besser kann man mit der Infrastruktur keinen Fahrplan machen. Das will ich sagen. Weil das, was da ist, offensichtlich schlecht ist, kann Stuttgart 21 nicht gut sein. War das eine einfache Aussage im deduktiven Verfahren, die Sie akzeptieren können, Herr Dr. Geißler?
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ich kann alles akzeptieren, nicht wahr, was die Leute verstehen.
Boris Palmer (Projektgegner): Deswegen frage ich.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das kann ich alles akzeptieren.

11.51 Aber die [Leute] werden doch die Frage stellen:
Wenn das stimmt, was Sie sagen, dass es sozusagen die notwendige Folge dieser Konzeption ist … Dann ist die Konsequenz aus diesen Überlegungen, dass diese Seite hier [die Projektbefürworter] offensichtlich nen Quatsch plant?
Boris Palmer (Projektgegner): Richtig. (Beifall von den Projektgegnern)
Das ist meine tiefe Überzeugung seit vielen Jahren.

Schlichter Dr. Heiner Geißler: Der Beifall kommt vielleicht ein bisschen zu früh, denn Sie haben wirklich nachher die Aufgabe zu beweisen, dass er [Leuschel] nicht recht hat.
Boris Palmer (Projektgegner): Darauf freue ich mich.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das sage ich Ihnen jetzt schon, sonst ist das verheerend.
Boris Palmer (Projektgegner): Darauf freue ich mich, weil Herr Leuschel gesagt hat – – (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Ich wollte nur Herrn Palmer ausreden lassen!)
[S. 68 Schl-Stgt 27. November 2010]
Herr Leuschel hat schon genickt und gesagt, dass es nicht besser geht. Also freue ich mich sehr auf die Fortsetzung der Diskussion. Gut, es war verständlich, was ich sagen wollte. Dafür bin ich dankbar. Ich habe jetzt schon einige Zwischenfragen zugelassen, jetzt würde ich gern vorankommen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Machen Sie weiter.
Boris Palmer (Projektgegner): Jetzt will ich noch einmal klarmachen, warum uns das so wichtig ist.

11.52 Man hat uns in den Parlamenten und in der Öffentlichkeit gesagt, Stuttgart 21 ist ein Jahrhundertprojekt, das 30 % mehr Zugfahrten ermöglicht als der Kopfbahnhof heute.
Der Beleg ist Prof. Martin, der nur die acht Gleise im Tunnelbahnhof, ohne die Zulaufstrecken – das endet oben am Fildertunnel – als Ganzes zu berücksichtigen, berechnet hat. Der hat gesagt,
es können bis zu 52 Züge fahren. Jetzt legen Sie einen Fahrplan vor, der nur 44 schafft, also deutlich unter Ihren theoretischen Berechnungen bleibt. Und diese 44 Züge, die Sie da in der Spitzenstunde abwickeln, die sind überhaupt nur möglich, wenn man akzeptiert, dass der Abstand zwischen zwei Zügen auf dem Gleis mal 1 oder 2 Minuten beträgt, dass man Doppelbelegungen macht und dass man ständig Anschlüsse verpasst. Das heißt, wenn man die Kapazität – das ist ja die Frage heute –, die Leistung dieses Bahnhofs mit dem Kopfbahnhof vergleicht, dann muss man auch die gleiche Qualität liefern. Und das, was Sie mit 44 Zügen erreichen, das ist eine ungleich schlechtere Qualität. Da muss es Verspätungen geben. Das führt zu einem Zusammenbruch des Fahrplans. Das kann nicht funktionieren. Das ist unsere feste Überzeugung.
11.53 Es ist ein zentrales Versprechen nicht gehalten worden. Der Fahrplan, den Sie vorlegen, beweist das Gegenteil. Er beweist, dass Sie durch diesen Langfristfahrplan nicht mehr liefern können als die bestehende Infrastruktur mit dem heutigen Kopfbahnhof. Trotzdem …
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Selbst, wenn ich Ihnen jetzt auf die Nerven gehe, (Boris Palmer [Projektgegner]: Bitte ja, Sie dürfen das) aber ich würde doch bei den anderen Folien empfehlen, dass Sie zunächst einmal die Bilder erklären. Verstehen Sie? Sie interpretieren schon mit anderen Worten, (Boris Palmer [Projektgegner]: Gut, das ist ein sehr berechtigter Einwand.) ohne vorher einmal zu sagen, was es eigentlich bedeutet: isolierte Betrachtung des Tiefbahnhofs – das steht da einfach da –, nicht des Gesamtknotens. Das müssen Sie erläutern.
Boris Palmer (Projektgegner): Also ich mache das gern, ich wollte aber Zeit sparen.
[S. 69 Schl-Stgt 27. November 2010]
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Nein, das brauchen Sie nicht. Das gilt für alle. Sie müssen das so erklären, dass die Menschen das verstehen. Das verstehen die nicht.
Boris Palmer (Projektgegner): Gut, ich mache das gern. Ich wollte ein bisschen abkürzen.
11.54 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Sie verstehen alles, das ist mir klar, das ist selbstverständlich, aber davon können Sie bei anderen nicht ausgehen. Wir sind hier nicht in einem Seminar, wir sind auch nicht in einem Fachkollegium, nicht wahr, wo alles von vornherein klar ist. Sondern es ist eine Schlichtung, die geöffnet ist – und zwar für alle. Das wird live übertragen. Infolgedessen müssen wir uns so ausdrücken, dass die Menschen das auch verstehen. Das heißt, Sie müssen das einmal erklären, was Sie hier schriftlich auf dem Bild haben.
Boris Palmer (Projektgegner): Das tue ich gern. Ich wollte abkürzen, weil wir das vor vier Wochen schon einmal gezeigt haben, aber ich mache das gern noch einmal.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das wissen die Leute sicher noch! … also!
Boris Palmer (Projektgegner): Nein, ich wollte Zeit sparen. Ich mache das gern so, wie Sie das wünschen, Herr Dr. Geißler.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 17: Abstrakte Gutachten – reales Betriebskonzept)
Links sehen Sie das Gutachten von Prof. Martin – das ist der schwarze Kasten – und dessen wesentliche Kennzeichen. Diese Kennzeichen sind erstens: Er hat nur den Tiefbahnhof betrachtet, nicht die ganzen Engpässe auf den ganzen Zulaufstrecken. Zweitens hat er Haltezeiten – darüber haben wir diskutiert, Herr Dr. Geißler –
11.55 von 1 bis 2 Minuten für die Züge unterstellt.
Dadurch gehen natürlich mehr Züge durch den Bahnhof, als wenn ich die jetzt angesetzten 3 Minuten für jeden Zug ansetze. Durch diese beiden Parameter ist es ihm gelungen, die Frage des Verwaltungsgerichtshofs – Sie wollten ja das Urteil nachlesen; das war sein Gutachten für den Gerichtsentscheid – zu beantworten mit: Der Tunnelbahnhof kann ein Drittel mehr leisten als der bestehende Kopfbahnhof, nämlich bis zu 52 Züge. Das ist das Ergebnis von 2005. Jetzt haben wir heute – das hätten wir nie leisten können, aber Sie haben es gemacht – den Langfristfahrplan darüber gelegt. Und der hat zwei andere Randbedingungen – Prämissen, wie Sie sagen, Sie mögen es lieber lateinisch –, und wenn man sonst nichts ändert und das ganze Rechenverfahren ansonsten richtig abwickelt – Herr Prof. Martin hat jeden Algorithmus korrekt eingesetzt; da gibt es nichts zu kritteln – und man nur diese beiden Prämissen ändert, nämlich den ganzen Knoten, also alle Strecken im Zulauf mit betrachtet, mit den eingleisigen und mit den Kreuzungen
[S. 70 Schl-Stgt 27. November 2010]
11.56 all diese Engpässe – und die realistischen Haltezeiten nimmt – nicht 1 bis 2 Minuten, sondern 3 –, wenn man das tut, dann kommt raus, was wir gesehen haben: maximal 44 Züge und ein Fahrplan, der von so vielen Problemen gekennzeichnet ist, dass er nicht funktionieren kann. Deswegen sagen wir: Die realistische Aussage lautet, Ihr Langfristfahrplan belegt, dass Stuttgart 21 gerade einmal die 38 Züge in vergleichbarer Qualität abwickeln kann, wie heute im Kopfbahnhof unterwegs sind. Deswegen ist die Aussage, die uns versprochen wurde – Zukunftsprojekt, ein Drittel mehr Leistung durch sich selbst – widerlegt. War das soweit verständlich?
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Können Sie freundlicherweise dann sagen – nun wollen Sie den Bahnhof nicht, ist klar, deshalb können Sie sagen, dass Sie die Frage nicht zu beantworten brauchen –, wie viele Gleise denn dazukommen müssten, dass es funktioniert?
Boris Palmer (Projektgegner): Herr Dr. Geißler, ich bin sehr froh, dass ich die Frage in meinem deduktiven Konzept erahnt habe. Ich komme dazu nachher und biete dazu Folien.
11.57 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Sie sollten die Frage beantworten.
Boris Palmer (Projektgegner): Die Frage kommt später in meinem Vortrag vor – mit entsprechenden Folien, weil mir klar war, dass die Frage sich aufdrängt.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Jawoll, gut, okay.
Boris Palmer (Projektgegner): Dann mache ich jetzt weiter. Denn es wird ja immer noch gesagt – auch hier in der Schlichtung –: Wir fahren ein Drittel mehr Züge. Diese Aussage haben Sie nicht eingeordnet und nicht korrigiert. Stimmt auch, Sie versprechen uns ein Drittel mehr Züge. Aber Sie tun dies nicht dann, wenn die Leute das benötigen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Also unter „Sie“ verstehen Sie „die“, und nicht mich.
Boris Palmer (Projektgegner): Natürlich, also bitte, das versteht sich von selbst.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Na gut.
Boris Palmer (Projektgegner): Die Projektträger-Seite verspricht uns ein Drittel mehr Züge. Damit wird geworben. Wir haben mit Ihrem neuen Konzept analysiert, wie sich das auswirkt. Sie wollen, dass ich die Folie zuerst erkläre:
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 18: Warum fahren bei S21 mehr Züge als heute?)
[S.. 71 Schl-Stgt 27. November 2010]
Sie sehen als Zickzacklinie in einem dunklen Rot-Ton oben die Zahl der Züge, die nach Ihrem Grundbetriebsprogramm – der Begriff „Verstärkerfahrten“ ist ja furchtbar, lassen wir ihn geschwind weg – den ganzen Tag über fahren soll.

11.58 Das ist die Zickzacklinie. Da sieht man: Den ganzen Tag über fahren gleich viele Züge; wesentlich mehr – zum Beispiel mittags von 11 Uhr bis 12 Uhr – als heute. Also heißt das: Der Großteil der zusätzlichen Züge fährt eben außerhalb des Berufsverkehrs in Zeiten – auch abends um 11 Uhr –, zu denen relativ wenige Leute fahren, wo man es eigentlich nicht braucht. Das würden Sie wohl kaum so machen, wenn es anders ginge, wenn Sie im Berufsverkehr, wo die Nachfrage da ist, mehr Züge fahren lassen könnten. Das können Sie aber nicht, das haben wir ja gesehen. Deswegen ist morgens in der kritischen Zeit, wo die Frage, wie viel die Infrastruktur leisten kann, die Situation zwischen 7 und 8 Uhr so, dass schon der heutige Bahnhof – das ist die blaue Linie – einen Zug mehr fährt, als Sie fahren können, wenn Sie keine Doppelbelegung von Gleisen vornehmen. Wir halten die Doppelbelegung von Gleisen für so einschränkend, dass das keine vergleichbare Qualität ist. Das könnte man im Kopfbahnhof auch. Dann käme man auch locker auf über 40 Züge.
11.59 Das wollen wir nicht. Wenn wir ohne die Doppelbelegungen rechnen, dann ist Ihre Spitzenkapazität unter der des bestehenden Bahnhofs. Deshalb müssen Sie, damit sie die Zahl „ein Drittel mehr Züge“ erreichen, über den ganzen Tag hinweg, in Ze
iten, in denen kaum jemand unterwegs ist, die zusätzlichen Zugfahrten abwickeln. Da ist der entscheidende Punkt: Dafür müsste man nicht bauen. Das könnte das Land Baden-Württemberg auch jetzt schon. Sie könnten auch jetzt schon all diese zusätzlichen Züge bestellen. Ich würde mich darüber freuen. Dann hätte ich nämlich den ganzen Tag über alle halbe Stunde einen Zug und jede Stunde einen schnellen Zug nach Tübingen. Das Land Baden- Württemberg bestellt abends nach 8 Uhr aber nur noch einen Zug pro Stunde, nicht drei. Sehr schade, aber es ginge mit der heutigen Infrastruktur, ohne einen Meter Gleis zu legen.

Wenn man mehr Züge haben will, kann man die sofort haben. Dafür muss man nicht Stuttgart 21 bauen.

Das Argument „ein Drittel mehr Züge“ ist also in jeder Hinsicht widerlegt – in jeder Hinsicht widerlegt! Es geht gar nicht bei Stuttgart 21 und die Mehrfahrten haben nichts mit Stuttgart 21 zu tun. –

Ende von PHOENIX-Video: Schlichtung 8.3
http://bibliothek.phoenix.de/videobeitrag,581,33.html

Fortsetzung mit PHOENIX-Video: Schlichtung 8.4:
http://bibliothek.phoenix.de/videobeitrag,582,33.html

Unser Fazit an dieser Stelle:
12.00 44 Züge pro Stunde sind in diesem achtgleisigen Tiefbahnhof nur mit einem Notfahrplan, der viele Probleme in der Qualität produziert, abzuwickeln.

Deswegen leistet der achtgleisige Tiefbahnhof entgegen allen Versprechungen nicht mehr als der bestehende Kopfbahnhof, den wir K 20 nennen.

(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 19: Fazit)
Der muss noch gar nicht mit dem ausgebauten Kopfbahnhof – K 21 – verglichen werden. Es reicht völlig, den bestehenden zu nehmen, über den Sie uns ja nicht sagen können, wir hätten kein Planrecht, es würde zu teuer oder es funktioniere nicht, weil es den gibt und der schon funktioniert. Sie bestehen mit Ihrer Infrastruktur gerade einmal den Vergleich mit dem heute vorhandenen Bahnhof.
[S. 72 Schl-Stgt 27. November 2010]
Jetzt kommt eine Illustration, weil ich vermute, dass viele Leute das nicht glauben. Viele werden sagen: Das kann doch nicht sein. Nach 15 Jahren und all den Versprechungen – Jahrhundertprojekt Baden-Württemberg, die Zukunft hängt daran – kann doch nicht dieses Ergebnis herauskommen. Deswegen haben wir uns Beispiele herausgegriffen, die erklären, warum es so ist, und illustrieren, warum es zustande kommt.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 21: Auch nach 2 Jahren Arbeit ist das Betriebskonzept auf Kante)
12.01 Also die Übersicht über die Probleme – das wollte ich vorher ohne die Folien nicht sagen: Es kommt, Herr Dr. Geißler, erstens aus dem achtgleisigen Tunnelbahnhof. Der hat zu wenige Gleise. Es kommt aber zweitens aus all diesen gelben Problemstellen, die da noch eingekringelt sind, nämlich insbesondere aus den eingleisigen Kreuzungsstrecken im Bereich Flughafen – das ist der Kringel unten in der Mitte – und im Bereich Wendlinger Kurve – das ist der Kringel unten rechts. Es kommt auch aus der Kreuzung Rohrer Kurve, die auf einer Seite des Astes ebenfalls ebenerdig ist. Es kommt aus der Reduktion der Zahl der Gleise – von Zuffenhausen zum Hauptbahnhof liegen heute vier, da sollen nur noch zwei gebaut werden. Hier sind viele Engpässe in der Infrastruktur vorgesehen. Nicht, weil man keinen Platz hätte – man könnte das auch anders bauen, darauf kommen wir nachher –, sondern weil man das Geld nicht ausgeben wollte. Man hat versucht, so wenig Geld wie möglich auszugeben,
12.02 weil es ja so schon ganz knapp an der Wirtschaftlichkeit vorbeigeht. Herr Dr. Geißler, die Summe dieser Probleme ist die Erklärung für das Bild, das sich im Bahnhof abzeichnet. Was ich vorher als Chaos-Fahrplan dargestellt habe, ist die zwangsläufige Folge der vielen einzelnen Engpässe.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 22: Schienenengpass Stuttgart 21)
Ein Fallbeispiel: die nur eingleisige und nicht kreuzungsfrei angebundene Wendlinger Kurve. Wie sieht sie aus?
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 23: Die nur eingleisige Wendlinger Kurve sorgt für Probleme)
Wir lieben ja die Schneckengrafiken; das kennen Sie schon. Das ist die Wendlinger Kurve. Die Wendlinger Kurve ist die Verbindungsstrecke zwischen der Neubaustrecke Stuttgart–Ulm – links oben wäre der Flughafen und dann der Hauptbahnhof, rechts unten geht es nach Ulm, das ist die blaue Linie – und der heute bestehenden Schienenstrecke von Tübingen nach Stuttgart, das ist die schwarze Linie. Beides sind zweigleisige Strecken. Jetzt sollen sie miteinander verbunden werden. Dafür haben Sie eine Planfeststellung, fertig genehmigt, genauso wollen Sie bauen. Wenn Sie etwas anderes machen wollen, müssen Sie wieder eine neue Planfeststellung beginnen.
[S. 73 Schl-Stgt 27. November 2010]
12.03 Das können Sie nicht irgendwie noch anders machen, sondern darunter gibt es einen Genehmigungshaken. So soll es gebaut werden. Das grüne Stück hat folgende Schwierigkeiten: Ein Zug von Tübingen kommend, also von unten auf dem rechten Gleis fahrend, muss erst einmal mit Tempo 80 km/h durch eine sehr enge Kurve. (Zuruf: Zeig‘s mal mit der Maus!) – Ach so, geht die Maus? Das ist hervorragend. – Der Zug aus Tübingen muss auf die grüne Strecke, wenn er zum Flughafen will. Hier muss er wegen der engen Radien sehr langsam werden. Dann muss er hier erst einmal auf das Gegengleis, und dann wechselt er herüber. Das heißt, ein Zug aus Tübingen unterbricht die Neubaustrecke, die für teures Geld gebaut wurde, in beide Richtungen. In beide Richtungen darf kein anderer Zug fahren, und zwar im Abstand von ziemlich vielen Kilometern; denn ein ICE legt locker mal 10 km in der Zeit zurück, die man freihalten muss, damit der Zug hier queren kann. (Zuruf: Das ist aber ein bisschen viel!) –
12.04 Bei Tempo 250 km/h – das können Sie leicht ausrechnen – kommen Sie mit 4 Minuten hin. Das heißt aber, dass die Möglichkeiten, Züge auf der Neubaustrecke zu fahren, durch diese Art der Anbindung drastisch eingeschränkt werden. Es ginge anders. Man müsste ein Gleis hier legen, ein zweites Gleis unten durchführen und von der Seite draufschleifen. Das wäre die sogenannte Große Wendlinger Kurve, zweigleisig und kreuzungsfrei, eine Idee, die Prof. Heimerl entwickelt hat, die er immer verfolgt hat, und die richtig ist, wie vieles von dem, was Sie als Wissenschaftler ermittelt haben. Sie wurde aber aus Kostengründen nicht realisiert. Jetzt zur Konsequenz dieses Infrastrukturproblems.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ja gut, aber wenn man es machen würde, dann würde es funktionieren.
Boris Palmer (Projektgegner): Korrekt, aber wie wir gerade gehört haben, ist es planfestgestellt. Man kann es nicht anders machen, sondern nur, wenn man das tut, was man bei K 21 tun müsste, ein neues Plangenehmigungsverfahren. Es ist genau das gleiche Problem.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Dann machen wir halt ein neues Planfeststellungsverfahren.
Boris Palmer (Projektgegner): Wenn wir so weit sind, dass neue Planfeststellungsverfahren kein Problem sind, ist auch ein Hauptargument gegen den Kopfbahnhof weg. Sie haben immer gesagt: Deswegen darf man das nicht machen.
[S. 74 Schl-Stgt 27. November 2010]
(Beifall von den Projektgegnern)
12.05 Ich bin mit einem neuen Planfeststellungsverfahren einverstanden. Mit entsprechend mehr Geld kann man das Problem beheben.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Wir wollen ja darüber reden, was man verbessern kann.
Boris Palmer (Projektgegner): Ja, und ich hoffe, dass Sie da genau aufpassen. Sie wollen ja Verbesserungen vorschlagen. Jetzt sehen wir uns aber an – damit man erst einmal einsieht, was das Problem tatsächlich bewirkt –, was passiert.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 24: Verspätungsübertragung durch die eingleisige Wendlinger Kurve – Film: Verspätungsfalle Stuttgart 21, Variante 1)
Hier fährt ein roter Zug, das ist der ICE, in den Stuttgarter Hauptbahnhof. Hinter ihm kommt ein blauer Zug, das ist der Regionalexpress nach Tübingen. Sie fahren jetzt auf der gleichen Strecke, sind gerade im Fildertunnel. Jetzt gewinnt der ICE ordentlich an Fahrt, er saust weg nach Ulm. Der Regionalexpress kommt langsam hinterher, hält noch am Flughafen an. Alle anderen Züge sind natürlich jetzt nicht abgebildet – es sind natürlich viel mehr unterwegs –, sondern nur die beiden. Jetzt fährt er auf die Wendlinger Kurve zu, und von oben kommt der Zug aus Tübingen. Jetzt begegnen sie sich. Der Zug aus Tübingen kann nun in die eingleisige Wendlinger Kurve, weil der nach Tübingen ja schon weg ist, und wieder zurückfahren. Er fährt zum Flughafen und dann nach Stuttgart. So ist es planmäßig. Das ist der pünktliche Verkehr. Leider wissen wir, dass die Deutsche Bahn nicht immer hundertprozentig pünktlich fährt. (Zuruf) –
12.06 So ist der Fahrplan. Das ist nicht irgendeine fiktive Sache, sondern genau der Fahrplan, den Sie uns vorgelegt haben. Den haben wir visualisiert. Der blaue Zug ist jetzt gerade noch rechtzeitig vor dem ICE aus dem Bahnhof herausgekommen. Er biegt jetzt nach Bietigheim ab, sodass der ICE freie Fahrt nach Mannheim hat, also alles planmäßig abgewickelt. Nur, sie waren relativ eng beieinander, alles muss passen.
(Film: Verspätungsfalle Stuttgart 21, Variante 2)
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Jetzt haben wir einen Fall simuliert, dass etwas vorkommt, was so gut wie nie vorkommt, nämlich: Der ICE hat 8 Minuten Verspätung; er kommt aus Hamburg. Jetzt stört er den blauen Zug, der warten muss, kein Platz auf dem Gleis. Der ICE ist im Bahnhof, der blaue bekommt eine Verspätung von 8 Minuten. Der Regionalexpress hat hinter dem ICE die 8 Minuten warten müssen und hat jetzt auch 8 Minuten Verspätung.
12.07 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Aber warum fährt der Regionalexpress ausgerechnet auf dem Gleis, auf dem der ICE steht, in den Bahnhof?
Boris Palmer (Projektgegner): Das geht nicht anders. Das kriegen Sie in dem Bahnhof nicht anders hin, weil die anderen Gleise ja nicht frei sind.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Die anderen sind alle besetzt?
Boris Palmer (Projektgegner): Sie sind zu der Zeit besetzt.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das müssen Sie aber dazu sagen, sonst versteht man das nicht.
Boris Palmer (Projektgegner): Gut, Sie haben es besser analysiert, als ich es erklärt habe. Es geht nicht, man kann nicht einfach auf ein anderes Gleis. Es gibt nur wenige Gleise, die infrage kommen, insgesamt nur vier. Sie kriegen es nicht hin, den Zug einfach auf ein anderes zu stellen. Außerdem muss der Zug selbst dann, wenn er ein anderes Gleis im Bahnhof nimmt, auf die Filderstrecke. Da gibt es nur ein einziges Gleis, und der ICE hat Vorrang. Man kann nicht den langsamen Regionalzug vorlassen und den schnellen ICE ausbremsen. Deswegen muss er 8 Minuten warten. Diese Verspätung von 8 Minuten wird jetzt interessanterweise übertragen. Der Zug aus Tübingen kommt nämlich pünktlich, das heißt, er ist früher da als vorher, und kann nicht einfahren, weil die eingleisige Strecke belegt ist. Also hat der Zug nach Tübingen jetzt 8 Minuten Verspätung,
12.08 und der Zug aus Tübingen hat wegen der eingleisigen Strecke 6 Minuten Verspätung aufgenommen. Jetzt fährt er in den Flughafenbahnhof, und da kommt ein ICE. Der wird natürlich durchgelassen. Deswegen hat er jetzt 10 Minuten Verspätung. Eigentlich hätte er vor dem ICE im Bahnhof sein sollen, damit man in den ICE einsteigen kann. Der ICE ist aber gerade weggefahren, und die Bahn sagt durch: „Wegen Verzögerungen im Betriebsablauf ist leider der ICE nach Mannheim schon weggefahren.“ (Beifall von den Projektgegnern) Das passiert immer. Weil ein Zug eine Verspätung von 8 Minuten hatte, hat anderthalb Stunden später ein Zug in die Gegenrichtung 11 Minuten. Er hat mehr Verspätung als vorher.
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Diese Beispiele sind nicht konstruiert, sondern der Fahrplan ist so eng, dass dies ständig passieren wird. Das hat Ihnen auch SMA reingeschrieben: „ist anspruchsvoll konstruiert, knappe Infrastruktur“. Dieser Bahnhof lässt nur einen Betrieb zu, wenn alle Züge hundertprozentig pünktlich sind.
12.09 Wenn uns die Deutsche Bahn garantiert, dass sie in zehn Jahren so weit ist, dass alle Züge hundertprozentig pünktlich fahren, kann ich mir das mit Stuttgart 21 vielleicht noch mal überlegen. Das wäre es mir dann fast wert. Da ich aber weiß, dass das nicht realistisch ist, ist das die Konsequenz.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: So, jetzt gehts weiter.
Boris Palmer (Projektgegner): Jetzt geht es weiter. Ich wollte nur für die Zuschauer plastisch deutlich machen, was es bedeutet, wenn man so knapp plant.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 26: Fahrt eines ICE von Zürich in den Bahnknoten S 21)
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das ist die Folie von Herrn Stocker.
Boris Palmer (Projektgegner): Nein, sie ist verändert worden. Es sind keine Schnecken mehr drin. Wir haben die Schnecken herausgenommen, die interessieren uns nicht. Uns geht es im Moment darum – wenn wir es nacheinander machen würden, wäre es besser, aber ich habe ja die Maus –, das verständlich zu machen. Man fragt sich immer noch: Kann es sein, dass so ein Fahrplan dabei herauskommt? Woran liegt das? Ein ICE von Böblingen, genau genommen: von Zürich,
12.10 muss sich jetzt bis zur Rohrer Kurve – das sind so 25 km – eine zweigleisige Strecke mit der S-Bahn teilen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Zeigen Sie mal den Leuten, wo der Hauptbahnhof ist.
Boris Palmer (Projektgegner): Das kann ich machen. Der Hauptbahnhof ist hier oben, da, wo der Pfeil nach oben reingeht. Wir fahren, um das vorwegzusagen, aus Zürich kommend über Böblingen, Rohrer Kurve, Leinfelden-Echterdingen, Flughafen auf die Neubaustrecke durch den Fildertunnel zum Bahnhof. Ich will Ihnen jetzt zeigen, was der ICE dabei alles beachten muss. Denn nur mit dieser Erklärung kann man verstehen, warum der Fahrplan am Ende so schlecht aussieht. In Herrenberg ist die Situati
on so – da fängt die Grafik quasi an –, dass der ICE 1 Minute vor der S-Bahn auf die zweigleisige Strecke fahren muss. Er passiert den Bahnhof Herrenberg mit 1 Minute Vorsprung vor der S-Bahn. Das heißt, wenn der ICE auch nur 1 Minute Verspätung hat, wird schon die S-Bahn schon verspätet. Er muss hundertprozentig pünktlich kommen. Dann muss er sich die ganze Strecke bis hierher mit S-Bahnen, die alle 15 Minuten fahren, teilen.
12.11 Das geht durchaus, bedeutet aber, dass es nur sehr wenige Zeiten gibt, zu denen es funktioniert. Denn zwischen
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den 15 Minuten muss ich den ICE reinpacken. Er ist ja viel schneller als die S-Bahn, die dauernd hält. Überholen kann der ICE nicht, also muss er unmittelbar vor einer S-Bahn in Herrenberg losfahren. Dann schafft er es gerade noch, dass er nicht auf eine andere S-Bahn, die 15 Minuten vorher gefahren ist, auffährt und kann hier abbiegen. Dann ist er in der Rohrer Kurve. Jetzt hat er zwei weitere S-Bahnen vor sich, nämlich die S 2 und die S 3. Die fahren im 10- und 20-Minuten-Takt. Was hier also gerade noch gepasst hat, darf jetzt nicht zu einem Zusammenstoß mit einer S-Bahn führen. In die andere Richtung ist es noch schlimmer, dann muss er nämlich – das liegt unter dem Pfeil – ebenerdig kreuzen, das heißt, in beide Richtungen darf kein S-Bahnzug kommen. Deswegen gibt es nur wenige Zeiten, zu denen es überhaupt klappt, dass hier frei ist und hier frei ist. Wenn das mal geklappt hat, muss er aber noch über einen eingleisigen Abschnitt am Flughafen Regionalbahnhof drüber.
12.12 Dann darf es aber nicht sein, dass ihm aus dieser Richtung ein Zug entgegenkommt. Das sind wieder andere Züge, nämlich insbesondere der ICE selber, wenn er in diese Richtung unterwegs ist, aber auch die Regionalzüge, die hier Richtung Horb fahren sollen. Das alles darf nicht sein, sonst gibt es hier einen Zusammenstoß. Dann muss er hier rüber und muss er hier einfädeln. In diesem Einfädelungsbereich darf natürlich kein Zug aus Tübingen und kein Zug aus Ulm kommen, sonst gibt es auch einen Zusammenstoß. Dann fährt er in den Fildertunnel. Dann muss er beachten, weil es ein Durchgangsbahnhof ist, dass es nicht reicht, wenn er es sicher in den Bahnhof geschafft hat, sondern jetzt muss er auch noch den Engpass Zuffenhausen überwinden, und er muss dann die Anschlüsse Heilbronn–Würzburg schaffen, je nachdem welcher Zug es ist. Dort muss er ja auch wieder zu einer bestimmten Zeit ankommen. Wenn Sie sich diese Summe von Engpässen verdeutlichen, wie viel dieser „arme“ Zug in dieser kurzen Zeit beachten muss – und nicht alle sind pünktlich –, dann wird Ihnen klar:
12.13 Es gibt überhaupt – das zeigen Ihre Fahrpläne eindeutig – nur zweimal in der Stunde eine sogenannte Trasse, das heißt eine Möglichkeit – eine Trasse ist eine Möglichkeit –, dass ein einziger Zug auf dieser Strecke das alles schafft, ohne dass es zu einem Zusammenstoß kommt. Zweimal in der Stunde geht das. Deswegen können nur ein ICE und ein Regionalzug aus Horb bis in den Tiefbahnhof gelangen. Mehr geht nicht. Das ist das Ende der Dimension. Mehr Züge können auf dieser Strecke nicht verkehren. Wir haben heute die Situation – das ist der große Unterschied –: Ab hier hat der ICE freie Fahrt, er muss sich das mit niemandem teilen; denn er hat eine zweigleisige kreuzungsfreie Gäubahn, die bis zum Hauptbahnhof führt und nur auf den letzten 500 m kurz eingleisig wird. Das meinen wir mit „Rückbau der Schiene“. Man baut sozusagen eine Autobahn ab und ersetzt sie durch eine Landstraße mit vielen Ampeln. Das ist das, was durch den Umbau, der Stuttgart 21 heißt, passiert. Wegen dieser summierten Probleme kommt am Ende der Fahrplan heraus, den ich Ihnen gezeigt habe.
12.14 Das dient jetzt der Plausibilisierung, damit man verstehen kann, warum er so schlecht wird. Das haben wir uns nicht ausgedacht, sondern die Planer haben
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das vorgefunden und aus dieser Infrastruktur den bestmöglichen Fahrplan entwickelt, leider mit dem, was Sie vorher ziemlich kritisch kommentiert haben.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 28: Die Magistrale verdrängt die Züge im Nahverkehr)
Ich mache es jetzt noch kürzer. Das dritte Beispiel gehe ich ganz schnell durch, Herr Dr. Geißler. Mir geht es nur darum, dass ich mehr Beispiele bringe – wir haben ungefähr 20 dieser Art –, um zu zeigen, dass dies nicht ein konstruierter Einzelfall, sondern ein Grundproblem des ganzen Bahnhofs und seiner Zulaufstrecken ist. Die Striche hier sind umso dicker, je mehr Züge auf einer Strecke unterwegs sind. Der schmale Strich heißt wenig Züge – zwei, drei oder vier, ich weiß es nicht genau –, und der dicke Strich heißt elf, zwölf, 13 Züge, eben wesentlich mehr als hier. Sie sehen: Die Magistrale verläuft hier, das ist die Magistralenstrecke von Mannheim nach Ulm. Die Magistrale läuft durch diese Stelle.
12.15 Da treffen die Züge aus Heilbronn, Bietigheim-Bissingen mit den Magistralenzügen zusammen. Hier ist die maximale Zugzahl erreicht, die über zwei Gleise muss, mehr gibt es nicht. Heute gibt es dort vier, den Pragtunnel, und Sie bauen als Ersatz zwei, nicht mehr. (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Mit S-Bahn!) – Das ist wahr, es gibt dort auch S-Bahn-Züge. Aber zwischen den S-Bahn-Zügen können und werden Züge durchgeschleust, weil die S-Bahn nicht so oft fährt, dass die Gleise belegt sind. Es gibt heute vier Gleise, Sie haben nur noch zwei, S-Bahn hin oder her. Aus diesem Grund ist dies einer der Engpässe. Das führt dazu, dass die Strecke mit dem Fahrplan von Beginn an voll ausgelastet ist. Wenn jetzt der Wunsch eintritt, dass mehr Fernverkehrszüge fahren sollen, was wir begrüßen würden – das braucht man, damit sich die Neubaustrecke nach Ulm irgendwann mal rechnet –, gäbe es nur noch dann Kapazität für einen Fernzug, wenn man Züge des Nahverkehrs streicht. Es gibt keinen Platz mehr, es ist voll ausgelastet. Auch das erste Gutachten von Schwanhäußer weist genau auf diesen Punkt hin.
12.16 Deswegen wieder Prof. Heimerl, der das erkannt und gesagt hat: Lasst uns dafür sorgen, dass bei diesem kritischen Flaschenhals eine sogenannte Option P eingefügt wird, nämlich zwei weitere Gleise, die man benutzen kann, wenn man von Zuffenhausen in den Bahnhof will. Das haben Sie entwickelt. (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Wie bei K 21!) – Richtig. Das haben Sie entwickelt, es ist aber nicht Gegenstand Ihrer Kostenberechnung und Ihrer Planung. Sie wollen ohne die Option P bauen. Deswegen erstellen Sie mit dieser Engpasssituation Ihren Fahrplan. Sie haben vor vier Wochen nicht gesagt: „Wenn die Schlichtung vorbei ist, machen wir alles anders“, sondern Sie sind angetreten mit: „Wir haben zu bauen begonnen,. Genauso, wie wir planfestgestellt
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haben, werden wir bauen.“ Ich werde also analysieren dürfen, wie es dann wird. Es wird so sein: kein Platz mehr für Züge.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 29: Frage: S-Bahn Notfall-Fahrplan)
Fragen aus früheren Sitzungen haben wir in diesem Bereich nicht beantwortet. Es geht um zwei Situationen die nicht jeden Tag, aber definitiv immer wieder eintreten, Notfälle. Das eine ist: Was passiert, wenn der S-Bahn-Tunnel gesperrt ist? Das war vor drei Wochen der Fall,
12.17 es kommt also vor. Heute kann man dann alle ausfallenden S-Bahnen, die bis nach Vaihingen fahren wollen, über die Gäubahn abwickeln, das geht. Man muss die Strecke zum Flughafen und nach Herrenberg nicht aufgeben, sondern man kann über die Gäubahn fahren, sie hat die freien Kapazitäten. Wenn man will, geht alles darüber, und der Kopfbahnhof erlaubt das auch. Wir haben von Ihnen – das war eine Frage, die ich jetzt beantworten kann – einen Fahrplan vorgelegt bekommen, nach dem – wenn ich es richtig interpretiere – in einem solchen Notfall noch vier S-Bahnen in den Fildertunnel hineinpassen sollen. Es war noch die Frage der Signaltechnik offen: Was machen Sie dann? Ist der Tunnel für die S-Bahnen nutzbar, indem der Tunnel aufgerüstet wird, was Mehrkosten gegenüber der Planung verursacht? Oder werden die S-Bahnen aufgerüstet, was auch Mehrkosten verursacht? Das wissen wir nicht. In beiden Fällen wird es teurer, und das ist nicht in der Kostenrechnung enthalten. Sie haben uns heute Morgen einen Fahrplan überstellt, in dem steht: Dann könnt ihr vier S-Bahn-Züge zusätzlich im Tunnel haben.
12.18 Vier S-Bahn-Züge sind eine Viertelstundenlinie. Es sind aber drei S-Bahn Linien betroffen, die eigentlich nach Vaihingen fahren sollen. Ihre Auskunft bedeutet: Nur ein kleiner Teil der Züge kann über den Fildertunnel umgeleitet werden, der ohnehin schon ziemlich belastet ist, wie wir gerade gesehen haben. Das führt dann zu weiteren Verspätungen für alle Züge.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Können Sie noch einmal sagen, auf welcher Strecke der Notfall ist?
Boris Palmer (Projektgegner): Das Problem hatten wir schon einmal; dazu fehlt jetzt natürlich eine Grafik. Wir haben einen bestehenden S-Bahn-Tunnel – den gibt es auch in Zukunft – unter dem Hauptbahnhof durch, in der Innenstadt einige Haltestellen – Feuersee, Schwabstraße –, dann geht es hoch nach Vaihingen und von dort zum Flughafen oder nach Herrenberg. Ist dieser Tunnel gesperrt, müssen die SBahnen anderswo fahren. Dann sollen sie in den Ferntunnel. Das geht auch, aber wir haben jetzt die Zahl genannt bekommen: Nur vier Züge pro Stunde können überhaupt noch in den Ferntunnel. Das ist wesentlich weniger, als auf der Gäubahn möglich ist, und es nicht möglich, damit alle drei Linien unterzubringen. Jetzt sagen Sie: Das brauchen wir nicht,
12.19 wir können die Leute auch quetschen. Aber die Kapazität [
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steht nicht zur Verfügung, Sie haben die Ausweichkapazitäten nicht. Sie können sagen, Sie brauchen sie nicht, aber sie ist nicht da. Der zweite Fall – die untere Frage, Herr Dr. Geißler –: Was passiert, wenn eine Röhre des Fildertunnels, immerhin fast 10 km lang, gesperrt werden muss? Dort gibt es keine Möglichkeit, weil es eingleisige Röhren sind, geschwind durch die Tunnelwand das Gleis zu wechseln. Ich kann nicht einfach auf die andere Seite fahren. Also habe ich das Problem, dass bei einer Sperrung dieses Tunnels die Kapazität drastisch absackt. Entweder fahre ich nur noch in eine Richtung – dann ist die Hälfte der Züge nicht mehr fahrbar –, oder ich fahre sogar im Gegenbetrieb. Dann habe ich eine eingleisige Strecke auf 10 km Länge. Das bedeutet, es gehen noch sechs Züge die Stunde durch. Das heißt, wenn der Tunnel saniert werden muss – – Ich weiß nicht, wer jetzt gerade Folien benutzt. (Werner Wölfle [Projektgegner]: Ich will gerade eine Folie zeigen, zur Erklärung! – Folie: Karte)
12.20 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Die Folie hatten wir schon.
Boris Palmer (Projektgegner): Aber da wollen wir eigentlich nicht hin, oder?
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Jetzt kommen die Schnecken.
Boris Palmer (Projektgegner): Ich hätte es gern wieder da, wo ich war. Der Fildertunnel – gestrichelt – vom neuen Tiefbahnhof bis hier oben – – Das zeigt jetzt jemand anders, das bin nicht ich. (Werner Wölfle [Projektgegner]: Nein, das bin ich!) – Ich dachte gerade: komische Maus? – Wenn hier eine Röhre gesperrt werden muss – das war unsere Diskussion über die Frage: „Kann es zu Quellungen kommen?“, wir halten das jedenfalls nicht für ausgeschlossen, das ist möglich, weil viele andere Tunnel quellen –, dann muss dort länger saniert werden, vielleicht ein Jahr. Dazu hätten wir gern von Ihnen gewusst: Haben Sie den Fall mal durchgespielt? Wie fahren Sie dann? Nach unserer Einschätzung ist dies ein Katastrophenfall für den Stuttgarter Tiefbahnhof. Dann gehen vielleicht noch zwei Drittel der Züge, die normalerweise durchgehen könnten, mit riesigen Verspätungen und Umwegfahrten durch.
12.21 Wir hätten gern von Ihnen die Antwort, was Sie dann machen wollen. Denn der Unterschied ist: Bei unseren Kopfbahnhof tritt das Problem so nicht auf. Wir haben ausreichende Umleitungskapazitäten, weil die Gäubahn nicht abgebaut wird. Jetzt würde ich gerne wieder zu meinen Folien zurückkommen. Wer kann umschalten?
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(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 30: Zur Begrenzung der strukturell hohen Kosten des Tunnelknotens S 21 wurde an der Infrastruktur gespart)
Da hier immer wieder die Frage von Autorität im Raum steht – wer trägt welchen Titel, und was bedeutet es, wenn jemand etwas sagt? –, beziehe ich mich gerne wieder auf Ihre Gutachter; mir glauben Sie es ja wahrscheinlich nicht. Diese Gutachter haben jetzt, 2010, gesagt: „Die geplante Infrastruktur ist knapp bemessen.“ Wir haben an den Beispielen gesehen, dass das stimmt. Sie haben Ihnen keinen Unsinn aufgeschrieben, sie ist sehr knapp bemessen. „Das geforderte Mengengerüst“ – ich muss ja vorlesen, was der Gutachter geschrieben hat, Herr Dr. Geißler, Mengengerüst heißt: die Anzahl der Züge auf den Linien, die man fahren möchte – „kann im ausgearbeiteten Fahrplankonzept umgesetzt werden.“
12.22 Das klingt erst einmal wie eine eins, ist aber Zeugnissprache. Es kann umgesetzt werden, aber nur, wenn das, was darunter steht, berücksichtigt wird. „Es entstehen fahrplantechnisch anspruchsvolle Konstruktionen.“ Dieser schöne Satz bedeutet nichts anderes als das, was ich Ihnen vorher gezeigt habe:

Jeder Zug muss hundertprozentig pünktlich sein, dann geht es gerade irgendwie. Kleinste Verspätungen führen zum Zusammenbruch.

Das heißt übersetzt: „fahrplantechnisch anspruchsvolle Konstruktionen“. – Ihr eigener Gutachter.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 31: Aussagen Prof. Gerhard Heimerl, 23.11.2010)
Jetzt kommt die von Ihnen aufgeworfene Frage, Herr Dr. Geißler: Was müsste man tun – wir sind ja konstruktiv, wir verweigern uns nicht dem Gedanken –, um Stuttgart 21 funktionsfähig zu machen? Das heißt nicht, dass ich dafü
r bin. Ich bitte, da jetzt nicht wieder irgendwelche Sachen hineinzulesen, die ich nicht gesagt habe. Ich sage nur: Wir denken konstruktiv. Was müsste man tun, wenn man es funktionsfähig machen wollte? Ich kann nur wieder Herrn Heimerl zitieren, der diese Woche völlig richtig gezeigt hat, dass eine Reihe von Punkten nötig ist.
12.23 Er sagte nämlich: Ich brauche die zwei zusätzlichen Gleise von Zuffenhausen in den Tiefbahnhof, die sogenannte Option P, ich brauche zehn Gleise im Tiefbahnhof und eine Lösung für die eingleisigen Abschnitte im Flughafenbereich und für die Wendlinger Kurve. Mindestens das brauche ich. Und alle diese Elemente sind zweifellos nötig, sie sind nach unserer Auffassung aber nicht hinreichend. Wir meinen, dass mehr nötig ist als das, was Herr Heimerl benannt hat. Immerhin ist er auf der Stuttgart-21-pro-Seite. Dass er solche Punkte benennt, rechne ich ihm hoch an; denn er könnte auch sagen: Ich kritisiere doch nicht das eigene Projekt. Er ist da sehr offen, das finde ich großartig.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 32: Fazit zum Bahnknoten für S 21)
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Wir glauben, dass über die von Herrn Heimerl genannten Problempunkte hinaus noch diese Dinge hier bei der Lösung berücksichtigt werden müssen: Die zweigleisige Wendlinger Kurve, die sogenannte Große Wendlinger Kurve, muss gebaut werden, um das, was wir Ihnen vorher im Film gezeigt haben, zu vermeiden.
12.24 Im Filderraum muss zwischen Rohrer Kurve und Fernbahnhof entlang der Autobahn eine zweigleisige Strecke neu gebaut werden. Warum? – Weil der bestehende S-Bahn-Tunnel nur mit einer Ausnahmegenehmigung, die viel zu enge Fluchtwege für zehn oder 15 Jahre akzeptiert, für ICEs mitgenutzt werden kann. 2035 wird das Eisenbahn-Bundesamt diese garantiert nicht mehr verlängern, dessen sind wir sicher. Das heißt, dann muss man wieder investieren. Daher ist es richtiger, man macht es gleich und baut eine zweigleisige Strecke an der Autobahn. Das wird auch den Menschen in Leinfelden-Echterdingen, die nicht wollen, dass man die vielen zusätzlichen Züge in ihre Stadt hineinlegt, auf ne S-Bahn-Strecke, die notwendige Entlastung bringen. Und es darf nicht dazu kommen, dass die Gäubahn abgebaut wird, weil sie als Ausweichstrecke – das habe ich vorher erklärt – für Notfälle gebraucht wird. Die Gäubahn muss erhalten und in den Tiefbahnhof eingeführt werden. Wenn man dieses Paket insgesamt umsetzen würde, dann halten wir es für möglich, nicht für sicher, dass Sie –
12.25 wenn Sie SMA beauftragen: „Macht für diese Infrastruktur einen Fahrplan!“ – etwas vorlegen könnten, das etwas taugt. Das geht aber nicht mit Ihrer vorhandenen Planung, nicht mit dem, was planfestgestellt, von Parlamenten beschlossen, finanziell gerechnet und genehmigt wurde. Die Planung, die Sie bauen wollen, ist funktionsunfähig. So könnte es vielleicht klappen.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 33: S 21 leistet nicht mehr als K 20, kostet aber viel mehr als K 21)

Und wenn man es zusammenfasst, dann ist es ganz einfach: Stuttgart 21 leistet nicht mehr als der bestehende Kopfbahnhof 20, kostet aber viel mehr als der Kopfbahnhof 21. Das heißt, ich habe etwas, das nur so viel leistet wie der bestehende Kopfbahnhof, muss dafür aber mehr Geld ausgeben, als wenn ich den Kopfbahnhof 21 bauen würde, der noch einmal viel mehr leistet als der bestehende Kopfbahnhof. Das heißt, ich gebe viel aus und habe nachher ein schlechteres Ergebnis. Das nennen wir eine schlechte Kosten-Nutzen-Relation.

Die Schlussfrage lautet, ob man ein Jahrhundertprojekt – dafür ist es ja ausgelegt, Sie wollen ein Jahrhundertprojekt bauen – so bauen kann, dass es schon bei der Einweihung überlastet ist.
12.26 Darf man das tun? Die Frage ist nicht nur hypothetisch; denn ohne Schlichtung, ohne Demonstrationen hätten Sie genau das gemacht. Ohne unsere Kritik hätten Sie gesagt: Wir haben eine Genehmigung, wir haben Baurecht, wir tun das. In zehn Jahren hätten wir dann vielleicht die Diskussion, die wir jetzt führen,
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anhand des realen Fahrplans geführt, nämlich: Chaos im Stuttgarter Bahnverkehr. Dann hätten alle gefragt: Wie konnte es so weit kommen? Sie waren fest entschlossen, das zu tun. Ich finde, das darf man auf keinen Fall.

Man darf nicht, wissend dass ein solches Chaos droht, einen solchen Bahnhof bauen. Sie haben es gewusst, denn Ihr eigener Gutachter hat gesagt: Die Ergebnisse – wir haben Sie Ihnen gerade vorgestellt – sind so brisant, dass die Öffentlichkeit sie nicht erfahren darf. Das war Ihr Resümee der Besprechung – 2008, Gesprächsprotokoll. Wenn Sie es bestreiten, gucken Sie nach. Wegen der Brisanz der Ergebnisse ist strikte Vertraulichkeit erforderlich.

Sie wussten, dass es so ist, wie ich es Ihnen darstelle. Sie haben entschieden, die Parlamente nicht darüber zu informieren,
12.27 die Öffentlichkeit nicht zu informieren, sondern zu bauen. Das darf man auf keinen Fall. Man darf verbessern, die Kosten öffentlich machen, mit dem Kopfbahnhof 21 vergleichen und dann entscheiden. Aber so, wie Sie es vorhatten, die Öffentlichkeit über die wahren Tatsachen im Unklaren lassen und einfach drauflosbauen, das darf man nicht. – Vielen Dank. (Beifall von den Projektgegnern)

Schlichter Dr. Heiner Geißler: Herr Bauer, dann Frau Dahlbender.
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Herr Palmer, das war ein sehr interessanter Vortrag. Von Ihrem Vermögen, manche Dinge zu pointieren, waren wir durchaus beeindruckt. Ich setze aber ganz bewusst am letzten Punkt an. Sie wissen ganz genau, dass nicht richtig ist – und wiederholen es trotzdem nochmals –, dass wir im Jahr 2008 etwas geheim gehalten hätten,
12.28 was an die Öffentlichkeit gehört hätte. Sondern im Prinzip waren wir als Landesregierung – das muss man auch konstatieren – sehr vorsichtig und sehr verantwortungsbewusst, gerade weil wir SMA in einem Stadium beauftragt haben, in dem man SMA noch gar nicht beauftragen musste, um insgesamt zu sehen: Wie kann man die Angebotskonzeption des Landes bei S 21 so vollenden und so natürlich bewusst machen, dass sie alle Möglichkeiten für eine Reisezeitverkürzung, für rasche Umsteigemöglichkeiten bietet? Es ist auch, wie Sie wissen, ein iterativer Prozess, also, Herr Dr. Geißler, ein Prozess, der nicht beendet ist. Er wird auch in den nächsten Jahren nicht beendet sein, weil wir natürlich als verantwortungsbewusste Menschen immer wieder sehen: Was verändert sich in den einzelnen Zufahrten? Wie kann ich den Fahrplan in der Zukunft noch besser gestalten? Insofern hat man nichts verheimlicht, sondern es war ein Arbeitspapier – das wissen Sie auch,
12.29 es war kein Gutachten – ein Arbeitspapier für diejenigen, die sich mit der Sache beschäftigen. – Nummer eins. Nummer zwei: Es ist das bekannte Bild. Sie nehmen überall Einzelbeispiele heraus und überzeichnen diese. Jeder von uns kann Einzelbeispiele herausnehmen – das werden wir bei K 21 auch machen – und diese dann wieder überzeichnen. Sie vergessen, dass daraus insgesamt ein Bild wird, das am Ende mit Sicherheit, wenn man schon zu dem Vergleich S 21 und K 21 kommt, vor allem die Umstiegs- und Reise-
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zeiten deutlich verkürzt. In der Qualität wird es mit Sicherheit am Ende so sein, dass S 21 mehr leistet als K 21 und natürlich erst recht mehr als K 20. Das möchte ich einfach vorwegstellen. Dann denke ich, kommen wir schon zu den einzelnen Behauptungen, die Sie aufstellen, die vielleicht auch zu hinterfragen sind.
12.30 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ich will noch eine grundsätzliche Bemerkung machen. Wir können an den Beispielen, die Herr Palmer vorgetragen hat, sehen: Es ist teilweise – auch Herr Heimerl hat Verbesserungsvorschläge gemacht – nicht von der Hand zu weisen, dass hier Probleme vorhanden sind. Insofern waren die letzten zwei Drittel Ihres Vortrags auch für den Zuschauer durchaus verständlich. Immer dann, wenn Sie mit Ihren wissenschaftlich-abstrakten Folien kommen, mit denen Sie unter sich richtige Orgien feiern, wird die Sache ein bisschen schwierig. Nur, man kann ja mal träumen. Wenn wir jetzt ganz am Anfang wären und wir ziehen eine Lehre aus den Ergebnissen der Schlichtung, dann müsste man eigentlich sagen: Man muss es genau umgekehrt machen, wie es hier gelaufen ist, also zum Beispiel in der Schweiz.
12.31 Zuerst sich über das Ziel verständigt und stimmt darüber möglicherweise auch ab: Brauchen wir einen neuen Bahnhof? Darüber kann man diskutieren, unterschiedlicher Meinung sein. Es ist auch allgemeine Auffassung, dass der jetzige Bahnhof in irgendeiner Form ersetzt, verändert, renoviert, reformiert werden muss. Wenn diese Phase klar ist, nicht, und man hat die Möglichkeit, darüber abzustimmen – wie auch immer, die Schweizer machen das, indem sie eine Volksabstimmung durchführen –, dann käme man in das Stadium der Planung, der Pläne. Dann wäre es richtig gewesen, wenn neben dem S-21-Plan schon eine Alternativplanung schon vorhanden gewesen wäre, also meinetwegen K 21 meinetwegen oder XY.
12.32 und dass man darüber zum Beispiel in solch einem Verfahren diskutiert hätte. Nach Abschluss der Diskussion hätte man wieder in irgendeiner Form eine Abstimmung darüber durchführen müssen. So machen es die Schweizer. Wenn dann diese Legitimation vorhanden ist, kann man an die Durchführung eines solchen Plans gehen. (Palmer nickt zustimmend.) Es ist an sich schade. Es wäre gut gewesen, wenn wir, als die ganze Sache entwickelt worden ist – das wird auch ein Wissenschaftler wie der Prof. Heimerl sicher für richtig halten – neben S 21 im ersten Stadium der Realisierung auch noch eine Alternative hätten diskutieren können. Die war aber nicht da.
(Klaus Arnoldi [Projektgegner]: Die durfte nicht diskutiert werden! – Weitere Zurufe) –
Entschuldigung, auch das konzediere ich.
12.33 Ich stelle nur mit Bedauern fest, egal aus welchem Grund – damit Sie mich ja nicht falsch verstehen: Das ist überhaupt kein Vorwurf an Ihre Seite –, dass in einer bestimmten Phase der Entwicklung keine Alternative da war, über die man hätte diskutieren können. Daraus entsteht ja auch, dass Sie im Nachteil sind. Das eine Projekt – S 21 – ist durchgeplant mit hohen Kos-
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ten usw. usf. Und Sie hinken sozusagen hinterher – nicht ganz, aber ein bisschen hinken Sie hinterher. (Zuruf) – Das können Sie ja nicht bestreiten. Sie müssen vieles noch machen, was auf der anderen Seite schon gemacht worden ist. Ich nehme überhaupt keine Bewertung vor. Ich will an dem Beispiel – auch der Bevölkerung gegenüber – klarmachen, dass in der Zukunft es richtig wäre, bei solchen Großprojekten nach diesem Modell vorzugehen: dass man sich zunächst einmal Gedanken macht, was man will, und dass dann gefragt wird,
12.34 wie dieses Ziel erreicht wird. Da wird es eben Alternativen und unterschiedliche Pläne geben. Darüber diskutiert man dann und stimmt möglicherweise auch darüber ab. Dann kann man an die Realisierung gehen. Dann ist eben eine solche Entwicklung wie in Stuttgart möglicherweise vermeidbar. Mehr will ich ja gar nicht sagen. Es ist ja durchaus beeindruckend gewesen, was wir gehört haben. Auch was gestern der Winnie Hermann über die Finanzierung gesagt hat, ist ja nicht von der Hand zu weisen. Das sind ordentliche Argumente. Nur sind wir eben im Moment in einem Stadium, wo es sehr, sehr schwer ist, das alles wieder auf einen Nenner zu bringen. Es ist – auf Deutsch gesagt – nicht möglich. Man kann nicht beide Konzeptionen miteinander vereinbaren. Das müssen wir objektiverweise sagen. So. Das war aber nur eine Zwischenbemerkung, weil es wichtig ist.
12.35 Wir machen die Schlichtung nicht als tarifliche Ergebnis-Schlichtung, sondern zur Information, weil wir hier auch ein Pilotprojekt haben und für die Zukunft für andere Fälle etwas entwickeln wollen. Solange wir das Schweizer Modell nicht haben, würde man sagen, als mittlere Möglichkeit wird das Stuttgarter Modell ausprobiert oder vorgeschlagen oder realisiert. (Zurufe) Wer möchte sich jetzt melden? Der Herr Minister hat sich gemeldet. (Zuruf) – Hervorragend: Bahnvorstand vor Minister. Bitte schön.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): In die Wertung würde ich nicht einsteigen wollen, Herr Geißler. Herr Palmer, ich zolle Ihnen zuerst meinen Respekt, und zwar ehrlich. Das ist eine gute Arbeit.
12.36 Da gibt es mit Sicherheit eine ganze Reihe von Punkten, bei denen ich zwar im Moment nicht wirklich in der Lage bin zu beurteilen, ob es so stimmt. Aber allein die Art und Weise, wie es untersucht worden ist, und was Sie dabei herausge-
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funden haben: Allen Respekt! – Hätten Sie nicht Lust, bei uns als Planer anzufangen? (Boris Palmer [Projektgegner]: Ich habe einen Job, der nicht gut bezahlt ist, aber dafür viel Zufriedenheit vermittelt!) – Das heißt, wir hätten eine Chance? (Werner Wölfle [Projektgegner]: Das mit der Zufriedenheit ist höher!)

Jetzt versuche ich ein bisschen, das zu werten, was Sie, Herr Palmer, gemacht haben, auch zu illustrieren, wo wir noch Überprüfungsbedarf hätten, damit bestimmte Dinge für uns auch klarer werden. Ich würde dann auch noch zu einem kleinen Resümee kommen, weil ich mich bei dem Vortrag ein bisschen gefragt habe: Was schließen wir jetzt eigentlich daraus?
12.37 Punkt Nummer eins: Ich starte einmal damit, dass das, was beim Fahrplan von SMA geplant worden ist, gemäß der Aussage des Planers, die Sie auch zitiert haben, zunächst einmal geht. Der Fahrplan, der zugrunde gelegt worden ist und der umgesetzt werden soll, der geht. (Klaus Arnoldi [Projektgegner]: Optimistisch!) – Langsam, langsam, langsam, ich komme gleich drauf. Das, was Sie ausgeführt haben, Herr Palmer, – und das haben Sie an einigen Beispielen illustriert – ist, dass es, wenn es zu Abweichungen, also zu Verspätungsfällen kommt, dann zu Problemen kommt und dass sich diese Probleme sogar unter Umständen aufschaukeln. Denn da war
ja das Beispiel, wo der Regionalzug am Anfang 6 Minuten, dann 8 Minuten und dann 10 oder 11 Minuten Verspätung hat. Das kann ich im Moment nicht ausschließen,
12.38 einfach weil das geprüft werden müsste. (Zurufe) – Ich höre gerade von hinten Nein, aber ich sage jetzt einfach einmal, dass ich es im Moment nicht ausschließen kann, weil ich es nicht geprüft habe. Ich würde es aber gern überprüfen oder überprüfen lassen, einfach weil wir natürlich bei der Fahrplanung grundsätzlich auf einzelnen Strecken mit einer gewissen Reserve planen und aus unseren Statistiken heraus wissen, dass auch Züge wieder aufholen. Das kommt so ein bisschen darauf an, auf welcher Strecke welche Puffer eingeplant sind und ob diese eingeplanten Puffer ausreichen, um zum Beispiel so etwas wieder zu kompensieren oder nicht. Das kann ich im Moment aber nicht sagen, weil das Frage einer Detailuntersuchung ist. Das heißt also auf gut Deutsch: Ausgehend von einem Grundfahrplan, der so konstruiert ist, dass er geht, muss jetzt praktisch die Untersuchung erfolgen, was passiert, wenn ich an bestimmten Stellen Verspätungen habe. Schaukeln die sich auf?
12.39 Oder dämpfen die sich wieder? Das ist ja die große Frage-
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stellung. Da haben wir hier zwei Beispiele gesehen, in denen sie sich aufzuschaukeln scheinen. Mich würde generell die Frage an die Planer interessieren: Ist das ein Einzeleffekt oder passiert das öfter. Das ist ja das Interessante. Denn wenn es öfter passieren würde, würde es ja zu dem Zustand kommen, den Sie drastisch an die Wand gemalt haben, nämlich dass der Knoten kollabiert. Das wollen wir ja in jedem Fall vermeiden. Deswegen sage ich: Da sollten wir einmal genauer reinschauen, dass uns genau dieses nicht passiert.
Boris Palmer (Projektgegner): Darf ich Sie fragen, ob Sie das beauftragen werden. Denn SMA verlangt genau das: Macht eine Simulation! Und die gibt es bisher nicht. Werden Sie das jetzt beauftragen?
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Das kann ich Ihnen bestätigen. Jetzt muss ich Folgendes dazusagen: Die Rollen, die hier die einzelnen Institutionen spielen, sind nicht ganz klar. Darüber brauchen wir im Moment auch nicht zu reden. Aber meine Frage wird sein: Stimmt die Vermutung, dass sich der Knoten aufschaukelt oder nicht?
12.40 Das muss untersucht werden, da gibt es überhaupt keine Frage. Deswegen sage ich heute nicht, dass es so ist. Aber ich stimme zu, dass es untersucht werden muss. Das zweite ist: Wir hatten in der Vergangenheit eine Diskussion über Schnecken und Blitze, wo Sie sagen, die Strecke beziehungsweise die Infrastruktur ist an bestimmten Punkten eng. Sie sagen zu eng, wir sagen eng. Wir sagen deswegen eng, weil wir sagen, der Regelfahrplan geht. Sie sagen zu eng, mit der gerade geschilderten Begründung. Das ist etwas, das gerade Herr Geißler angesprochen hat, nämlich dass man von den Untersuchungen ausgehend noch einmal an der einen oder anderen Stelle kritisch gucken muss, ob es zu eng ist, oder ob es bei eng bleibt. Das ist wie gesagt zum Teil auch davon abhängig, ob sich die Sachen aufschaukeln oder nicht. Das waren im Prinzip der Knoten und die Strecken als Gesamtes.
12.41 Das mit dem Bahnhof und den Umsteigerelationen ist für mich ein anderes Thema, weil es systematisch ein anderes Thema ist. Es gibt nämlich, wenn Sie einen Sackknoten fahren – – Soll ich das an einer Folie zeigen, wie das geht?
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Machen Sie das. Haben Sie eine Folie?
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Ja. Herr Vorsitzender,
12.42 ich will diesen Vortrag nicht in Länge durchgehen, das wäre zu lang. Aber ich würde gerne, einfach um die Systematik darzustellen, ein paar wenige Folien zeigen.
(Präsentation: Integraler Taktknoten K21 – Folie 3 mit Animation)
Ich überspringe den Textteil und fange mit einer Definition an. Was verstehen wir unter einem Knoten? – In einem Knoten kreuzen sich zwei oder mehr Linien, die Zü-
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ge sind aber nicht notwendigerweise gleichzeitig im Bahnhof. Das kann folgendermaßen gehen: Ein Zug fährt ein, hält, die Leute steigen aus, andere steigen ein, dann fährt dieser Zug weiter. Diejenigen, die mit einem anderen Zug fahren wollen, müssen so lange warten, bis er da ist. Dieser Zug hält, damit können andere aussteigen,
12.43 und die, die gewartet haben, einsteigen. Dann fährt dieser Zug wieder weiter. Das ist zunächst einmal ein Knoten: wo sich Linien treffen. Wenn wir jetzt einen Vollknoten nehmen, und zwar einen Taktknoten, dann passiert Folgendes.
(Präsentation: Integraler Taktknoten K21 – Folie 4 mit Animation)
Da fahren alle Züge – und zwar zunächst einmal die Regionalzüge – in diesen Knoten ein. Dann kommen die Fernzüge. Dann stehen alle gleichzeitig in dem Knoten. Es ist ein Wechsel zwischen allen Zügen möglich. Dann fahren in aller Regel die Fernzüge wieder als Erste aus, damit die die kürzesten Haltezeiten haben. Dann fahren die Regionalzüge wieder aus. Das heißt also,
12.44 im Idealfall ist ein solcher Vollknoten die beste Umsteigebeziehung, die man erzeugen kann. Das ist das Modell Schweiz. Da mache ich einen Haken dahinter. Da mache ich grundsätzlich erst einmal einen Haken dahinter. Jetzt ist der Punkt: Ein Durchgangsbahnhof und ein Kopfbahnhof sind, was das angeht, unterschiedlich konzipiert. Das überspringe ich jetzt einmal, das ist ein sogenannter Richtungsknoten. Das ist jetzt nicht so relevant.
(Präsentation: Integraler Taktknoten K21 – Folie 6: Je länger die Zuund Ablaufzeiten der Züge in einen Taktknoten, desto länger die Umstiegszeiten)
Diese beiden Bahnhöfe sind unterschiedlich konzipiert, weil nämlich im Idealfall alle Züge in einen Vollknoten parallel, das heißt zur gleichen Zeit, einfahren. Das heißt, die brauchen sehr wenig Zeit zum Einfahren. Damit nimmt die Belegung des Knotens sehr schnell zu.
12.45 Sie sehen links aufgetragen die Belegung des Knotens und rechts aufgetragen: die Zeit. Das heißt, man hat einen Kurvenverlauf, der sehr steil ist. Die Züge kommen alle parallel rein, warten dort, sodass man umsteigen kann, und fahren alle parallel wieder aus. Damit ergeben sich maximale Umsteigezeiten, beispielsweise in einem Kopfbahnhof von 10 Minuten. In der Zeit kann man zwischen allen Zügen wechseln. Der Realzustand ist aber normalerweise, dass ich zum Einfahren länger brauche, und zwar aus einem ganz simplen Grund, nämlich, dass die Züge nicht alle parallel und gleichzeitig hinein können, sondern dass sie seriell, also nacheinander, einfahren müssen. Ich brauchte nämlich, wenn alle gleichzeitig einfahren müssten, genauso viele Zufahrtsgleise, wie ich Bahnsteige habe. Das habe ich aber in aller Regel nicht. Also fahren die Züge nacheinander ein, bis die maximale Belegung des Bahnhofs erreicht ist. Dann fahren sie nacheinander wieder aus.
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12.46 Damit habe ich dann natürlich auch eine deutlich längere maximale Umsteigezeit. Die ersten Züge kommen nämlich sehr viel früher, und die letzten Züge fahren sehr viel später wieder aus. Jetzt ist es so, dass, wenn ich beispielsweise in einem Durchgangsbahnhof einen 30-Minuten-Takt realisiere, das heißt, dass innerhalb von 30 Minuten immer wieder derselbe Zug kommt, dass meine Zugwechselzeiten – rein statistisch zunächst einmal – in einem sehr ähnlichen Bereich sind. Das heißt, von der Umsteigerei her gibt sich das nicht viel. Das, was Sie vorhin sagten, dass ich nämlich zum Beispiel einen Zug in einem Durchgangsbahnhof verpasse, ist dann natürlich blöd, wenn der nächste erst in zwei Stunden geht. Wenn der nächste aber in 20 Minuten oder in einer halben Stunde geht, dann ist es akzeptabel. (Zuruf: Die Umsteigezeit ist größer als der Takt, also maximal 35 Minuten!) – Ja.
12.47 Deswegen, sage ich, kann man, was den Bahnhof anbetrifft, aus dem Entdecken von schlechten Umsteigerelationen nicht schließen, dass der Durchgangsbahnhof grundsätzlich schlechtere Umsteigezeiten hätte. Das haben wir einmal statistisch ausgewertet. Da weiß ich jetzt nicht, wo unter unseren vielen Charts genau dieses eine ist. Aber wir haben die Umsteigezeiten in toto und insgesamt verglichen. Dabei stellt sich heraus, dass die Umsteigezeiten in einem solchen Bahnhof zumindest nicht schlechter sind, (Zuruf) wahrscheinlich sogar etwas besser. Das kommt darauf an, mit welcher Taktfrequenz man dort reinfährt. Das heißt, ich bin bei Ihrem Vortrag bei der Aussage bei Ihnen, dass man untersuchen muss, ob man Oszillationen bekommt, das heißt Instabilitäten in der Gesamtpünktlichkeit, wenn einzelne Züge verspätet sind. Da sind wir uns einig, dass das zu untersuchen ist – mit dem Bestreben festzustellen, ob wir tatsächlich irgendwo Stellen haben, die zu eng sind. Also nicht Stellen, die eng sind,
12.48 sondern Stellen, die zu eng sind. Bloß beim Umsteigen im Bahnhof bin ich nicht ganz Ihrer Meinung, weil ich da sage: Durch die entsprechende Taktung wird sich das am Ende nicht viel geben. – Vielen Dank.
Boris Palmer (Projektgegner): Darf ich eine direkte Anschlussfrage stellen? Herr Kefer, dann sind wir uns doch auch einig, dass dieser achtgleisige Tiefbahnhof eben nicht ermöglicht, einen integralen Taktfahrplan im Sinne eines Vollknotens, wie Sie es vorher in Ihrem Idealbeispiel gezeigt haben, an das Sie einen Haken gemacht haben, zu fahren. Sie sagen: Das Problem lösen wir dadurch, dass die Züge sehr häufig fahren. Dann sind die Umstiegszeiten auch akzeptabel. – Das ist Ihre Antwort auf unseren Einwand: Ihr könnt keinen integralen Taktfahrplan fahren. Dann sage ich dazu: okay, erst einmal theoretisch abstrakt richtig. Aber dann ist die spannende Frage, wenn wir unsere beiden Fahrplankonzepte gegenüberstellen –
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das machen wir am Nachmittag –,
12.49 was kommt in der Realität heraus. Wie sind die Anschlüsse und die Umstiegszeiten bei Ihrem Fahrplan und bei unserem. Jetzt will ich, weil wir das nicht gezeigt haben, das nicht vorwegnehmen. Aber letztlich ist das dann die Frage, die übrig bleibt. Nicht, wie ist es theoretisch abstrakt – beides geht nämlich –, sondern wie ist der konkrete Vergleich in unserem Fall. Das würde ich gern am Nachmittag noch einmal aufrufen.
Dr. Brigitte Dahlbender (Projektgegnerin): Ich möchte noch einmal zum ersten Teil Ihrer Rede kommen, weil Sie zugegeben haben, dass es offensichtlich noch Probleme gibt. Sie wollten die auch noch einmal überprüfen. Ich möchte nur vor diesem Hintergrund festhalten, dass Sie zurzeit ein milliardenschweres Projekt zu bauen beginnen wollen mit einem Fahrplan, der immer noch nicht funktioniert. Sie beginnen ein milliardenschweres Konzept, das erheblichen Nachbesserungsbedarf hat. Das haben wir heute Morgen herausgearbeitet. Ich finde, Sie müssen sich dann auch gefallen lassen, dass man sagt: Unter diesen Voraussetzungen können Sie nicht beginnen. – Vielen Dank.
12.50 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Gut, das war jetzt die hoch politische Konsequenz. Wer möchte jetzt darauf darauf antworten. Herr Leuschel, Herr Bauer.
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Dass der Fahrplan nicht funktioniert, Frau Dahlbender, das wollen wir so noch nicht mal stehenlassen. Wir sitzen hier und diskutieren das. Herr Dr. Kefer hat sehr nachdrücklich gesagt, dass wir uns das eine oder andere noch angucken müssen. Da ist auch noch einiges dazu zu sagen. Wir sollten sehr vorsichtig sein in unseren Aussagen, auch im Vergleich, Herr Palmer. Es ist richtig, dass – ich greife es als ein Beispiel heraus – wir von Zuffenhausen nach Stuttgart heute vier Gleise haben. Aber die einen sind nur S-Bahn-Gleise und werden auch ausschließlich von der S-Bahn befahren, (Zurufe: Falsch!) anders als von Bad Cannstatt, wo wir Berufsverkehr haben. Aber in der Regel fährt dort nur die S-Bahn. (Zuruf: In der Regel, ja!) Zum Schweizer Modell.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Darf ich einfach informationsmäßig eine Zusatzfrage stellen?
12.51 Ich habe jetzt – auch durch Ihren Vortrag – gesehen, dass es offenbar um den Flughafen herum Richtung Hauptbahnhof Strecken gibt, die gleichzeitig von S-Bahnen und ICE-Zügen befahren werden.
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Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Ja, das geht auch. Wir fahren auch nach Zuffenhausen mit ICE-Zügen auf der S-Bahn-Linie – im Störungsfall zum Beispiel. Das gibt das System her. (Zurufe) Ich habe gesagt „im Störungsfall“.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Wie soll man das verstehen? S-Bahnen fahren auf ICE-Strecken, oder müssen die ICEs auf S-Bahn-Strecken fahren?
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Es geht beides. Es geht nicht überall. Es geht beides. Durch den Tunnel der S-Bahn in Stuttgart kann kein ICE fahren, um das zu sagen. Aber es passiert sehr wohl, dass wir auf den Außenstrecken in Stuttgart sogenannten Mischbetrieb haben, wo S-Bahn-Züge, Regionalzüge und IC- oder ICEZüge
12.52 auf denselben Gleisen fahren. Das geht technisch. Nur wenn Sie zum Stadtgebiet in die Verdichtung kommen, schließt es sich nachher aufgrund der Fahrplanlage der S-Bahn aus, dass wir mischen. Aber darüber wollte ich gar nicht reden.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Darüber werden wir ja noch einiges erfahren. Es muss richtig geplant werden.
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Ich möchte nur noch einmal darauf eingehen, dass hier im Raum steht, das Schweizer Modell gebe es gar nicht für uns oder es würde jetzt erst in Deutschland erfunden werden. Schon in den 60er Jahren hat sich die Bundesbahn damit befasst, den Fernverkehr zu vertakten, was 1971 zunächst und 1979 konkret umgesetzt wurde, als andere Länder, auch die Schweiz, den Fernverkehr noch nicht im Taktfahrplan hatten. Herr Palmer, Sie hatten sehr schön die Folie aufgelegt, wie das ist, wenn Sie zwischen A-Stadt und B-Stadt eine Fahrzeit von 20 Minuten haben, und nachvollziehbar dargelegt, dass man dort mit einem Zug wunderschön hin- und herfahren kann,
12.53 im Halbstundentakt einen Ausweichbahnhof braucht. Das ist alles richtig. Aber ich möchte auch sagen, dass hier im Land Baden-
Württemberg gerade mit Unterstützung des Landes Baden- Württemberg solche Konzepte erfolgreich umgesetzt worden sind. Ich nenne nur das Ringzugkonzept, das es zwischen Rottweil und Villingen gibt, nur um zu sagen, dass es solche Dinge – – (Zuruf: Die Experten sitzen am Tisch!)
Boris Palmer (Projektgegner): Das haben die Leute hier am Tisch gemacht, das ist ein tolles Beispiel.
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Ich stelle es nur heraus, weil im Raum steht, dass es so etwas bei uns nicht gäbe oder wir das nicht wollten. Wir haben aber auch eine Situation – und darauf möchte ich vor der Mittagspause nicht mehr vertieft ein-
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gehen –, dass wir in Mannheim diesen Knoten haben und von Mannheim nach Stuttgart eine Fahrzeit von 36 oder 37 Minuten haben. Das ist und bleibt eine Herausforderung. Und wenn man an dem Knoten Mannheim festhält und damit auch an Karlsruhe, dann kann man die Züge hier nicht zur Minute 0 oder 30 in Stuttgart haben. Das möchte ich nur einmal als Fakt rübergeben. (Zuruf. haben wir auch nicht …)
12.54 Von daher ergeben sich ganz andere Anschlussbeziehungen. Herr Vorsitzender, ich weiß nicht, ob wir jetzt die Mittagspause machen wollen, aber ich würde vielleicht noch zweimal – –
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Wollen Sie das beantragen?
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Nein.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Aber ich … Dann machen Sie weiter.
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Ich würde vielleicht noch wollen, dass Herr Prof. Martin etwas zu dem Fahrplan sagt, der ihn ja für das Land geprüft hat, und auch Herr Dr. Weigand. Ich würde darum bitten, dass wir diese zwei Statements noch hören. Dann sind wir sehr aufgeschlossen, nach der Mittagspause weiter zu diskutieren, wenn die beiden Herren bitte noch etwas sagen dürfen.
Dr. Ullrich Martin: Können wir vielleicht aus dem Vortrag von Herrn Palmer die Folie 11 noch einmal aufrufen?
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 11: Gleisbelegung im Tiefbahnhof S 21 [Spitzenstunde: 44 Züge/h])
Ich kann jetzt natürlich nicht für die Firma SMA sprechen, möchte aber doch einige Anmerkungen machen,
12.55 die dann von Herrn Dr. Weigand ergänzt werden. Das sieht natürlich wie ein Horrorszenario aus, wenn man die ganzen Kringel hier betrachtet. Auf der anderen Seite wurde mehrfach der Vorwurf geäußert, wir würden schönrechnen. Wenn man sich jetzt mal die roten Kringel betrachtet – das waren die sogenannten Doppelbelegungen, so wie es auch korrekterweise dran steht, von der Firma SMA so bezeichnet –, wenn man sich diese Doppelbelegungen im Detail betrachtet – in der Zahl insgesamt sieben –, sieht man, dass es nur zum Teil echte Doppelbelegungen sind. Das ist der geringere Teil. Ich sage gleich, was das ist. Der größere Teil dieser Doppelbelegungen sind Einfahrten mit verkürztem Durchrutschweg. Ich möchte das kurz erklären.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Was ist das?
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Dr. Ullrich Martin: Ich sage ja, dass ich gerade dabei bin, das zu erklären. Zunächst: Echte Doppelbelegungen sind – so wie von Herrn Palmer auch dargestellt – die Situation, dass zwei Züge in demselben Gleis am selben Bahnsteig hintereinander stehen.
12.56. Ob das tatsächlich ein so großer Nachteil ist, ist die Frage, denn dann haben Sie genau den Kopfbahnhofeffekt: Leute, die Umsteigen wollen, können das tun, völlig ohne einen Niveauunterschied überwinden zu müssen. Das heißt, wenn wir Nachteile aufzählen, sollten wir auch Vorteile betrachten. (Heiterkeit) Wie sagte Herr Böttger? – Man muss beide Sachen mit dem gleichen Blick betrachten. (Zurufe)
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Darf ich vielleicht für die Zuschauer noch einmal sagen, was Sie hier sehen. Das ist die Zeit zwischen sieben und acht Uhr (Dr. Ullrich Martin: Die Spitzenstunde!) – also die Spitzenstunde. Es ist also nicht die Zeit von 11 Uhr bis 12 Uhr, sondern die Spitzenstunde. Das wird immer vergessen. Das müssen wir immer dazu sagen. Herr Martin, ich habe Sie unterbrochen.
Dr. Ullrich Martin: Hinzu kommt, dass es hier um eine Fahrt in den Wartungsbahnhof geht,
12.57 da dürfte die Zahl der Umsteiger, die sich dann vertun, doch von der Wahrscheinlichkeit her etwas geringer sein. Dann die zweite Möglichkeit der – wenn man so will unechten – Doppelbelegung, nämlich das Nutzen des verkürzten Durchrutschweges. Das ist eine Option, die der Durchgangsbahnhof bietet.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Sie wollten den Durchrutschweg mal erklären!
Dr. Ullrich Martin: Ja, ich bin doch dabei.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Nein, Sie sind nicht dabei. Sie setzen den schon voraus.
Dr. Ullrich Martin: Nein, das ist eine Option, die der Durchgangsbahnhof im Gegensatz zum Kopfbahnhof bietet, wo diese Situation stets vorhanden ist. Das heißt, wir haben hinter jedem Signal, an dem der Zug am Bahnsteig anhalten soll und muss, einen bestimmten Freiraum hinter diesem Signal, der nicht belegt werden darf, solange der Zug einfährt bis er steht.
12.58 Dieser Raum hinter dem Signal ist zusätzlich freizuhalten, obwohl der Zug da noch gar nicht entlangfährt. Das Signal zeigt noch „Halt“. Trotzdem muss der
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Freiraum hinter dem Signal blockiert werden und darf demzufolge nicht von anderen Zügen genutzt werden. Die Länge dieses Freiraumes ist abhängig von der Einfahrgeschwindigkeit. Das hatte der Herr Palmer auch ganz richtig erläutert. Je höher die Einfahrgeschwindigkeit, desto länger ist auch der Durchrutschweg, und je geringer die Einfahrgeschwindigkeit, desto geringer ist dieser Weg hinter dem Signal, der aus Sicherheitsgründen zusätzlich freizuhalten ist.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Also das ist der Durchrutschweg?
Dr. Ullrich Martin: Das ist der Durchrutschweg.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Jetzt haben Sie es endlich gesagt.
Dr. Ullrich Martin: Ja, es ist nicht so einfach, das zu erläutern. Dieser Fall des verkürzten Durchrutschweges heißt also nicht, dass zwei Züge gleichzeitig am Bahnsteig stehen.
12.59 Es dürfte also unmöglich sein, in den falschen Zug einzusteigen. Das bedeutet, dass der eine Zug aus dem Gleis ausfährt, und er ist noch nicht ganz weg – wie man so schön sagt –, da kann der zweite Zug schon einfahren. Das ist die Idee der Nutzung verkürzter Durchrutschwege in der Spitzenstunde – dann, wenn der Verkehr sich verdichtet. Wenn wir uns einmal die roten Kringel anschauen, sind das sieben an der Zahl. Und eine echte Doppelbelegung, wo wirklich zwei Züge hintereinander im Gleis stehen, liegt nur in zwei der sieben Fälle vor, währenddessen fünfmal ein sogenannter verkürzter Durchrutschweg genutzt wird. Das heißt, der eine Zug fährt aus, und der zweite Zug fährt frühzeitig hinter dem ersten Zug ein.
Boris Palmer (Projektgegner): Was passiert bei kleiner Verspätung des ersten Zuges?
Dr. Ullrich Martin: Das kommt auf die konkrete Situation und darauf an, was Sie unter „kleiner Verspätung“ verstehen.
13.00 Boris Palmer (Projektgegner): Sagen wir 1 Minute, sodass er nicht weg ist zu der Zeit, wo der andere reinfahren soll.
Dr. Ullrich Martin: Dann kann er doch reinfahren. Dann kann er reinfahren, das ist kein Problem. Das Einzige, was dann folgt, ist, dass sich die Geschwindigkeit natürlich etwas weiter verringert, wie im Kopfbahnhof. Das, was im Kopfbahnhof standardmäßig passiert, können wir im Störungsfall dort auf einem oder zwei Gleisen – es wird ja nicht der ganze Bahnhof komplett ständig gestört sein – auch machen. Das kann dann auch entsprechend kompensiert werden, weil die Fahrplangestaltung das so vorsieht. Im Übrigen kommen wir noch zu Ihrem Konzept, das eben von der Fahrplanstabilität her – das heißt, die Verspätungsübertragung von einem Zug auf den anderen – viel kritischer zu sehen ist. Aber das wird ja noch Thema sein. Damit möchte ich an Herrn Dr. Weigand übergeben.

Ende von PHOENIX-Video: Schlichtung 8.4
http://bibliothek.phoenix.de/videobeitrag,582,33.html

Fortsetzung auf PHOENIX-Video: Schlichtung 8.5
http://bibliothek.phoenix.de/videobeitrag,583,33.html

[S. 95 Schl-Stgt 27. November 2010]
Dr. Werner Weigand: Zunächst, Herr Palmer, hat es mich gefreut, dass Sie mich zitiert haben. Ich muss sagen: Solch ein Fahrplan entwickelt sich. Man muss die Geschichte sehen. Daher muss ich die Kollegen in Schutz nehmen, die das vor vielen Jahren zum ersten Mal geplant haben.
13.01 Damals war schon klar: Es gibt den Intercity- Halbstundentakt, wenn die Nachfrage in Deutschland stärker wächst. Sie wächst dann, wenn wir mehr Schnellstrecken haben. Im Nahverkehr haben sich die Taktsysteme erst langsam entwickelt. Insofern muss der Fahrplan berücksichtigt werden, auf der anderen Seite muss die Infrastruktur aber auch eine Stabilität haben, um auch eine Weiterentwicklung der Fahrplankonzepte zu vertragen. Das ist ein wichtiger Punkt: Ist die Infrastruktur hier stabil genug? Dann möchte ich zu den konkreten Planungen, die SMA vorgelegt hat, die wir überprüft haben, ergänzen: Es ist nicht in Ordnung, wo Sie Kringel gemacht haben; denn wir haben bestimmte Planungsparameter.
13.02 Danach müssen wir die technischen Zugfolgezeiten berücksichtigen, also die Zeiten, wann technisch, wenn ein Zug aus dem Bahnhof herausfährt, der nächste kommen kann. Wir müssen von vornherein eine gewisse Pufferzeit in den Fahrplan einarbeiten. Unser Fahrplan, den wir konkret planen, ist in Zehntel Minuten geplant, hier stehen nur Minuten. 3 Minuten, das ist richtig, reichen nicht ganz; denn wir haben Zugfolgezeiten. Bei kurzen Nahverkehrszügen fängt es bei 1,6 Minuten an und geht, wenn lange ICE-Züge betroffen sind, bis auf 2,8 Minuten hinauf. Das heißt, wir planen normalerweise noch mindestens 1 Minute Pufferzeit im konkreten Fall ein. In anderen Fällen planen wir größere Pufferzeiten. Herr Leuschel hatte gezeigt, dass über längere Zeit doch sehr viele Zeiten frei sind. Das heißt, in der ganzen Bahnsteigbelegung ist ein erheblicher Spielraum, wodurch Verspätungen wieder weggepuffert werden können. Es sind auch eine ganze Menge Züge dabei,
13.03 die länger als die Mindesthaltezeit halten und dadurch beim Halt etwas aufholen können. Daher ist es ganz wichtig: Das System muss stabil sein. Gerade so, wie der Fahrplan jetzt gestaltet ist, ist er bezogen auf den Bahnhof stabil. Uns hat natürlich auch die Kombination interessiert von – ich will nicht sagen: Engpässen – Bereichen, die relativ sparsam geplant sind. Wir haben nicht nur Einzelspielchen gemacht – darauf komme ich gleich noch zurück –, sondern Engpässe auch im Zusammenhang simuliert und den Fahrplan insgesamt in Bezug darauf überprüft, wie man Verspätungen einspielt oder mit welchen Wahrscheinlichkeiten sich Züge behindern. Ist das noch zulässig oder nicht? Dies ist noch nicht ganz abgeschlossen, aber da, wo wir größere Probleme gesehen haben,
13.04 zum Beispiel mehrere Eingleisigkeiten, haben wir empfohlen: Die Eingleisigkeit Flughafen plus die Eingleisigkeit Wendlinger Kurve sollte man nicht machen, das könnte sich hochschaukeln. Andere Dinge kann man abfedern, indem man zum Beispiel – –
[S. 96 Schl-Stgt 27. November 2010]
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Entschuldigung, Ihre Darstellung wird nicht verständlicher dadurch, dass Sie jetzt plötzlich zur Wendlinger Kurve kommen. Für nachher: Wir reden jetzt über den Fahrplan, oder?
Dr. Werner Weigand: Ja.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Vielleicht könnten Sie für nachher mal überlegen, die Beispiele nicht theoretisch abzuhandeln, sondern zu sagen: Auf dem Gleis 3 oder 4 fährt der Regionalzug von Ludwigsburg ein, dann kommt noch ein Zug und dann noch einer. Wie behindern sie sich? Verstehen Sie? In der Theorie kann ich alles darstellen. Man muss es konkretisieren, damit die Leute um Stuttgart herum überhaupt begreifen, worum es geht. Wir haben immer theoretische Ausführungen
13.05 über die Zugfolge, aber damit die Leute es verstehen, müsste man es konkretisieren. Nehmen Sie einfach Beispiele.
Dr. Werner Weigand: Können wir das Beispiel von Herrn Palmer mit dem verspäteten ICE nehmen? Er hat 8 Minuten Verspätung. (Werner Wölfle [Projektgegner]: Soll ich den Film noch mal zeigen?)
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das war doch das braune Bild, oder?
Boris Palmer (Projektgegner): Darf ich, solange das gesucht wird, noch eine Verständnisfrage stellen? Herr Weigand, haben Sie gerade gesagt, dass man die eingleisige Wendlinger Kurve nicht bauen sollte? Habe ich das richtig gehört?
Dr. Werner Weigand: Nein, ich habe gesagt, dass im Zusammenspiel von zwei eingleisigen Kurven, die von den gleichen Zügen befahren werden und wo es weitere Abhängigkeiten gibt, eine davon zweigleisig sein sollte.
(Film: Verspätungsfalle Stuttgart 21, Variante 1)
13.06 Zu der Story mit dem ICE: Wenn der Regionalzug schon vorher Verspätung hatte, hat er ein anderes freies Gleis in Stuttgart. Das sieht man an dem Bahnhofsbelegungsplan. Das heißt, er hat dann nicht 8 Minuten Verspätung, sondern er hat 4 Minuten Verspätung. – Ach so, das ist der pünktliche? Okay. (Zurufe)
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das ist aber jetzt das andere Bild.
Boris Palmer (Projektgegner): Das ist noch der pünktliche Fall. Der Verspätungsfall kommt erst danach. Das ist bei den Folien am Stück, das konnten wir nicht anders machen.
[S. 97 Schl-Stgt 27. November 2010]
Ist es bei so kurzer Verspätung eigentlich gut, das Gleis zu wechseln? Die Gefahr ist, dass die Fahrgäste es so spät mitkriegen, dass sie nicht in den Zug einsteigen können.
13.07 Übrigens sind wir der Auffassung, dass es nicht geht. Unsere Fahrplanfolien, die wir von Ihnen haben, zeigen kein freies Gleis, das in diese Richtung belegbar ist. Das müssten wir dann bitte gemeinsam analysieren.
Dr. Werner Weigand: Der Zulauf der Züge ist ja lange vorher bekannt. Eine gute Disposition und Fahrgastinformationen gehören sowieso dazu. (Zuruf: Jetzt sind wir bei dem verspäteten! –
Film: Verspätungsfalle Stuttgart 21, Varia
nte 2)
In dem Fall wäre der Regionalzug vorher schon gefahren. Er muss den ICE nicht abwarten, er kann direkt in den Stuttgarter Hauptbahnhof einfahren, hält kurz, fährt weiter zum Flughafen und wird da überholt. Denn wenige Minuten später gibt es einen weiteren Zug, der über Plochingen nach Tübingen fährt. Die Fahrgäste, die nach Tübingen wollen, können diesen anderen Zug nehmen.
13.08 Wenn der blaue Zug zum Flughafen vorgefahren wäre, müsste er zwar am Flughafen von dem roten Zug, dem ICE, überholt werden, hätte dann aber nur 4 Minuten Verspätung. Ein bisschen Puffer ist im Fahrplan drin. Er hat vielleicht in Nürtingen 3 Minuten, und der Gegenzug – da sind wieder 2 Minuten Puffer drin – hat dann noch 1 Minute, sodass sich das System nicht hochschaukelt, sondern es stabilisiert sich in dem Fall. Für große Knoten kann man natürlich Tausende solcher Beispiele erfinden oder durchspielen, genauso für K 21. Bei K 21 haben Sie zum Beispiel an sehr vielen Stellen zwischen Regionalzügen und S-Bahnen oder auch zwischen Regionalzügen nur 3 Minuten Zugfolgeabstand, was wir an vielen Stellen schon nicht gestatten würden. Man kann solche Spiele spielen, muss aber sehen, dass es sich wieder stabilisiert. Wir haben keine Anzeichen dafür,
13.09 dass es sich mit der Infrastruktur nicht wieder stabilisiert. Natürlich müssen wir in Bezug auf die Optimierung des endgültigen Fahrplans noch etwas weiterarbeiten.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Vielen Dank. Ich sehe schon, wir leisten hier unglaubliche Vorarbeit für die zukünftige Fahrplangestaltung. Die Schlichtung kriegt immer bedeutendere Aufgaben zugemessen. – Herr Palmer, dazu?
Boris Palmer (Projektgegner): Direkt dazu. – Wir haben gesehen, wie Sie, Herr Weigand, als Fahrdienstleister versuchen würden, das Problem zu lösen. Wir sehen dabei eine Reihe von Schwierigkeiten. Wenn Sie es nur so lösen können, bleibe ich bei der Aussage: Dann reicht die Infrastruktur nicht. Erstens. Am Anfang entscheiden Sie, dem ICE noch eine weitere Verspätung aufzubrummen, weil der Abstand zu kurz ist und Sie ihn nicht durchkriegen. Sie haben
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nämlich nur ein Gleis von Zuffenhausen, es gibt nicht zwei Gleise. Sie werden den Abstand bei dem Verspätungsfall nicht hinkriegen. Das heißt, der ICE hat dann 9 Minuten.
13.10 Sie brummen dem ICE das Warten auf den Regionalzug auf. Dann entscheiden Sie: Die Fahrgäste, die alle an einem Gleis bereitstehen – viele sind schon da, damit sie schnell reinkommen, es ist auch eng, man muss schnell raus –, sollen jetzt – Behinderte und Kinderwagen eingeschlossen – schnell mal oben drüber auf den anderen Bahnsteig gehen, also rauf und runter mit dem Aufzug. Das schaffen sie in der Zeit nicht; denn Ihre Konzernrichtlinie sagt: bei Verspätungen unter 10 Minuten kein Gleiswechsel. Völlig richtig, man kann den Fahrgästen nicht zumuten, dauernd wieselmäßig durch den ganzen Bahnhof zu rennen. Nur wenn Sie das alles in Kauf nehmen, können Sie versuchen – ob es klappt, können wir jetzt nicht nachvollziehen –, das Aufschaukeln der Verspätung zu verhindern. Ich sage: Wenn nur mit solchen Notmaßnahmen das Aufschaukeln von Verspätungen zu verhindern ist, ist die Infrastruktur nicht ausreichend. Ich möchte noch einmal betonen, dass Herr Dr. Kefer – wir wissen, dass das stimmt – gesagt hat:

Die vollständige Simulation, die allein die Frage entscheiden kann: „Passiert das, was wir hier sehen, relativ selten oder häufig?“, gibt es nicht. Sie haben nur Teiluntersuchungen gemacht.

13.11 Wir hätten gern, bevor Sie weiterbauen, dass Sie das vollständig simulieren, mit allen Weichen, mit allen Signalen.

Manches ist noch gar nicht definiert. Sie wissen gar nicht, ob Sie eine ETCS-Doppelausrüstung im Fildertunnel haben oder nicht. Das ändert die Simulation. Wir sagen: Die Fahrpläne sind so knapp, dass keine Reserven da sind, um die Verspätungen wieder aufzuholen. Im Gegenteil: mittlerweile haben Sie zum Beispiel die Fahrtzeiten der Züge nach Tübingen um mehrere Minuten verlängern müssen, weil Sie mit den ursprünglich geplanten Fahrtzeiten nicht hinkommen; das hat SMA Ihnen gesagt.

Solange so viele Schwierigkeiten da sind und Ihre Lösungsvorschläge so nachteilig sind wie die gerade vorgestellten, möchten wir, dass Sie erst fertig simulieren, um sagen zu können: „Jawohl, das ist stabil oder nicht“, bevor Sie weiterbauen.

Ich finde, das ist kein unzumutbares Verlangen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Herr Bauer, Herr Rockenbauch, und dann machen wir Schluss. Wir wollen ja zu Mittag essen. Das ist von Herrn Leuschel schon vor einer halben Stunde beantragt worden.
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Direkt zu dem, was Herr Palmer gesagt hat, und dann können wir heute Mittag mit Herrn Heimerl und Herrn Dr. Kefer weitermachen.
13.12 Es ist sehr weit simuliert und so simuliert, dass wir mit Sicherheit sagen können: Es ist nicht nur fahrbar, sondern es ist hervorragend fahrbar. (Lachen von den Projektgegnern – Dr. Brigitte Dahlbender [Projektgegnerin]: Mutig!)
[S. 99 Schl-Stgt 27. November 2010]
– Ja, es ist so. Wir haben natürlich – das wissen Sie aus der Beantwortung unseres Briefes – die entsprechenden Ausrüstungen, ETCS usw., vorgesehen. Die Simulation als solche kann nur einen Stand von heute und eine Perspektive für das Jahr 2020 wiedergeben. Und jeder – das gilt auch für Sie bei K 21 – wird im Prozess weitersimulieren müssen. Es gibt kein Ende in der Simulation, sondern das ist ein aktueller Sachstand. Sie sehen auch, dass wir – das muss man auch anerkennen – schon weiter sind – nicht nur als das Gutachten oder die Stellungnahme 2008 gezeigt hat – als letztes Mal, als wir über die Leistungsfähigkeit und den Gleisbelegungsplan geredet haben. Es ist ein anderer Gleisbelegungsplan,
13.13 und der wird sich in Zukunft noch weiter ändern, weil wir – das hat Herr Prof. Martin eindrucksvoll dargestellt – klar aufzeigen, dass bestimmte Doppelbelegungen eben nicht suggerieren, dass es eine Vielzahl von Doppelbelegungen gibt, sondern es sind aktuell nur zwei Doppelbelegungen. Insofern sind die Simulationen zum heutigen Stand so weit, dass wir sicher sagen können: Es ist fahrbar, und es ist gut fahrbar.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ich möchte eine einfache Frage stellen, nur zur Information. Wer ist eigentlich zuständig für die Erstellung eines solchen Fahrplans? Ist es die Bahn oder das Land? (Ernst Pfister [Projektbefürworter]: Die Bahn!) – Die Bahn? (Lachen von den Projektgegnern)
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Nein, es sind verschiedene Dinge. Das Land hat natürlich – das ist der Hintergrund, das ist vorher angeklungen und wird immer unterschlagen – durchaus ein großes Interesse an der Möglichkeit des Integralen Taktfahrplans;
13.14 keine Frage. Wer hat das gemacht? – Auch wenn Ihre Experten sagen, sie seien Mitväter davon: Das Land hat das Angebot geschaffen. Das Land hat das Ziel, dies, wo es nur geht, zu machen. Es wird auch mit Landesmitteln gemacht. Jetzt, Herr Dr. Geißler, gibt es ein Angebot, das, wenn man es zusammennimmt, den Fernverkehr, Regionalverkehr und Nahverkehr umfasst. Dazu braucht man eine Fahrplanabstimmung. Damit ist es am Ende – so sage ich es – eine Gemeinschaftsaufgabe, ausgehend von dem Angebot, das das Land, Stichwort: Angebotskonzeption, natürlich dann auch in der Fläche haben will. Genau das ist das Problem in vielen Bereichen. Man muss dann einen bestimmten Mischverkehr nicht nur simulieren, sondern letztlich in der Außenwelt, in der Realität auch zum Erfolg bringen. Das ist die Aufgabe, die auch einen Prozess bedeutet. Es ist unehrlich, zu sagen: Jetzt haben wir einen Fahrplan, der für das Jahr 2019 so aussieht. Wir gehen von der Infrastruktur aus, die jetzt auch vorhanden ist,
13.15 die man notfalls auch entwickeln kann.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Jetzt als letzte Wortmeldung der Herr Rockenbauch.
[S. 100 Schl-Stgt 27. November 2010
Hannes Rockenbauch (Projektgegner): Herr Bauer, man kann sich viel darüber unterhalten, was „hervorragend fahrbar“ ist. Ich verstehe nicht ganz – das hatten wir schon bei den Kosten und haben es jetzt auch bei dieser Kritik –, dass das Land immer wieder versucht, die Bahn AG in Schutz zu nehmen. Sie müssten doch eigentlich froh sein. Wenn die Bahn selber sagt, dieses Jahrhundertprojekt, das sie Ihnen versprochen hat, ist eng kalkuliert: Was heißt das für ein Jahrhundert-, ein Zukunftsprojekt? Dann müssten Sie über die Kritikpunkte, die wir Ihnen heute genannt haben, eigentlich dankbar sein, statt zu versuchen, sie zu verniedlichen. – Das ist das Erste. Bei den Kosten erleben wir übrigens genau das Gleiche. Dort geht es um Steuergeld, wo auch viel Landesgeld steckt. Das Zweite ist: Sie können jetzt natürlich noch ewig lange weitersimulieren, aber dass Sie gleichzeitig weiterbauen – Herr Palmer hat es gesagt –,
13.16 funktioniert auf gar keinen Fall. Denn heute ist klar geworden: Sie simulieren noch, während K 20 – der heutige Kopfbahnhof – einwandfrei funktioniert, und das auch im Störungsfall. Wenn ich mich entscheiden kann zwischen welchen, die seit 16 Jahren rumsimulieren, und welchen, die den Kopfbahnhof behalten wollen, komfortabel, übersichtlich, zweitpünktlichster Bahnhof, behindertengerecht und im Störfall, im Katastrophenfall super zu evakuieren, all des aufzugeben bei all den Schäden für die Stadt, Risiken für Mineralwasser und Menschen, dann sage ich doch lieber: oben bleiben. (Beifall von den Projektgegnern)
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Damit haben wir alles klar. Das musste so gesagt werden. Das ist völlig korrekt und richtig. Es ist die Frage, ob Sie gleich darauf antworten wollen oder ob wir jetzt die Mittagspause machen.
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Ich will nur einen letzten Satz loswerden. Es ist in der Tat – wir nehmen die Bahn nicht in Schutz – eine Gemeinschaftsaufgabe. Wir sind Partner, und zwar ganz bewusst, weil wir das Angebot des Nah-, Fern- und
13.17 Regionalverkehrs im Bahnknoten Stuttgart 21 und für das gesamte Land besser machen müssen. Deshalb wollen wir einen Fahrplan schaffen, der im Jahr 2020 so optimal ist, dass man rasche Verbindungen hat, kürzere Reisezeiten als bisher. Das ist unser Anliegen. (Dr. Brigitte Dahlbender [Projektgegnerin]: Dann tun Sie es doch mal!) – Stopp. Dementsprechend haben wir so simuliert und simulieren auch jetzt so, dass wir davon überzeugt sind, dass das Konzept, wie es momentan besteht, ausgereift und besser ist als die Fata Morgana, die die K-21-Entwickler in vielen Bereichen darstellen. Das werden wir heute Mittag zeigen, wenn wir über das Fahrplankonzept von K 21 reden. Dann werden wir noch einmal relativ konkret zeigen, dass es hier andere Kritikpunkte gibt und S 21 selbst in diesem Zustand schon besser ist, als K 21 jemals sein wird.
[S. 101 Schl-Stgt 27. November 2010
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das musste auch gesagt werden –
13.18 offenbar. Damit gehen wir in die Mittagspause bis 14 Uhr. – Danke schön.

(Unterbrechung der Sitzung)

Ende PHOENIX-Video: Schlichtung 8.5
http://bibliothek.phoenix.de/videobeitrag,583,33.html

Fortsetzung PHOENIX-Video: Schlichtung 8.6
http://bibliothek.phoenix.de/videobeitrag,584,33.html
mit Zeitangaben

(Wiederaufnahme der Sitzung: 14:11 Uhr)

14.11 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir fahren fort in der Schlichtung. Bevor wir hier weitermachen, möchte ich mich – jetzt sind die schon draußen, das macht aber nichts, das kann man denen ja sagen – bei den Angestellten, den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Rathauses bedanken(Beifall), die uns jetzt schon zum zweiten Mal am Samstagmorgen,
14.12 Samstagmittag, Samstagnachmittag zur Verfügung stehen. Das ist nicht selbstverständlich. Aber es ergibt sich wahrscheinlich auch aus ihrem unmittelbaren Interesse an dem, was wir hier tun. Sie machen das wirklich hervorragend. Ich habe das auch vorgestern im Ältestenrat gesagt. Die Stadt Stuttgart hat sich bei dieser Schlichtung in einer Form, in einer Art und Weise hilfreich gezeigt, das kann man nur als absolut perfekt bezeichnen. Das verdient unseren Dank. Das möchte ich noch einmal ausdrücklich sagen. (Beifall) Jetzt steht

Leistungsfähigkeit und Betriebskonzept Kopfbahnhof 21

auf der Tagesordnung. Dazu gehören auch die Fahrpläne usw.
14.13 Heute Nachmittag müssen wir ja mal über die verkehrliche Leistungsfähigkeit von K 21 reden. Oder wollen wir noch bei S 21 weitermachen? Jetzt wird dort drüben mit dem Kopf geschüttelt. – Herr Palmer, bitte schön.
Boris Palmer (Projektgegner): Ich bin gern bereit, unseren K 21-Leistungs-Vortrag jetzt einzubringen, wenn Sie das wünschen. Aber ich hätte zum Abschluss noch eine Frage an den Teil von Stuttgart 21, wenn ich die stellen darf.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ja, natürlich.
Boris Palmer (Projektgegner): Danke schön. – Wir haben jetzt einiges von Ihnen gehört, wie Sie erklären, was mit Doppelbelegungen ist, warum Sie hoffen, dass die Simulation doch am Ende ergibt, dass das einigermaßen stabil gefahren werden kann. Ich habe aber noch auf einen Punkt gewartet: Die Ursprungsaussage ist ja:
[S. 102 Schl-Stgt 27. November 2010
ein Drittel mehr Züge sind möglich. Das ist die Aussage gegenüber den Parlamenten. Was Sie vorgelegt haben, verteidigen und wo Sie sagen: Wir hoffen, dass wir das noch stabil kriegen, sind aus unserer Sicht 38, von mir aus 42 Züge, jedenfalls in der Dimension dessen,
14.14 was der bestehende Bahnhof kann, weil der noch nicht ausgereizt ist. Mit den Zügen, die heute fahren, ist noch Reserve da. Ich finde, es ist die Frage zu klären: Ist die Infrastruktur, so wie Sie sie dimensioniert haben, geeignet, um in der Spitzenstunde in etwa das Fahrplanangebot von heute kapazitiv abzuwickeln? Dann ist nur noch die Frage, ob die Qualität einigermaßen passt. Unsere Auffassung ist, dass die Qualität dann nicht stimmt, aber die Leistung in etwa ähnlich ist. Oder bleiben Sie bei Ihrer
ursprünglichen Aussage: Das, was Sie bauen, ist zu dem Preis, den Sie herstellen wollen, ein Jahrhundertprojekt, das ein Drittel Leistungsreserven gegenüber dem heutigen Bahnhof hat? Wenn das so ist, dann sollten Sie dafür auch einen Nachweis erbringen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ja, wer will? Herr Leuschel bitteschön.
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Herr Palmer, vielen Dank für die Frage. Ich hatte heute Morgen bei meinem Vergleich zu K 21 das Wort „Baukastensystem“ in den Mund genommen. Ich hatte gesagt, dass unsere Spitzenbelastung, um auf dieses Drittel zu kommen, Herr Palmer,
14.15 auch dann erbringbar ist, wenn zusätzliche neue Außen-Infrastruktur gebaut wird – Stichwort P-Option. Da sind wir insofern beieinander. Erst einmal möchten wir festhalten, dass das, was ich vorgestellt habe, bei uns mit der SMA untersucht worden und fahrbar ist. Nun will ich nicht wieder von vorn anfangen. Aber vielleicht habe ich mich da nicht klar genug ausgedrückt, dann möchte ich das gern wiederholen. Wenn wir dann zur Spitze kommen wollen, heißt das auch, dass außerhalb von Stuttgart an den Strecken etwas getan werden muss. (Beifall von den Projektbefürwortern)
Boris Palmer (Projektgegner): Nur noch einmal, weil Sie sagen, dass Sie sich vielleicht nicht klar ausgedrückt haben. Ich will sehen, ob wir uns hier einigen und ob wir uns verstehen. Ihre Aussage heißt: Das Drittel mehr Leistungsfähigkeit, das Sie im Bahnhofsbereich bei den Gleisen mit diesen Kringeln markiert haben, dass da noch Platz sei –
14.16 wir glauben, dass man den Platz braucht, damit nicht alles zusammenbricht, aber Sie sagen, dass da noch Platz ist –, dieses Drittel mehr Leistungsfähigkeit kann mit dem bestehenden Gesamtinfrastrukturausbau, wie er geplant ist, nicht realisiert werden, sondern es könnte allenfalls dann möglich sein, wenn Sie weitere Infrastrukturergänzungen vornehmen, zum Beispiel diese P-Option, die Sie gerade genannt haben – zwei weitere Gleise nach Zuffenhausen – und anderes. Das heißt, das, was wir gestern kostenmäßig vorgelegt bekommen haben – mit den Kosten, die da genannt wurden –, ist so leistungsfähig wie der bestehende Kopfbahnhof. Und wenn Sie dieses Drittel an Reserven, die Sie vermuten, realisieren wollen, müssen Sie mehr Geld ausgeben und diese zusätzlichen Infrastrukturausbauten durchführen, was immer die sind. Das ist die Aussage, wie ich sie verstanden habe.
[S. 103 Schl-Stgt 27. November 2010
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Wir brauchen es ja für unser Betriebskonzept jetzt nicht, wir haben die 44 Züge in eine Richtung nachgewiesen, wo wir sagen, dass der Kopfbahnhof 35 plus 2 hat – bei Ankunft.
14.17 Boris Palmer (Projektgegner): Aber das war ja kein Widerspruch, sondern eine Bestätigung meiner Aussage, richtig? Das, was Sie jetzt bauen, kann nur so viel Leistung liefern, wie das, was der bestehende Bahnhof kann.
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Nein, mehr.
Boris Palmer (Projektgegner): Und wenn Sie mehr wollen, dann müssen Sie zubauen.
Ingolf Leuschel (Projektbefürworter): Nein, mehr.
Boris Palmer (Projektgegner): Zwei Züge mehr oder weniger, aber – – (Zurufe) – Dann verstehe ich es nicht
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Wenn wir von neun Zügen reden, sind es nicht nur zwei mehr oder weniger.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Da gehen die Schätzungen und Berechnungen tatsächlich auseinander. Das haben wir gesehen. Das wird bestritten. Herr Kefer, Sie wollten dazu noch etwas sagen.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Ich wollte es noch einmal so zusammenfassen, Herr Palmer: Das, was für Stuttgart 21 als Fahrplan zu fahren war oder aufgrund der Aufgabenstellung zu fahren ist, kann gefahren werden. Und das liegt deutlich über dem, was heute bei K 20 – nennen wir es einmal so – gefahren wird. Dann kann für die Zukunft – bei S 21 mit den acht Gleisen – noch über das hinaus mehr gefahren werden als beim Kopfbahnhof, wenn man in den Zulauflinien Veränderungen vornimmt,
14.18 weil heute die Zuläufe als solches der begrenzende Faktor sind. Aber um das gewünschte Fahrplankonzept S 21 zu fahren, brauchen wir keine Veränderungen im Zulaufkonzept.
Boris Palmer (Projektgegner): Das ist ein wichtiger Punkt. Wir müssen eine Klärung herbeiführen, ob wir uns verständigen können. Was Sie gerade gesagt haben, heißt erstens: Sie sehen das – ich habe es noch einmal projizieren lassen –
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 11: Gleisbelegung im Tiefbahnhof S 21 [Spitzenstunde: 44 Züge/h])
[S. 104 Schl-Stgt 27. November 2010
als fahrbar an. Da haben wir eine unterschiedliche Einschätzung. Wir sagen, dass das gar nicht geht, dass es aufschaukelnde Verspätungen gibt und dass es überprüft werden muss. Aber unterstellt, dies wäre fahrbar, sagen Sie, das sei die Anforderung, die Sie erfüllen – mehr aber nicht, es sei denn, Sie bauen dazu. Das heißt, Sie haben einen Fahrplan vorgelegt, den wir für kritisch halten. Und bei dem ist bei 44 Zügen Schluss. So haben Sie sich gerade für mich ausgedrückt.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Vom Bahnhof her ist nicht Schluss.
Boris Palmer (Projektgegner): Nein, aber von der Gesamtinfrastruktur Knoten Stuttgart ist dann Schluss – mit Zulaufstrecken und allem drum und dran.
14.19 Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Außen herum um den Knoten sozusagen. Das ist die gleiche Problematik wie bei einem K 21.
Boris Palmer (Projektgegner): Natürlich.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Da gilt genau das Gleiche. Wir haben heute auf den Bahnhof zulaufende Linien – unbestritten –, und diese zulaufenden Linien vertragen natürlich nur eine bestimmte Anzahl von Zügen – egal, was ich für ein Konzept in dem Knoten habe. Dieses Bahnhofskonzept ist in der Lage, mit diesen heute existierenden zulaufenden Linien alles abzufahren, was fahrplantechnisch unter S 21 definiert und gefordert ist. So. Wenn ich dann darüber hinaus in der gesamten Umgebung von Stuttgart deutlich mehr fahren möchte, muss ich an den Zulauflinien etwas tun. Aber das muss man machen, egal ob bei K 21 oder bei S 21. Das kann dann, wenn ich an den Zulauflinien noch etwas tue, S 21 in der heutigen Form auch noch aufnehmen – mit 30 % drüber.
Boris Palmer (Projektgegner): Ich möchte an Herrn Hickmann das Wort geben.
14.20 Gerd Hickmann: SMA sagt aber in der Stellungnahme aus diesem Jahr, das Ganze müsse von DB Netz noch auf Fahrbarkeit überprüft werden. (Zuruf: So ist es!) Sie haben heute selbst gesagt, dass Sie auch die Notwendigkeit sehen, dass man hier einmal eine vollständige Simulation durchführt. Das heißt, Ihre Aussage jetzt gerade eben steht unter diesem Vorbehalt.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Zum grundsätzlichen Vorgehen: SMA entwirft einen Fahrplan. Dieser Fahrplan wird im Anschluss von der DB Netz-AG auf Fahrbarkeit überprüft. Und vor allem wird der konkrete Fahrplan – wir bezeichnen das als Trassenkonstruktion, wenn Sie so wollen – anschließend von der DB Netz- AG gemacht. Das ist das Zusammenspiel, das da passiert. Das, was wir im Moment machen, ist das absolut Normale und der turnusmäßige Prozess. So, und dann
[S. 105 Schl-Stgt 27. November 2010
kommen – das ist in dem Prozess ganz normal – von der einen Seite immer Rückläufe und Verbesserungsvorschläge und von der anderen Seite
14.21 Überprüfungen. Und in diesem Iterationsprozess, in dieser Schleife wird am Ende der finale Fahrplan ermittelt. Dabei, Herr Palmer, finden eben auch Überprüfungen auf Fahrplanstabilität statt. Für unsere Zuschauer: Solche Überprüfungen auf Fahrplanstabilität sind relativ komplex und aufwändig, weil da zum Beispiel simuliert wird, was die Folge in der Verspätung ist, wenn ein Zug irgendwo eine Verspätung hat. Es kann sein, dass es sehr einfach ist, diese Verspätung zu kompensieren, wenn ein Zug irgendwo 2 oder 3 Minuten Verspätung hat. Einmal angenommen, er hat 7 Minuten Aufenthaltszeit am Bahnsteig, dann kommt er 3 Minuten zu spät rein und fährt nach 4 Minuten wieder raus. Dann ist das Thema erledigt. Oder ich habe beispielsweise auf der Strecke etwas Reserve, sodass ich dort wieder aufholen kann. Es könnte aber auch sein – solche Fälle gibt es genauso im Netz –, dass der Zug mit einer Verspätung reinkommt und im Anschluss dann weitere Züge verspätet. Das kann kaskadenartige Auswirkungen haben.
14.22. Und das wird alles in solchen Programmen simuliert. Deswegen kann man nicht anhand einzelner Fälle – so wie Sie das vorhin gemacht haben – eine Aussage treffen, ob wir deswegen eine Instabilität im Fahrplan haben oder ob das ein Einzelfall ist. Man kann nicht aus der Tatsache, dass ich an einer Stelle entdecke, dass ein Zug eine Verspätung verursacht, unmittelbar ableiten, was es eigentlich bewirkt. Wir bezeichnen das als Netzwirkung. Diese Stabilitätsüberprüfung, wenn Sie so wollen, ist grundsätzlich und in jedem Fall zu machen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Jetzt will Herr Conradi mal was sagen zur Abwechslung.
Peter Conradi (Projektgegner): Das Schweizer Ingenieurbüro hat – das hat die Ministerin hier kürzlich zitiert – festgestellt, dass der geplante Tiefbahnhof keine Kapazitätsauswirkungen auf die Filderstrecke habe. Soweit korrekt? – Was die Ministerin nicht zitiert hat, war,
14.23 dass das Schweizer Ingenieurbüro erklärt hat, den Tiefbahnhof habe es in seiner Kapazität nicht untersucht. Das werde die Bahn machen. Und dass die Filderstrecke mit den Beeinträchtigungen, die sie hat, Auswirkungen auf die Kapazität des Tiefbahnhofs hat, hat sie auch nicht gesagt. (Zurufe) – Das hat sie nicht gesagt. Der ist nicht untersucht worden. Und deswegen ist die Frage: Wann fangen Sie an, in Ihren Simulationen zu untersuchen, welche Auswirkungen die Engstellen, die Langsamstellen, die Überschneidungen und die eingleisigen Anschlüsse auf die Kapazität des Tiefbahnhofs haben?
Schlichter Dr. Heiner Geißler zu Herrn Bauer: Sie haben jetzt das Wort, das Sie zuvor nicht hatten.
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Direkt zu Herrn Conradi: SMA hat das gesamte Betriebsprogramm untersucht, und zwar für den gesamten Knoten mit allen Infrastrukturrestriktionen. Das war auch das Letzte, was wir, als wir das erste Mal darüber geredet haben, uns als Schwachstelle ganz bewusst vorgenommen haben. 14.24 Wir sind jetzt eben mit SMA zu dem Ergebnis gekommen, dass das gesamte Programm nicht nur fahrbar, sondern auch stabil ist. Das war das Ergebnis. Und das war
[S. 106 Schl-Stgt 27. November 2010
auch die Antwort, die ich heute Morgen schon auf die Feststellung von Herrn Palmer gegeben habe. (Peter Conradi [Projektgegner]: Das steht nicht drin!)
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Jetzt Herr Palmer, dann Herr Rockenbauch.
Boris Palmer (Projektgegner): Jetzt noch einmal, damit wir irgendwann Klarheit bekommen. Sie sagen, 44 Züge sind die Anforderung, die Sie erfüllen. Aber Reserven haben Sie dann keine mehr – mit dem vorhandenen Außennetz. Das Netz als Ganzes definiert eine Grenze von 44 Zügen. So habe ich Sie verstanden. Jetzt ist die Frage, ob das kompatibel ist mit der Aussage von früher ist, dass Stuttgart 21 – das ist ja das ganze Netz und nicht nur die acht Gleise im Bahnhof – ein Drittel mehr Leistung hat. Da sagen wir: Nein, hat es nicht, es ist genauso leistungsfähig wie der Kopfbahnhof, bei dem wir nachweisen können, dass da heute 38 Züge in der Stunde ohne große Probleme fahren –
14.25 der zweitpünktlichste Bahnhof in Deutschland. Jetzt fragen wir uns erstens, ob die Differenz zwischen 38 und 44 ein Drittel ist und zweitens, ob es die überhaupt gibt. Wir sagen, dass es die gar nicht gibt, sondern dass bei 38 stabil Schluss ist. Deswegen haben wir uns einmal ausnahmsweise außerhalb von Baden-Württemberg und zwar in drei wichtigen Bahnhöfen angesehen – es muss ja ein großer Bahnhof sein –, wie groß da die vorschriftsmäßigen Zeiten zwischen zwei Zügen auf dem gleichen Gleis sind.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Stuttgart 21 – Folie 13: Bahnsteig muss 3 Min. nach einem ICE wieder belegt werden)
Wir haben ja gesehen: Bei Ihrem, der auf Kante genäht ist, sind da Abstände von 3 Minuten drin, teilweise 2 Minuten – extrem kurze Zugabstände auf den gleichen Gleisen. Und dann haben Sie noch die Doppelbelegungen, die Herr Martin uns erklärt hat. Da sind praktisch 0 Minuten Abstand. Wir haben geguckt, wie das in Hamburg ist: 8 Minuten sind die Regel, Ausnahme nur bei Baufahrplänen. Wie ist das in Köln? – Das ist der kritischste Bahnhof, den Sie überhaupt so betreiben, völlig überlastet, Doppelbelegungen und die ganzen Dinge, die man macht, wenn ein Bahnhof zusammenbricht: Mindestabstand 5 Minuten.
14.26 Wer dort unterwegs ist, weiß: ständig Verspätungen. Und bei den ICE-Linien sind es 12 Minuten, weil Sie die in diesem Knoten nicht dauernd verspätet haben wollen. Dreimal in der ganzen Woche gibt es eine Unterschreitung dieser Mindestzeiten auf 4 Minuten. Mannheim Hauptbahnhof hat einen Mindestabstand im Gleis von 6 Minuten. Wir glauben, dass ein Zugabstand von nur 3 Minuten am selben Bahnsteig in Deutschland keine Entsprechung in einem vergleichbaren Großbahnhof hat. Wir würden gern wissen, wo das der Fall sein soll. Wir glauben, dass es das nicht gibt. (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Berliner Stadtbahn!)
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Entschuldigung, der Berliner Stadtbahnhof ist kein vergleichbarer Knoten- Großbahnhof, das werden Sie zugeben. Bei der S-Bahn im Tunnel da unten sind es 90 Sekunden gewesen, bis Sie das Signal herausgerissen haben. Das ist kein Vergleich.

Wir reden von einem Großbahnhof, der über komplexe Zulaufstrecken mit Verspätungen kämpfen muss und die in seinem System ausgleichen muss. Wir sagen, dass es das in Deutschland nicht gibt. Sie bauen einen Bahnhof, der so wenig Kapazität hat, dass Sie nur, wenn Sie den Zugabstand auf 3 Minuten in Ihrem Fahrplan reduzieren, überhaupt 44 Züge in der Stunde erreichen.

14.27 Daraus schließen wir: Wenn Sie einen vernünftigen Zugabstand – das kann nicht stabil s
ein, Herr Kefer – von 5 Minuten vorgeben, sinkt die Kapazität auf die 38 Züge, die der heutige Kopfbahnhof abwickelt – bei gleicher Qualität nicht mehr Leistung als der bestehende Bahnhof. Und da Sie gerade gesagt haben, dass die 44 die Obergrenze über das ganze System ist, ist mit meiner Aussage, dass es stabil nur mit 38 geht, nach unserer Auffassung ein glasklarer Beweis erbracht:

Die Parlamente haben Geld für ein Zukunftsprojekt bereitgestellt, das ein Drittel mehr Züge abwickeln soll, wenn man sie braucht – Reserven für ein Jahrhundert. Und sie bekommen einen Bahnhof, der genauso viele Züge in der gleichen Qualität abwickeln kann wie der bestehende. Das ist der Vergleich. Ich muss ihn wiederholen.

Die Parlamente bestellen ICE, und zum doppelten Preis kriegen sie eine Dampflok.

Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Also Herr Palmer, einmal ganz direkt darauf geantwortet: Ich habe leider die Beispiele nicht auswendig drauf,
14.28 aber im Hamburger Hauptbahnhof werden zumindest im Berufsverkehr die Gleise dichter als im 8-Minuten-Abstand belegt. Ich habe es jetzt nicht im Kopf. Ich möchte es zumindest strittig stellen. (Zuruf: Es steht da: 5 Minuten! Lesen!)
Hannes Rockenbauch (Projektgegner): Ganz kurz. Wir haben jetzt gerade gezeigt, dass der neue Super-Bahnhof nicht leistungsfähiger ist als K 20. Aber K 20 kann noch mehr. Es wäre auch noch interessant: Notfallkonzept S-Bahnen. Der bestehende Kopfbahnhof ist in der Lage, auch ein funktionierendes Notfallkonzept für die S-Bahnen anzubieten. Das heißt: Das muss man realistischerweise als Kapazität und Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofes drauf rechnen. In all das, was Sie jetzt zeigen – mit den kurzen Zeiten zwischen den Zügen, mit den Doppelbelegungen und sonst was –, in Ihr Konzept noch die S-Bahnen reinzufriemeln, da bin ich höchst gespannt darauf, wie das funktionieren soll. Und in dem Fall, dass noch irgendetwas anderes schiefgeht,
14.29 haben Sie wirklich das komplette Desaster.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ich wollte eigentlich nur einen Vorschlag machen. Aber bitte ..
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Ich will einfach zu dem, was Herr Palmer gesagt hat, feststellen, dass es nicht zutrifft, was Sie behaupten. In der Spitzenstunde – und das ist auch belegt durch SMA – sind künftig 44 Züge möglich, und das sind deutlich mehr als bisher. Mit heutiger Infrastruktur wären es nur 37. Und das ist
[S. 108 Schl-Stgt 27. November 2010
Fakt. Ich stelle das jetzt einmal so fest. Dass künftig nicht noch mehr Züge möglich sind, liegt, wie Herr Dr. Kefer gesagt hat, allein an den Zulaufstrecken generell. Das gilt auch bei Ihnen. Und die zusätzliche Nachfrage in den Spitzenstunden – weil die immer im Raum steht –, ist nicht realistisch, denn die Spitzenstunde ist schon ausgeweitet, was die Deckung der Nachfrage angeht.
14.30 Deshalb denke ich, wir sollten uns hier nicht über bestimmte Streitigkeiten unterhalten, die eigentlich schon längst ausgeräumt sind. Das Verkehrsangebot insgesamt – mit Stuttgart 21 für den Nah- und Fernverkehr oder für den Nah- und Regionalverkehr – kann durch die Infrastruktur in jedem Fall 20 % mehr betragen als bisher – in jedem Fall mehr. Das heißt als auch, die Kapazität der Infrastruktur ist deutlich über dem, was Sie prognostizieren.
Boris Palmer (Projektgegner): Wo ist der Beweis? Jetzt sagen Sie 20 %, früher war es ein Drittel. Wo ist der Beweis?
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Schluss, Sie haben nicht das Wort! – Jetzt kommt Herr Arnoldi.
Klaus Arnoldi (Projektgegner): Herr Bauer, ich möchte nur noch einmal feststellen: Die 37 Züge sind das, was heute im Bahnhof gefahren wird. (Christian Becker [Projektbefürworter]: Nein! Die Kapazität!) – Die Kapazität. Herr Hopfenzitz hatte hier aber ausgeführt, dass der heutige Bahnhof auf jeden Fall deutlich mehr Züge verkraften kann. Ich bitte Sie, das zur Kenntnis zu nehmen. Was heute gefahren wird,
14.31 ist nicht die Base-Line, sondern die Kapazität des heutigen K 20 ist deutlich höher.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das, was Herr Hopfenzitz gesagt hat, ist ja eigentlich völlig unkommentiert in der Schlichtung verschwunden. Inzwischen ist gesagt worden, er hätte falsch gezählt. Das ist bis jetzt nicht bewiesen worden. Darf ich mal folgenden Vorschlag machen? Im Moment steht Behauptung gegen Behauptung. Herr Palmer redet immer von Beweisführung. Wahrscheinlich gehört diese Fahrplangeschichte zu den Bereichen, in denen es eben eine absolute Mehrheit – Entschuldigung: Wahrheit nicht gibt. Ich will aber Folgendes sagen: Was Sie vorgetragen haben, ist absolut bemerkenswert, zumindest nachdenkenswert; das ist auch von Herrn Bauer, Herrn Kefer und Herrn Leuschel
14.32 gesagt worden. Das, was Sie gesagt haben, wird der Bahn aus der Schlichtung praktisch als Hausaufgabe überreicht. Sie soll sich überlegen, wie man den daraus resultierenden Folgen, die Sie dargestellt haben, in der Zukunft abhelfen könnte. Sie hat zugesagt, dass das noch einmal überprüft wird. Ich glaube, im Moment kommen wir nicht weiter. Es war eine dankenswerte Position, die Sie vertreten haben, das war begründete Kritik. Das ist jetzt an die andere Seite weitergegeben. Wir können aber in der Frage, ob es nun 44 oder 37 Züge sind oder was weiß ich wieviele Züge, keine Einigung erzielen. Das ist vielleicht auch gar nicht notwendig, weil es von anderen
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Faktoren abhängig ist, die man möglicherweise auch noch verbessern kann. – Noch etwas? Herr Palmer.
Boris Palmer (Projektgegner): Ich bin völlig einverstanden mit dem, was Sie sagen. 14.33 Aber eins werden Sie mir, glaube ich, zugestehen: Das ist keine Meinungsfrage. 38 Züge werden dem Kopfbahnhof attestiert, das geht. (Zuruf von den Projektbefürwortern: Nein, 37!) – 37, okay. Über den einen brauchen wir uns nicht zu streiten. Sie akzeptieren 37. Wir sagen: Eigentlich sind 38 schon nachgewiesen, die Kapazität ist über 40. Aber meinetwegen 37 – nur, damit Sie zustimmen, nicht weil ich das meine. 37 akzeptieren Sie. Sie sagen selbst: Bei 44 ist bei uns – mit all den Schwierigkeiten, die wir aufgezeigt haben – dann die Grenze erreicht. Man kann sagen, was man will, aber die Differenz zwischen 37 und 44 ist nicht ein Drittel von 37. Dann müssten Sie uns mindestens zwölf nachweisen. Sie behaupten nur sieben. Das heißt, wir sind weit unter dem, was die Parlamente beschlossen haben. (Dr. Volker Kefer [Projektbefürworter] schüttelt den Kopf.) – Jetzt schütteln Sie den Kopf darüber, aber ich war in den Parlamenten.

14.34 Die Parlamente haben ein Zukunftsprojekt versprochen bekommen, das ein Drittel mehr Zugfahrten erlaubt als heute. So eine große Differenz – wir sagen: gar nichts, wenn Ihre Zahlen stimmen, sind es maximal 20 % –, zwischen 0 und 20 %, ist nicht ein Drittel. Ich glaube, diese mathematische Rechnung kann man nicht der Meinungsbeliebigkeit aussetzen. Oder sehe ich das falsch, Herr Dr. Geißler?

Schlichter Dr. Heiner Geißler: Möglicherweise sehen Sie es falsch, möglicherweise auch nicht. Ich kann das wirklich nicht – – Mir schien das, was Sie gesagt haben, plausibel. Aber vielleicht sollte sich ein Parlament, egal ob Landtag oder Bundestag, sollte sich nicht mit Fahrplänen befassen und darüber abstimmen. Das finde ich eher ein Problem. (Hannes Rockenbauch [Projektgegner]: Bei so einer Bahn?) Dann beruft man sich auf demokratische Abstimmungen. Die Abstimmungen betreffen Sachverhalte, die im normalen gesetzgeberischen Verfahren nicht behandelt werden können. Das ist ein Problem. (Peter Conradi [Projektgegner]: Dazu hat man Ausschüsse!) – Dazu hat man Ausschüsse,
14.35 und dazu hat man vor allem eine Regierung – normalerweise schon. Lassen wir die Berufung auf Parlamente. Es sieht gerade so aus, als ob dort so unmündige Leute säßen, die falsch informiert worden sind. Wenn das der
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Fall ist, dann ist es ein Beweis dafür, dass ein Parlament offenbar nicht in der Lage ist, das im Einzelnen nachzuvollziehen. Nicht einmal wir in dieser Runde kriegen es ja hin, eine gemeinsame Bewertung in der Frage, ob es 37 oder 44 sind, vorzunehmen.

Boris Palmer (Projektgegner):
Entschuldigung, ich war in dem Parlament. Jetzt muss ich mal das Parlament verteidigen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Sehr gut.
Boris Palmer (Projektgegner):
Da waren Leute wie ich drin. Sie haben gesagt: Was ihr da baut, kann maximal so viele Züge abwickeln wie der bestehende Bahnhof. Dann hat man gesagt: Das stimmt nicht, sondern es wird ein Drittel mehr gefahren. Die beiden Aussagen standen im Parlament gegeneinander, Fahrplandaten gab es nicht. Dann hat selbstverständlich die Regierung recht, weil sie die Mehrheit hat. Also hat das Parlament beschlossen: Wir geben die Milliarden aus, damit ein Drittel mehr Züge fahren können.
14.36 Das spricht nicht gegen das Parlament, sondern gegen die Information des Parlaments. Das ist doch das Problem.

Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Einen letzten Satz, und dann sollten wir wirklich zu K 21 kommen. Er sprach gerade von der Spitzenstunde. Spitzenstunde sind die 37 und 44. Das ist das eine. Aber wir reden bei Stuttgart 21 nicht nur von der Spitzenstunde. Die Kapazität von S 21 insgesamt ist weit größer. Damit kommen wir in den Bereich, den auch das Parlament wusste: Das ist das eine Drittel – Punkt. (Lachen von den Projektgegnern – Werner Wölfle [Projektgegner]: Nachts ist noch Platz, ja!)
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Geht Herr Palmer jetzt aus Protest raus, oder was ist los? Wollen Sie noch etwas sagen? (Heiterkeit – Boris Palmer [Projektgegner]: Ich soll doch K 21 machen!) – Jetzt ist es recht. Bitte schön, dann fangen wir mit K 21 an. – Danke schön.
14.37 Ich werde gefragt, wann heute Schluss ist. (Heiterkeit) Das Fernsehen will das offenbar wissen. Wir haben jetzt 14:30 Uhr. Was meinen Sie? Vier bis fünf Stunden? (Zurufe) – 15:30 Uhr?
[S. 111 Schl-Stgt 27. November 2010]
(Dr. Volker Kefer [Projektbefürworter]: 16 Uhr!) – 16 Uhr. 16:30 Uhr? 17 Uhr? (Dr. Volker Kefer [Projektbefürworter]: Ne, ne, ne!) Ich sage mal: 17 Uhr. (Dr. Volker Kefer [Projektbefürworter]: Ne!) Sonst kommen wir wieder in Schwierigkeiten. 17 Uhr ist Deadline. Einverstanden? (Dr. Volker Kefer [Projektbefürworter]: Wie wäre es denn mit 15 Uhr? – Heiterkeit – Weitere Zurufe) – Das ist nicht erlaubt. Ich lasse niemanden aus dem Saal. 17 Uhr. (Dr. Volker Kefer [Projektbefürworter]: Aber 17 Uhr ist dann fix, Herr Geißler?) – Ja, 17 Uhr ist 17, nicht 37 und auch nicht 44, sondern 17.
14.38 Jetzt. Wer redet? –

Herr Palmer. Bitte schön. Es geht jetzt um die Leistungsfähigkeit von K 21.

Boris Palmer (Projektgegner): Meine Damen und Herren! Herr Dr. Geißler, Sie haben mich wiederholt ermahnt, verständlich zu bleiben. Deswegen werde ich auch die Folien, die schon einmal in der Schlichtung gezeigt wurden, erklären. Ich hoffe, dass das in Ihrem Sinn ist, auch wenn es Wiederholungen bedeutet.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21)
Zu unserem Betriebskonzept – man könnte auch Langfristfahrplan sagen, der Begriff ist eigentlich eingängiger – und der Leistungsfähigkeit des modernisierten Kopfbahnhofs; wir nennen ihn K 21, Kopfbahnhof 21.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21 – Folie 2: Karte)
Zur Erinnerung – es wurde einmal behauptet, es sei ein Wackelpudding –: Was verstehen wir unter Kopfbahnhof 21? Sie haben hier im Überblick die Infrastruktur, von der wir ausgehen: den modernisierten Bahnhof mit einer schönen neuen Bahnhofshalle,
14.39 die sanierten Gleise, die lange nicht unterhalten wurden, eine zusätzliche zweigleisige Strecke nach Bad Cannstatt und ein zusätzliches, ein fünftes Gleis – das ist hier farblich leider nicht erkennbar – nach Zuffenhausen. Das ist im Zentralbereich die Infrastruktur, die wir zugrunde legen. Dann kommt die spannende Frage: Wird die Neubaustrecke gebaut oder nicht? Das wissen wir nicht. Wir wissen aber,
[S. 112 Schl-Stgt 27. November 2010
dass der Kopfbahnhof sowohl mit der Neubaustrecke als auch ohne Neubaustrecke funktioniert. Wir haben uns bei dem Langfristfahrplan, den wir Ihnen zur Prüfung vorgelegt haben, dafür entschieden, die Neubaustrecke zu unterstellen. Sie beginnt ja hier. Wir haben also gesagt: Wenn Sie schon eine neue Strecke bauen, die für sich ein eigenes Projekt ist, dann kann sie auch beim Kopfbahnhof mitbenutzt werden. Wir glauben, dass das wichtig ist, um einen echten Vergleich herstellen zu können. Natürlich ist die alte Filstalbahn immer langsamer als die Neubaustrecke über die Schwäbische Alb. Wir unterstellen also die Neubaustrecke,
14.40 binden diese aber anders an. Sie haben hier den Tunnel direkt aus dem Durchgangsbahnhof. Wir fahren erst einmal bis Obertürkheim auf den bestehenden Strecken und zweigen dann ab. Sie erinnern sich an die Diskussion mit Herrn Bitzer: Muss man da in den Tunnel, oder kann man über das Gewerbegebiet, über den Neckar? Das lassen wir mal offen. Es wurde jedenfalls nicht bestritten, dass diese Trasse möglich ist. Es gibt den Platz, ohne dass man quer durch Wohngebiete neue Gleise bauen müsste. Die Fotos waren eindeutig, der Platz ist da, Herr Kefer. Sonst hätten Sie in der Sitzung früher zeigen müssen, was im Weg steht. Das haben Sie nicht getan. Deswegen nehme ich an, wir sind uns einig.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Das, Herr Palmer, ist eine Behauptung. Es gab genügend Gegendarstellungen von Herrn Bitzer.
Boris Palmer (Projektgegner): Aber Herr Bitzer hat immer nur gesagt, dass es unschön ist. Er hat an keiner Stelle gesagt: Das geht nicht.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Nein, nein. Herr Bitzer hat gesagt, dass es nicht planfeststellbar ist und dass es eine Menge technische Probleme gibt.
Boris Palmer (Projektgegner): Sekunde. Die Planfeststellungsthematik kommt am Schluss noch mal. Dazu habe ich eine völlig andere Auffassung.
14.41 Im Moment geht es um die räumlichen Verhältnisse. Der Platz ist da. Das kann man nicht
bestreiten.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Nein, da war doch – – (Johannes Bräuchle [Projektbefürworter]: Das ganze Tal ist Platz!)
Boris Palmer (Projektgegner): Erinnere ich mich falsch?
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Darf ich Folgendes sagen? Herr Kefer, Sie haben ausdrücklich gesagt – – Ich wollte sicherstellen, dass die Projektgegner die Möglichkeit haben, ohne ständig von Herrn Bitzer unterbrochen zu werden, mal zu zeigen, wie die Strecke überhaupt vom Hauptbahnhof auf die Filder kommt. Sie müssen es ja wenigstens mal zeigen können. Dann hatten wir über diese Linie mit dem Sport-
[S. 113 Schl-Stgt 27. November 2010
platz usw. geredet. Dann sind wir schon fast oben gewesen und waren plötzlich wieder hinter dem Neckar, hinter der Brücke, weil einer gesagt hat: Wir müssen erst noch über das Gleisvorfeld reden, was man da reparieren muss.
14,42 Die Projektgegner haben diese Strecke aufgezeigt, daran kann sich jeder noch erinnern. Herrn Leuschel hat dann mit den Bahnsteigkanten, den Höhen usw. probiert, letzte Schwierigkeiten zu machen. (Heiterkeit – Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Aber nicht wegen der Trassenführung!) Das haben wir auch abgeräumt. Dann haben Sie, Herr Kefer, gesagt: Die Sache ist technisch machbar. Das haben Sie ausdrücklich gesagt. (Beifall von den Projektgegnern) Das ist protokolliert. Das wollen wir hier vielleicht festhalten. – Jetzt Sie.
Boris Palmer (Projektgegner): Danke. Mehr wollte ich auch nicht sagen. Es ist platztechnisch machbar. Über Planfeststellungsrecht kann man anderswann reden. Hier würden wir bei uns den Tunnel vorsehen, Richtung Ulm, und hier gäbe es einen Abzweig, damit auch Züge zum neuen Flughafenbahnhof fahren können; das ist diese Strecke. Hier entsteht also ein Gleisdreieck. Züge können von Ulm und Tübingen zum Flughafenbahnhof, und sie können auch so in die Stadt fahren.
14.43 Natürlich können sie die schnelle Strecke Stuttgart–Ulm insgesamt in dieser Weise befahren. Dann ist die Fahrtzeit nicht länger als bei S 21, nämlich unter einer halben Stunde. Das ist unser Infrastrukturkonzept. Wir haben uns dann, um dem Vorwurf entgegenzutreten, dass wir unterschiedliche Varianten haben, auf eine bestimmte Infrastruktur festgelegt. Die wurde Ihnen übermittelt. Ich glaube, es muss jetzt nicht sein, dass ich jede Weiche benenne. Sie haben von der Projektseite konkret vorgelegt bekommen, welche Infrastruktur wir genau zugrunde legen. Die wichtigsten Elemente habe ich gerade erklärt. Das weicht tatsächlich ein bisschen von früheren Varianten des Kopfbahnhofkonzepts ab. So wie wir es Ihnen jetzt übermittelt haben, halten wir es für den Vergleich und den Beweis, dass die Neubaustrecke mit dem Kopfbahnhof einzubinden ist, für richtig. Darauf wollen wir uns festnageln lassen. Darauf basiert auch der Langfristfahrplan, den wir Ihnen vorlegen und über den wir sprechen wollen.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21 – Folie 3: Liniendurchbindungen auch mit K 21)
Das kennen Sie auch. Ich sage aber noch einmal ganz kurz, Herr Dr. Geißler, was man hier sehen kann.
14.44 Es geht nicht darum, alles nachzuverfolgen, sondern es geht
[S. 114 Schl-Stgt 27. November 2010
darum, zu zeigen, wie das Liniennetz, das unser Langfristfahrplan abbildet, aussieht. Dieses Liniennetz liegt unserem Langfristfahrplan zugrunde. Sie sehen hier mit den dicken Strichen die sogenannten durchgebundenen Linien, das heißt Linien, die irgendwo weit weg von Stuttgart starten, die rote zum Beispiel in Heidelberg, durch den Hauptbahnhof fahren und dann in eine Stadt in eine andere Richtung weiterfahren, in dem Fall – nicht zufällig – nach Tübingen. Sie sehen, dass viele dieser Linien dick sind. Das sind alles durchgebundene Linien. Das heißt, der Zug kommt aus einer Richtung in den Hauptbahnhof – natürlich wendet er dort, Durchbindung heißt in diesem Fall Richtungswechsel, er kann nicht einfach durchfahren – und fährt dann wieder raus in die andere Richtung. Auch dies ist in unserem Fahrplan unterstellt. Das heißt, wir haben einen der Gründe, der für Stuttgart 21 angeführt wird – man muss Durchbindungen möglich machen –, im Kopfbahnhof umgesetzt. Das ist möglich.
14.45 Dies ist das Liniennetz, das unserem Fahrplan zugrunde liegt.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21 – Folie 4: Wie liest man einen Gleisbelegungsplan?)
Das haben wir schon gehabt, das muss ich nicht mehr erläutern. Ich will nur noch einmal darauf hinweisen, dass Sie, wenn Sie sich unseren Gleisbelegungsplan für den Kopfbahnhof angucken und mit dem vergleichen, den Sie vorher für Stuttgart 21 gesehen haben, darauf achten, wo solche Situationen auftreten, dass zwei Züge gleichzeitig im Gleis sind, hier versetzt und hier gleichzeitig. Das ist die Stuttgart-21- Situation, das ist die Kopfbahnhof-21-Situation.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21 – Folie 5: Integraler Taktfahrplan: Gleisbelegung im Kopfbahnhof 21)
Hier also unser Grundangebot, das heißt die Züge, die den ganzen Tag über fahren können sollen, nicht die Züge für den Berufsverkehr. Dafür haben wir einen eigenen Fahrplan ausgearbeitet. Wir haben den Knoten – Herr Leuschel hat vorher zu Recht darauf hingewiesen – nicht idealtypisch auf die Minute 0 gelegt – alle Züge sind im Bahnhof, wenn es Schlag Stunde ist –, sondern wir haben zwei Knoten, zur Minute 15 und zur Minute 45.
14.46 Wir hätten es auch gerne auf der Minute 0. Das ist auch denkbar, wenn man großräumigere Veränderungen vornimmt. So wie aber im Moment der Knoten in Mannheim und Karlsruhe liegt, geht es nicht, weil die Fahrtzeit von Mannheim nach Stuttgart 36 Minuten beträgt. Mannheim ist ein echter Nullknoten, dort treffen sich alle ICEs um 30. Das geht nicht. 30 plus 36, dann kommt man zur Minute 6 an. Das ist zu spät. Man muss vor der Minute 0 ankommen. Deswegen haben wir gesagt: Gut, dann gehen wir auf die Minute 15. Da kann man einen Knoten herstellen. Das ist aber nur der Nachweis, dass ein Knotenbahnhof in Stuttgart möglich ist. Das heißt nicht, dass wir es genauso machen wollen. Wir würden es bevorzugen, an-
[S. 115 Schl-Stgt 27. November 2010
derswo Veränderungen vorzunehmen und dann in Stuttgart zu einem Nullknoten zu kommen. Das ginge auch, aber nur mit Investitionen. Wir wollen uns aber nicht dem Vorwurf aussetzen: Was ihr macht, geht nur, wenn anderswo Geld ausgegeben wird. Also dieser Fahrplan, der mit dem Grundgerüst, das Sie aus Karlsruhe und Mannheim und auch mit dem Knoten in München kennen, funktioniert. Also Minute 15. Wenn Sie da gucken,
14.47 wo die Hand runterführt, sehen Sie: Zur Minute 15 sind alle Züge im Gleis. Wie das geht, haben wir auch mit dem Filmchen, das ich aus Zeitgründen nicht wiederhole, vorgeführt. Auch Ihre Simulation vorher, als Sie gesagt haben: „Wir machen einen Haken dran“, zeigt genau diese Situation. Die Züge kommen nacheinander rein – je weiter links der Balken ist, umso früher kommt der Zug an –, dann stehen sie alle da, alle können umsteigen, und wenn alle umgestiegen sind, fahren sie nacheinander wieder raus. Das Ganze passiert zur Minute 45 noch einmal.

Der große Unterschied ist, dass wir sicher stellen können, dass Umsteigen immer funktioniert.

(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21 – Folie 6: K21: Kürzere Reisezeiten durch bessere Anschlüsse)
Wir haben jetzt die Frage überprüft – das ist ja wichtig –: Was bedeutet das für die Reisezeiten? Es geht nicht nur darum: Kann ich im Bahnhof umsteigen? Man kommt irgendwoher und will irgendwohin. Dann ist interessant: Wie lange fährt man in der Summe? Sie sehen hier: Grün überwiegt. Grün heißt: Die Fahrtzeit ist beim Kopfbahnhof 21 mit unserem Langfristfahrplan vom Startort zum Zielort – das sind immer Bahnhöfe – kürzer als bei Stuttgart 21. Blau heißt: Es ist umgekehrt. Die Fahrtzeit ist bei Stuttgart 21 kürzer
14.48 als beim Kopfbahnhof 21. Wenn Sie diese Tabelle – die wir Ihnen übermittelt haben, damit Sie jede einzelne Zahl überprüfen können, ob sie erfunden ist oder stimmt – zusammenzählen, dann kommt hier unten das Entscheidende heraus, nämlich: Beim Kopfbahnhof 21 sind die Zeiten bei 58 Reisen zwischen zwei Bahnhöfen im Untersuchungsgebiet – Region Stuttgart – schneller als bei Stuttgart 21. Umgekehrt tritt dieser Fall 30-mal auf, also ein Verhältnis von 2:1. Das heißt: In der Summe, unter Einrechnung der Umsteigezeiten, unter Einrechnung der längeren Wartezeiten im Bahnhof – unsere Züge müssen länger im Bahnhof stehen als bei Stuttgart 21, das ist das Wesen eines Knotenbahnhofs, die Züge sind länger im Bahnhof, bevor sie wieder rausfahren –, unter Einrechnung all dieser Effekte sind wir bei knapp 60 Städteverbindungen schneller und
14.49 bei 30 Städteverbindungen ist Stuttgart 21 schneller. Deswegen sagen wir: Unser Konzept ist besser.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21 – Folie 7: Vergleich der Umsteigezeiten S21 – K21)
[S. 116 Schl-Stgt 27. November 2010
Nun haben wir auch die Umsteigezeiten ermittelt. Das ist mit der Folie, die Sie heute Morgen gezeigt haben, jedenfalls nicht widerlegt; darauf war der Balken für K 21 nicht abgebildet. Wir sagen: Die mittlere Umsteigezeit ist mit dem Kopfbahnhof 21, das ist grün, immer besser als mit Stuttgart 21, das ist orange. Sie sehen bei der ersten Grafik eine mittlere Umsteigezeit von 18 Minuten und von etwas über 10 Minuten. Der orangene Balken ist immer höher als der grüne. Das heißt, bei Grün warten Sie weniger. Das gehört sich auch so, das kennt man von der Verkehrsregelung: Bei Grün geht es voran. Also auch in diesem Punkt Überlegenheit für das Kopfbahnhofkonzept, weniger Wartezeiten beim Umsteigen.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21 – Folie 8: K 21: 52 Züge in der Spitzenstunde 7 – 8 Uhr möglich!)
Wir haben auch ein Spitzenstundenkonzept vorgelegt, das sehen Sie hier. Wir kommen auf 52 Züge in der Stunde,
14.50 die sind hier alle nachgewiesen. Dies ist nicht geschehen, indem wir nur den Bahnhof gemalt haben, sondern wir haben für jeden Zug auch ermittelt: wo ist er losgefahren? wo fährt er hin? welche Gleise benutzt er auf der ganzen Strecke? zu welcher Zeit sind sie frei? Das ist alles geleistet. Wir sind der Auffassung, dass dabei jedenfalls weniger Probleme übrig sind, die noch gelöst werden müssten, als bei dem von Ihnen vorgelegten Konzept. Wenn hier Streit entsteht, zeigen wir, wo überall noch Stellen sind. Ich sage nur: Remstal, S-Bahn-Konflikt. Sie wissen selber, wo die Schwächen, die nicht gelösten Probleme bei S 21 liegen. Wir sagen: Davon haben wir weniger. Wir halten dieses Konzept für fahrbar, und zwar in der Qualität, in der auch heute der Bahnverkehr in der Region läuft. Das ist ein Drittel mehr. Wir können 52 Züge im Kopfbahnhof nachweisen – wir können zeigen, wo sie fahren –, und wir haben dies mit stabiler Fahrplanqualität. Wenn Sie versuchen – was wir bei Ihnen gemacht haben –, zum Beispiel Gleisabstandszeiten von 3 Minuten nach einem ICE zu finden,
14.51 dann werden Sie nicht fündig. Das gibt es bei unserem Konzept nicht. Hier sind ordentliche Abstände zwischen zwei Zügen im Gleis. Wenn Sie versuchen, die ganzen verpassten Anschlüsse aufzuzeigen, werden Sie das beim Grundtakt mit einer einzigen Ausnahme nicht finden.

Das heißt, alle Nachteile, die in Ihrem Fahrplan heute Morgen offenkundig – für jeden, der ein bisschen verstanden hat, wie die Pläne zu lesen sind – aufgetreten sind, gibt es bei unserem Konzept nicht. Es gibt sie nicht. Deswegen ist dieses Fahrplankonzept weit überlegen. Es bietet bessere, schnellere Verbindungen, und sie sind zuverlässig.

(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21 – Folie 9: Fazit)
Die Zusammenfassung haben wir schon mal gezeigt. Ich denke, darüber kann ich schnell hinweggehen, das muss heute nicht mehr ausgeführt werden. Hier ist die kritische Marke. Der Unterschied ist: Wir sind bei 52 Zügen pünktlich, bei Ihnen ist zu erwarten, dass es zu sich aufschaukelnden Verspätungen kommt. Warten wir ab, was Ihre weiteren Untersuchungen dazu leisten. Die Folie wurde schon gezeigt, also lieber gleich weiter zum Resümee.
[S. 117 Schl-Stgt 27. November 2010
14.52 Gleich habe ich noch einen zweiten Teil – wir machen es kurz, das war eine Wiederholung –, in dem ich die Fragen beantworten möchte, die Sie uns zu unserem Kopfbahnhofkonzept übermittelt haben.
(Präsentation: Leistungsfähigkeit Kopfbahnhof 21 – Folie 10: Unser Resümee)

Resümee: Ein Zuwachs der Zugzahlen ist im Kopfbahnhof möglich – wie wir gesehen haben –, mit den Infrastrukturverbesserungen deutlich über das hinaus, was mit dem Tunnelbahnhof möglich ist. Die Anschlüsse werden mit Stuttgart 21 eher schlechter; im modernisierten Kopfbahnhof könnten sie deutlich besser sein als heute. Mit Stuttgart 21 sinkt die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit gegenüber heute. Und mit Stuttgart 21 kann jedenfalls nicht mehr als im Kopfbahnhof in gleicher Qualität geleistet werden, auf jeden Fall deutlich weniger als in K 21, im modernisierten Kopfbahnhof. Deswegen meine ich: Man kann nicht davon reden, dass dies der Wirtschaft, dem Verkehr, dem Land nützt.

– Das war der erste Teil. Damit wir die Fragen dann auch beantworten – eines der Probleme unserer Schlichtung ist, dass viele Fragen offenbleiben und nicht beantwortet werden –,
14.53 würde ich gern sofort zum zweiten Teil übergehen. Es geht um die Rekapitulation und die Fragen, die uns gestellt wurden, die wir wörtlich zitierbar dabei haben, dann auch beantworten. Mit Ihrem Einverständnis würde ich diese jetzt beantworten, wenn mir das jemand aufspielt.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Wollen Sie jetzt Fragen zum Beispiel zu der Folie 8 stellen? (Peter Conradi [Projektgegner]: Nein, die liegen vor! –

Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Weitermachen!) –

Weitermachen? Man muss schon noch mal Stellung nehmen zu dem, was er bisher gesagt hat. Denn wenn des stimmt, da braucht Ihr den Bahnhof net bauen.

Ja, bitte. Was is
t? (Zuruf: Kommt gleich!) Hallo!
(Maus-Probleme)
14.54
(Maus-Probleme)

Boris Palmer (Projektgegner): Wir haben einen Fragenkatalog.
(Präsentation: Antworten zu K21) Wir haben elf Fragen übersandt bekommen, die wir gerne beantworten wollen, damit die Diskussion dann nicht ins Leere läuft.
(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 3: Frage 1)
[S. 118 Schl-Stgt 27. November 2010
Frage 1: Wie wurde überprüft, ob die Kapazität von K 21 (inklusive Zulaufstrecken) für den vorgesehenen Fahrplan ausreichend ist? Welche Infrastrukturausbauten sind über die bereits vorgestellten Maßnahmen hinaus erforderlich,
14.55 um die Kapazitätsprobleme zu lösen?
Unsere Antwort: trassenscharfe Planung. Das heißt, wir haben auf der gesamten Fahrstrecke der Züge ermittelt: Hier gibt es keine Konflikte, kein Zug ist im Weg, keiner muss dem anderen ausweichen, die Abstände sind ausreichend. Und wir haben dies über das gesamte Netz getan. Wir sind uns also sicher, dass dies – von kleinen Restunsicherheiten abgesehen, die bei Ihrem Fahrplan auch noch bestehen – funktioniert. Wenn Sie etwas gefunden haben, würden wir gern wissen, wo Sie Probleme sehen. Deswegen sind wir der Auffassung, dass über das hinaus, was wir Ihnen vorgestellt haben, was bei uns K 21 heißt, was diesem Fahrplan zugrunde gelegt ist, keine weiteren Ausbauten erforderlich sein werden.
(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 4: Frage 2)
Frage 2: Wie soll das Problem des Lärmschutzes entlang der oberirdischen Streckenabschnitte gelöst und mit städtebaulichen Aspekten in Einklang gebracht werden?
Die einfache Antwort ist: so wie man es jetzt gerade in Berlin auch gemacht hat, wie man es in Mannheim gemacht hat,
14.56 als man den Durchgangsbahnhof für die ICE-Strecke gebaut hat. Wir glauben, dass das auch in Stuttgart gelingen wird. Warum sollte es hier anders sein als in anderen Städten? Wir sagen außerdem: Es soll so sein wie bei Stuttgart 21. Da haben Sie schließlich auch neue Neckarbrücken im Siedlungsgebiet und machen Lärmschutz; das geht nicht anders. Wenn das für Stuttgart 21 möglich ist, ist es auch für unser Konzept möglich. Wir sagen auch: Da wir vorhandene Strecken nutzen und dort allenfalls noch Gleise anbauen, wie zum Beispiel bis Obertürkheim, stimmt es zwar, dass dadurch zum ersten Mal die Pflicht entsteht, Lärmschutz zu betreiben, deswegen war es aber vorher schon laut. Es gab nur keine Lärmschutzpflicht. Das bedeutet: Dann wird endlich das gemacht, was im Moment niemand bezahlen möchte. Dann bekommt auch das Neckartal den notwendigen Lärmschutz, vor dem sich die Bahn im Moment drückt, weil sie sagt: Das müssen wir nicht tun, das bezahlt uns niemand. Dann sind Sie verpflichtet, es zu machen. Das muss also mit in unsere Kostenrechnung. Antwort in der Summe: Das kann städtebaulich gut gelöst werden. Es ist ein Vorteil für die Menschen, die heute an den Schienenstrecken leben,
14.57 weil der laute Güterverkehr dann endlich durch Lärmschutzmaßnahmen leiser wird. Wir halten es für einen Vorzug unseres Projektes, dass die Bestandsstrecken modernisiert werden, nicht für einen Nachteil. Nächste Folie!
(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 5: Frage 3)
[S. 119 Schl-Stgt 27. November 2010
Frage 3: Welcher Bauablauf ist vorgesehen, um die extrem negativen Folgen für Bürgerinnen, Bürger, Fahrgäste und Stadt zu beherrschen?
Unsere Antwort – wir haben das schon einmal vorgestellt –: Wir modernisieren abschnittsweise im vorhandenen Gleisareal. Deswegen gibt es weitaus weniger Betroffene als bei Ihrem Projekt. Bei uns kommt der Zubau zuerst. Das heißt, man baut erst neue Gleise, dann können die Züge die neuen Gleise benutzen – das haben wir Ihnen auch mit Folien demonstriert –, dann reißen wir das Alte ab und bauen es wieder neu auf, damit es wieder 50 oder 100 Jahre hält. Also: zuerst der Zubau, dann die Ersatzmaßnahmen. Bei Stuttgart 21 gibt es – jetzt schon sichtbar durch die Verlegung der Bahnsteige hinter die Baugrube – zehn Jahre lang erhebliche Beschwernisse für die Fahrgäste.
14.58 Das entfällt bei unserem Konzept, das ist überhaupt nicht nötig. Frankfurt wird gerade modernisiert. Da hat man den Fahrgästen nicht über zehn Jahre hinweg lange Fußwege über Baugruben zumuten müssen. Unsere Antwort also: Wenn das extrem negative Folgen sind, dann ist Ihr Projekt in den Folgen für die Bürgerinnen und Bürger doppelt extrem negativ. Wir halten das für weitaus leichter zu vermitteln und zu beherrschen als die Maßnahmen, die Sie im Stuttgarter Talkessel durchführen wollen. Es müsste eigentlich jedem einleuchten, dass die Sanierung und Erweiterung im Gleisfeld weniger Probleme für die Bürgerinnen und Bürger bringt als ein Komplettabriss und ein kompletter Neubau.
(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 6: Frage 4)
Frage 4: Welche Kostenschätzung gibt es für die einzelnen zur Verwirklichung des vorgestellten Gesamtkonzepts K 21 erforderlichen Einzelbausteine? Wie detailliert und mit welchem Preis und Planungsstand wurden die Kosten der jeweiligen Einzelbausteine ermittelt? Jetzt weiß ich nicht, wer solche Fragen an uns richtet. Wir beantworten alles, aber Sie wissen ziemlich genau: Die Antwort muss eigentlich die Bahn wissen. Denn eigentlich wäre es Ihre Pflicht gewesen,
14.59 ein vernünftiges Kopfbahnhofkonzept so weit zu prüfen, dass Sie sich die Fragen selbst beantworten könnten. Wir wollen aber nicht so sein. Wenn Sie das alles nicht wissen, wenn Sie keine Ahnung haben, was die Alternative kosten könnte, dann können wir Ihnen eine Daumenschätzung geben. Wir haben 13 km Tunnelstrecken in unserem Konzept, Sie 33 km. Das ist ein Verhältnis von knapp 1:3. Und da die Tunnel das Teuerste sind – das wird niemand bestreiten –, behaupten wir, dass die Sanierung eines bestehenden Kopfbahnhofs ist nicht so teuer wie der Komplettabriss und ein Neubau quer zum Talkessel. Das kann nicht gleich teuer sein. Unsere Aussage ist – genauer können wir es mit unseren Planungsmitteln nicht leisten, auch Ihre Kostenschätzungen sind im Laufe der Jahre
[S. 120 Schl-Stgt 27. November 2010
immer anders geworden –als: die Hälfte bis ein Drittel der Kosten von Stuttgart 21. In dem Bereich bewegt sich nach unserer Überzeugung der Gesamtausbau des Kopfbahnhofs 21. Andere Auffassungen bitten wir zu belegen. Das ist für uns eine plausible Berechnung. Wir bauen auch nicht weitere neue Bahnhöfe in dem Umfang, 15.00 wie Sie sie benötigen. Wir haben weniger Kosten zu tragen. Ich erinnere nur an den Flughafenbahnhof, der bei uns nicht in dieser Weise neu gebaut werden muss.

Ende PHOENIX-Video: Schlichtung 8.6
http://bibliothek.phoenix.de/videobeitrag,584,33.html

Fortsetzung PHOENIX-Video: Schlichtung 8.7
http://bibliothek.phoenix.de/videobeitrag,585,33.html

(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 7: Frage 5)
Frage 5: Mit welcher Strategie soll die Finanzierung der Infrastrukturmaßnahmen bei K 21 sichergestellt werden?
Ich könnte jetzt sagen: mit der gleichen Strategie, mit der man die Finanzierung von Stuttgart 21 sichergestellt hat. (Beifall von den Projektgegnern) Wenn man was will, kriegt man das Geld auch zusammen. Man sieht ja: Das Land hat jedes Mal nachgelegt, wenn die Bahn gesagt hat: Wir wollen es aber nicht bauen. Dann kommt schnell ein Zuschuss vom Flughafen von 112 Millionen €, damit die Bahn weitermacht. Und komischerweise taucht der später bei den Kosten des Projekts nie mehr auf. Das haben wir gestern gesehen. Das wird einfach nicht als Kostenpunkt ermittelt. Er taucht gar nicht auf. Bei den Ausstiegskosten taucht er erstmals auf. Nur dadurch sind wir wieder darauf gekommen. Aber ich will nicht so sein, sondern Ihnen sagen, wie wir es genau machen.
Die Antwort „so wie Sie“, ist uns zu billig. Wie machen wir das genau? – Wir nehmen die bislang eingesparten Bestandsmittel für die Sanierung. Beispiel Frankfurt.
15.01 In Frankfurt war die Diskussion: Machen wir das wie in Stuttgart – Kopfbahnhof abreißen, Tunnelbahnhof oder nicht? Und dann hat man irgendwann entschieden, dass nicht. Dann hat selbstverständlich – (das brauche ich jetzt alles nicht) – die Bahn gesagt: Gut, wenn es keinen Tunnelbahnhofprojekt gibt, können wir uns nicht leisten, einen der wichtigsten Bahnhöfe in Deutschland weiter verrotten zu lassen. Und infolgedessen wird da jetzt kräftig investiert – aus Bestandsmitteln der Bahn. Es bleibt Ihnen nämlich nichts anders übrig. (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Herr Palmer, ich habe schon einmal Stellung dazu genommen. Es stimmt nicht mit Frankfurt, so wie Sie es darstellen.)
Boris Palmer (Projektgegner): Was immer da jetzt nicht stimmt: Investieren Sie dort? (Zurufe)
[S. 121 Schl-Stgt 27. November 2010
Ich war gerade dort, da ist eine Baustelle. Sie können doch nicht sagen, dass Sie da nicht investieren.
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Aber nicht für die Ausweitung der Kapazität!
Boris Palmer (Projektgegner): Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt, dass dort Bestandsmittel eingesetzt werden. Eigentlich wollte man den Bahnhof abreißen, das macht man jetzt nicht, also wird er erneuert. Es bleibt Ihnen nichts anderes übrig, Sie wollen ja Eisenbahnverkehr machen. Und genauso wird es in Stuttgart auch sein. Wenn die Politik dieses Projekt absagt, werden Sie Stuttgart nicht schließen,
15.02 sondern Sie werden erneuern. Wir wissen auch, was das kostet, bis in zehn Jahren alles modernisiert ist. Es standen einmal 320 Millionen € im Bundestagsbericht. Jetzt sagen Sie 480 Millionen € mit einem neuen Bahnhof – sei es drum. In dem Rahmen bewegt es sich. Das werden Sie tun, weil Sie Stuttgart nicht schließen können.

Dann werden wir selbstverständlich den Bundeszuschuss bekommen, der nie für Stuttgart 21 gewidmet wurde, sondern immer nur für die Frage, wie ein ICE von Mannheim nach Ulm kommt. Dazu hat der Bund gesagt, dass es einen Fixkosten-Zuschuss gibt: Ihr könnt Euch in Stuttgart aussuchen, was ihr mit dem Geld macht, baut Tunnel, was ihr wollt. Aber es gab nie eine Bindung dieser Mittel an eine Bahnhofslösung. Dieses Geld nehmen wir selbstverständlich auch. Der Bund muss an seiner Zusage, dass er den Knoten Stuttgart lösen will und dafür einen Fixbetrag zur Verfügung stellt, selbstverständlich festhalten.

Das halten wir für ein Gebot der Ehrlichkeit gegenüber Baden- Württemberg. Es kann nicht sein, dass die Zusage des Bundes „Wir knüpfen es nicht an Bedingungen“, aufgekündigt wird. Dann nehmen wir die Schienenmittel des Landes. Da gibt es einen komplizierten Begriff.
15.03 Das ist jetzt egal. Sie wissen, was damit gemeint ist. Das heißt, Mittel, die das Land für den Schienenausbau für Stuttgart 21 zur Verfügung stellt, wird unser Land selbstverständlich auch für den Ausbau des Kopfbahnhofs zur Verfügung stellen. Es sind ja keine Ideologen. Wenn der Tunnelbahnhof nicht kommt, wird man den bestehenden Bahnhof modernisieren und dafür das gleiche Geld einsetzen. Dann haben wir ja nur die Hälfte zu finanzieren. Sagen wir einmal, nur die Hälfte. Wir glauben, es ist nur ein Drittel, aber wenn es nur die Hälfte der Kosten ist, dann müssen wir einen Großteil der Kosten gar nicht erst bezahlen. Und infolgedessen steht die Finanzierung für dieses Konzept zur Verfügung. Außerdem kann man abschnittsweise bauen. Das heißt, es muss nicht jedes Jahr alles zur Verfügung stehen, sondern es kann nach und nach gemacht werden. Wir wüssten nicht, welche Schwierigkeiten die Finanzierung der Modernisierung des bestehenden Bahnhofs stellen sollte, die schwieriger sind als die für Ihr Alles-oder-nichts-Projekt, wo nur, wenn die Gesamtsumme finanziert ist, jemals ein Zug fahren kann. Bei Kopfbahnhof 21 kann man auch mal ein Haushaltsjahr mit schlechten Steuereinnahmen gut überstehen. Nächste Folie:

(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 8: Frage 6)
[S. 122 27. November 2010
15.04 Frage 6: Wie soll das (gegenüber dem Angebotskonzept 2020 nochmals erheblich gesteigerte) Mehrangebot im Regionalverkehr bei K 21 finanziert werden?
Die Frage muss ich erklären. Das heißt, was Sie uns als Fahrplan heute Morgen gezeigt haben, nennen Sie Angebotskonzept 2020. Bei uns gibt es nochmals ein „erheblich gesteigerte[s]“ – das heißt, die Aussage ist, Sie attestieren uns, dass wir deutlich mehr Züge in unserem Konzept fahren als Sie – „Mehrangebot im Regionalverkehr“. In der Tat: Wir wollen, dass es möglich ist, dass im Regionalverkehr noch sehr viel mehr Züge fahren, weil ich weiß, dass auf der B 27 jeden Morgen Staus sind und es deswegen nicht sein kann, dass im Berufsverkehr kein Bedarf für zusätzliche Züge besteht. Herr Bauer, das halte ich einfach nicht für zutreffend. Wir haben gerade im Berufsverkehr den größten Bedarf. Und deswegen wollen wir dafür Reserven in den Gleisen haben. Wie wird das finanziert? –
Unsere Antwort: genau wie bei S 21. Die Frau Ministerin hat gesagt, Sie schreiben aus, und dann senkt der Herr Kefer seine Preise soweit, dass das alles bezahlt werden kann. Das glauben wir jetzt einfach. (Dr. Werner Weigand: Das ist einfach so!) – Wenn das so ist, ist das doch gut, dann ist unser Angebot auch finanziert.
15.05 Zweitens ist eine Angebotsplanung. Das heißt, wir sagen hier, was möglich ist. Nicht jeder einzelne Zug muss bestellt werden. Drittens – viel wichtiger – würden wir nicht vorschlagen, den ganzen Tag gleich viele Züge fahren zu lassen, sondern wir sagen, mittags um elf reicht es auch, wenn statt der 52 Züge aus dem Berufsverkehr 20 oder 25 fahren. Das heißt, durch Anpassung der Zugzahl an die Nachfrage, die tatsächlich existiert, ist es gar nicht mehr als bei Ihnen. Wir kommen mit der gleichen Zugkilometerzahl auf ein Angebot, das sich der Nachfrage anpasst – morgens und abends im Berufsverkehr wesentlich mehr und dann eben abends und mittags deutlich weniger. Deswegen ist es nicht teurer. Und der letzte Punkt: Wir bauen nicht die teure Infrastruktur. Diese ganzen Tunnelstrecken kosten Geld, und dann werden die Trassenpreise entsprechend teurer. Das bauen wir alles gar nicht. Deswegen ist bei uns d
er Kostenanteil, den jeder Zug für das Benutzen der Gleise zahlen muss, billiger, und infolgedessen hat das Land auch mehr Geld übrig, um mehr Züge zu bestellen. Wir sind dankbar für diese Frage und machen weiter mit der Frage 7.

(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 9: Frage 7)
15.06
Frage 7: Wie sollen die verlängerten Fahrzeiten des Fern- und Regionalverkehrs durch die vorgeschlagenen Linienführungen ausgeglichen werden?
Da ist unsere Antwort die Folie von vorher. Das ist gar nicht nötig, weil im Schnitt die Reisezeiten kürzer sind und nicht länger. Es gibt nur einige wenige Ausnahmen, das sind die Züge aus Ulm – ganz überwiegend – und Züge aus Tübingen, wenn sie über den Flughafen nach Stuttgart fahren. Da ist es länger als bei Ihnen. In diesen Fällen, wo das vorkommt, dass unsere Züge länger brauchen als in Ihrem Fahrplan, gibt es immer eine Alternative mit einem Zug, der wesentlich schneller ist. Unsere Antwort
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lautet in diesen Fällen: Wer schnell sein will, nimmt halt den schnellen Zug. Das halten wir nicht für einen Grund, den Bahnhof abzureißen.

(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 10: Frage 8)

Frage 8: Strebt das Aktionsbündnis die möglichst schnelle Realisierung der NBS Wendlingen–Ulm an?
Antwort: Ja, wenn die Kosten und der Nutzen stimmen. Das wissen wir nicht. Wir zweifeln an Ihren Kostenberechnungen. Das hatten wir gestern. Das müssen wir nicht mehr ausführen. Aber wenn das Ganze tatsächlich wirtschaftlich ist, wenn es zu vernünftigen Kosten zu haben ist, ist bei der Neubaustrecke unzweifelhaft:
15.07 Sie nützt dem Schienenverkehr. Da können mehr Züge fahren, man kann schneller fahren. Dagegen hat niemand etwas. (Bernhard Bauer [Projektbefürworter]: Sind die 2,89 Milliarden € vernünftige Kosten?) – Lassen Sie uns darüber nicht streiten. Aus unserer Sicht ist das ein hypothetischer Wert. Der ist politisch. Ich würde jetzt ungern damit wieder anfangen. Wenn die Ingenieure sagen, es kostet – – (Bernhard Bauer [Projektbefürworter]: Sind es vernünftige Kosten oder nicht?) – Meiner Auffassung nach nicht. Wenn da ein Nutzen von 0,92 herauskommt – also unter 1 ohne Güterzüge –, ist das nicht vernünftig. (Bernhard Bauer [Projektbefürworter]: Das kommt ja nicht raus. Der Wert ist 1,5!) – Herr Bauer, ich hätte es ungern, wenn wir das alles von gestern wiederholen. Das bringt nichts. Ich bin der Auffassung, dass die Neubaustrecke einen Nutzen hat, aber die Frage ist, ob er die Kosten rechtfertigt. Deswegen unsere Antwort: Wenn es passt, gern. Wir haben nichts gegen die Neubaustrecke an sich. Der Unterschied der Neubaustrecke zu Stuttgart 21 ist: Bei Stuttgart 21 gab es Demonstrationen mit 100.000 Teilnehmern, bei der Neubaustrecke ist Gleiches nicht bekannt. Und bei der Neubaustrecke gibt es Platz für mehr Züge.
15.08 Bei Stuttgart 21 ist es Platz für weniger Züge als heute. Das ist ein Riesen-Unterschied. Deswegen ist der Streit über die Neubaustrecke für uns nicht entscheidend. Entscheidend ist, dass der Kopfbahnhof 21 – und wir haben für beides Betriebskonzepte vorgelegt, die haben Sie auch beide gesehen – sowohl mit als auch ohne Neubaustrecke funktioniert. Insoweit ist die Frage nach der Neubaustrecke zweitrangig.
[S. 124 Schl-Stgt 27. November 2010
Johannes Bräuchle (Projektbefürworter): Aber Ihre Tübinger Bürger haben das abgelehnt.
Boris Palmer (Projektgegner): Wer sind die Tübinger Bürger, Herr Bräuchle?
Johannes Bräuchle (Projektbefürworter): Ja. In der repräsentativen Demokratie ist der Gemeinderat das Sprachrohr des Bürgers.
Boris Palmer (Projektgegner): Aber dann sollten Sie schon dazu sagen, dass der Gemeinderat mit 22 zu 16 abgestimmt hat. Und drei haben sich enthalten, weil sie gesagt haben, so eine blödsinnige Abstimmung machen wir nicht mit. Das jetzt als Votum der Tübinger Bürger in die Schlichtung einzubringen, finde ich ein bisschen gewagt. (Peter Conradi [Projektgegner]: So ist er halt!) Gut, aber lassen wir doch die Tübinger Bürger denken, was sie wollen. Denen will ich nämlich nicht vorschreiben, ob die für oder gegen Stuttgart 21 zu sein haben. Das dürfen die alle selbst entscheiden.
15.09 Machen wir die Fragen noch.

(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 11: Frage 9)

Frage 9: Welche Kosten der erforderlichen Einzelbausteine aus dem Gesamtkonzept K 21 sind zur Einbindung der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm in dem Knoten Stuttgart erforderlich und daher dem Fernverkehr zuzuordnen?
Da ist unsere Antwort: Das kann man bei Stuttgart 21 auch nicht sagen, denn der Bund gibt den Fix-Zuschuss, egal was Sie tun. Deswegen ist es völlig unerheblich. Das müssen wir nicht berechnen. Das können Sie auch bei Stuttgart 21 nicht. Das weiß keiner, ob jetzt der Fildertunnel zu 80 % Fernbahnhof ist oder zu 70 %. Ist auch nicht nötig, weil der Bund ja sagt: Macht, was ihr wollt, wir geben euch das Geld. Das soll er bitte schön für den Kopfbahnhof auch tun.

(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 12: Frage 10)

Frage 10: Mit welchen Mehrkosten wird durch den laut Fahrplankonzept erforderlichen Einsatz von 200 km/h schnellen Nahverkehrsfahrzeugen auf der Neubaustrecke gerechnet?
Da sagen wir: Das kann man wirklich vernachlässigen. Solange Sie noch nicht wissen, ob Sie alle S-Bahnen zusätzlich mit dem neuen ETCS-Steuerungssystem ausrüsten –
15.10 und das sind wirklich Kosten –, müssen wir Ihnen nicht sagen, was diese paar zusätzlichen Züge an Betriebskosten verursachen. Da sind wir jetzt wirklich im Bereich von Petitessen. Das hat keinerlei Auswirkungen auf die Entscheidung, welchen Bahnhof man baut.
[S. 125 Schl-Stgt 27. November 2010
(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 13: Frage 11)

Und zu
Frage 11 zum Schluss: Wie soll im Falle der Nicht-Realisierung oder der späteren Realisierung der Neubaustrecke der gesamte Verkehr in Richtung Ulm auf einer zweigleisigen Filstaltrasse abgewickelt werden?
Hauptantwort ist: Das können Sie sehen, wenn Sie den von uns vorgelegten Fahrplan für diesen Fall studieren. Wir haben das in einen Fahrplan übersetzt. Das geht. Es sind keine Ausbauten mit Eingriffen in den Siedlungsbereich erforderlich. Das ist das, was Sie immer sagen: Wenn ihr das macht, muss man im Filstal halb Göppingen abreißen und Ebersbach und Uhingen noch mit. – Unsere klare Aussage ist: Wir haben einen Fahrplan vorgelegt, wo das alles nicht nötig ist und wo der Ausbau in Bereichen abseits der Siedlungen stattfindet, zum Beispiel im Albaufstieg. Da ist eine Möglichkeit für einen Tunnel als Alternative zur Neubaustrecke vorhanden,
15.11 aber es gibt keine Eingriffe in Siedlungsbereiche. Das wäre die Möglichkeit, wenn die Neubaustrecke nicht kommt – wie gesagt, wir sind da offen –, den Kopfbahnhof zu benutzen und trotzdem in einer Dreiviertelstunde nach Ulm zu fahren, das heißt, in einer mittleren Fahrzeit – eine Viertelstunde schneller als heute, aber auch eine Viertelstunde langsamer als mit einer Neubaustrecke. Dazu haben wir Ihnen ebenfalls einen Fahrplan vorgelegt. Das geht. Wir haben von Ihnen keine gegenteiligen Einwendungen bekommen. Jetzt hoffe ich, dass ich die wichtigsten Fragen beantworten konnte. Jedenfalls gehe ich davon aus, dass die Fragen, die Sie uns schriftlich übermitteln, auch die wichtigsten Fragen gewesen sind, die Sie an unser Konzept haben. – Vielen Dank. (Beifall von den Projektgegnern)
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Herr Palmer, bitte bleiben Sie da, und kehren Sie jetzt bitte wieder zu Ihrer ersten Folie zurück.
Boris Palmer (Projektgegner): Das kann ich nicht, das muss jemand machen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Wer macht das? Jetzt machen wir keine langen Reden. Die kommen schon noch. Ihr kommt ja gleich dran. Ich will jetzt die Fragen durchgehen.
15.12. Ja Entschuldigung. (Zurufe)

Das sind doch die Fragen, die Sie [die Projektbefürworter] gestellt haben. Da müssen Sie doch sagen, ob die Antwort ausreichend ist oder nicht. So machen wir jetzt Fakten-Check.

(Präsentation: Antworten zu K21 – Folie 3: Frage 1)
[S. 126 Schl-Stgt 27. November 2010
Also Frage 1: Was heißt „trassenscharfe Planung“? Was heißt das?
Boris Palmer (Projektgegner): Ich habe versucht, das zu erklären. Das sind ja nur Stichworte hier.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Nein, haben Sie nicht.
Boris Palmer (Projektgegner): Doch, ich habe es versucht. Es ist vielleicht nicht gelungen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das ist mit Sicherheit richtig.
Boris Palmer (Projektgegner): Ich sage es gern noch einmal. Wir haben bei den Zügen den Start- und den Endpunkt – also diese langen Fahrten von Heidelberg nach Tübingen – genommen und auf der ganzen Strecke untersucht, ob der Zug dort fahren kann, ob ihm ein anderer Zug in die Quere kommt, wie groß der Abstand zum Zug davor und zum Zug danach ist, ob der Zug also diese Strecke benutzen kann. Daraus haben wir den Bildfahrplan im Stuttgarter Hauptbahnhof gemacht. Das nennt man „trassenscharfe Planung“. Auf der ganzen Strecke ist definiert, wo der Zug zu welchem Zeitpunkt ist.
15.13 Damit kann man ausschließen, dass man einen Fahrplan vorlegt, bei dem dauernd Züge aufeinander draufrauschen. Das darf man natürlich nicht tun.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Okay, haben Sie da Fragen?
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Herr Palmer, ich will gut und gern glauben, dass Sie das mit größter Sorgfalt und bestens gemacht haben. Aber „trassenscharf“ heißt: unter Berücksichtigung aller dort verkehrenden Züge. Und wenn ich nur an die Strecke von Heidelberg denke runter Richtung Bietigheim oder wohin auch immer – da fahren ja auch noch andere Züge, die nicht in den Kursbüchern stehen. Frage: Welche Grundlage haben Sie gehabt? – Ich will das jetzt nur verstehen.
Boris Palmer (Projektgegner): Das kann ich gern sagen. Wir gehen natürlich von dem Fahrplanangebot des Taktfahrplans aus. All diese Züge können dann gefahren werden. Wenn Sie jetzt sagen, dass da eine Güterzugtrasse ist, die Sie auch brauchen, (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Zum Beispiel, ja!) das haben wir natürlich nicht gefragt. (Ingulf Leuschel [Projektbefürworter]: Okay!)
[S. 127 Schl-Stgt 27. November 2010
Entschuldigung, wir haben nicht gefragt, zu welcher Uhrzeit Güterzüge fahren müssen,
15.14 sondern wir sind uns sicher, dass uns da noch genügend Platz bleibt, weil Güterzüge die Eigenschaft haben, dass man sie 3 Minuten an die Seite stellen kann, wenn sie im Weg sind. Da bleibt noch genügend Platz für Güterzüge. Wenn Ihre Frage lautet, ob wir auch noch die Güterzüge durchgeplant haben, dann müssen wir antworten, dass wir das natürlich nicht leisten konnten.
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Okay, ich hatte nur für mein Verständnis nachgefragt. Für uns heißt „trassenscharf“: unter Berücksichtigung aller Parameter. Das war nur eine Verständnisfrage.
Boris Palmer (Projektgegner): Okay.
Ingulf Leuschel (Projektbefürworter): Ich bin gern bereit, Ihnen zuzugestehen, dass Sie das mit größter Sorgfalt und Umsicht gemacht haben, aber „trassenscharf“ heißt von der Begrifflichkeit etwas anderes. Da muss ich ein wenig einschränken.
Boris Palmer (Projektgegner): Wenn der Begriff unscharf verwendet ist, dann bitte ich da um Verzeihung. Ich glaube, wir haben deutlich gemacht, wie es geht. Der Herr Hilger hat es tatsächlich gemacht. Ich referiere hier nur. Darf Herr Hilger erläutern, wie er vorgegangen ist, Herr Dr. Geißler?
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Nein, das brauchen wir nicht.
Martin Hilger: Ich möchte nur einen Satz dazu sagen. SMA hat mit Sicherheit diese Güterzüge auch nicht mit einbezogen in diese Grundlagen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Sie haben nicht das Wort.
15.15 Wir brauchen jetzt für die Schlichtung wirklich keine Debatte über den Begriff „trassenscharf“ oder „rassenscharf“. Das brauchen wir wirklich nicht. (Zuruf) Frage 2.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Herr Geißler, noch eine kurze Anmerkung: Aus der Antwort gehen eventuelle Engstellen des Systems nicht hervor. Das ist ganz klar so. Das, was wir immer diskutiert haben, bei unserem Fahrplankonzept – die Blitze und die Schnecken –, das kriegen Sie so, wie Sie es gemacht haben, nicht richtig.
Boris Palmer (Projektgegner): Doch.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Also noch einmal zurück zu Frage 1.
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Boris Palmer (Projektgegner): Wie es genau gemacht wurde, sollen bitte die erklären, die es getan haben.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Wer hat es getan?
Boris Palmer (Projektgegner): Hilger und Hickmann.
Martin Hilger: Mir ist jetzt nicht ganz klar, wo Sie da konkret solche Blitze und Schnecken sehen – weitgehend auf der bestehenden Infrastruktur. Wir haben Ihnen ja in den Unterlagen mitgeteilt, wo wir noch Nachrüstungsbedarf sehen. Dermaßen Engpässe neu hinzuzubauen, wie Sie das en masse geplant haben –
15.16 mit den bekannten Engstellen, die brauchen wir hier nicht mehr aufzuzählen –, das haben wir nicht gemacht, weil wir in dem Maße nicht zugebaut haben.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Herr Hilger, sehen Sie, das ist genau das Problem mit den Unterlagen, die wir von Ihnen bekommen haben, weil nämlich jedes Mal, wenn wir eine Unterlage von Ihnen bekommen, die Infrastruktur wieder anders aussieht. Sie erweitern die nämlich kontinuierlich, je nachdem, was Sie gerade für einen Fahrplan haben. (Hannes Rockenbauch [Projektgegner]: Das ist doch bei Ihnen genauso!) Und dann erklären Sie uns am Ende des Tages, es seien keine weiteren Ausbauten erforderlich, und unterschlagen bei der Geschichte, dass Sie vorher bereits weitere Ausbauten inkludiert, also eingeschlossen haben. Deswegen haben wir auch die Frage gestellt, was kostet das Ganze denn? Herr Palmer, auch die Antwort halte ich für absolut unbefriedigend. Sie sagen, es könnte ein Drittel oder die Hälfte sein. Wir haben da eine völlig andere Meinung. Und dann sagen Sie, wir sollen das Ganze kalkulieren. Herr Palme
r, das haben wir getan. Aber Sie akzeptieren das Ergebnis nicht. Und dann sagen wir: Da hätten wir gern von Ihnen gewusst, was es sein soll. Ich weiß jedenfalls das Eine:
15.17 Da haben wir jetzt gerade Rauchbomben und Nebelkerzen neu definiert.
Gerd Hickmann: Das können wir so nicht akzeptieren, Herr Kefer, (Dr. Volker Kefer [Projektbefürworter]: Das glaube ich!) weil wir Ihnen vor genau drei Wochen das Fahrplankonzept überreicht und ausdrücklich gesagt haben: Das ist es jetzt, worüber wir diskutieren möchten. In diesem Konzept ist auch abschließend beschrieben, welche Infrastrukturausbauten dazugehören. Neben dem, was Herr Palmer hier im Groben an die Wand geworfen hat, sind das nur ganz wenige Punkte. Das ist nämlich das fünfte Gleis nach Zuffenhausen, es ist ein Gleiswechselbetrieb zwischen Stuttgart Hauptbahnhof und Stuttgart-West mit einer Überleitstelle in Stuttgart-West, und es ist ein drittes Gleis auf 4 oder 5 km öst-
[S. 129 Schl-Stgt 27. November 2010
lich von Waiblingen in Richtung Schorndorf, um die Trassenkonflikte mit der S-Bahn,
15.18 die auch Sie haben, zu vermeiden. Das ist es. (Zuruf: Da hat sich nie was geändert!) Wenn Sie der Meinung sind, das vorgelegte Fahrplankonzept erfordert weitere Infrastrukturausbauten, dann würden wir Sie bitten, die konkret zu benennen.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): In die Diskussion, Herr Hickmann, steigen wir gern ein. Dann würden wir gern auch nochmal in die Diskussion einsteigen, was die Kosten für das Konzept sind. Aber so lasse ich das nicht stehen, weil das – mit der Aussage: „ein Drittel bis die Hälfte der Kosten“, in Verbindung mit den Maßnahmen, die Sie hier vorsehen – schlichtweg falsch ist. Und ich will Ihnen gern zugestehen, Herr Palmer, dass Ihre Infrastruktur ausreichend ist. Klar, weil Sie nämlich so viel dazubauen, bis es ausreichend ist, und dann erklären, die Kosten bleiben bei einem Drittel. Ne, ne, ne, so geht es nicht. (Zuruf) Und das Stufenkonzept, das Sie vorstellen, funktioniert auch nicht. Und ich sage Ihnen auch, warum:
15.19 Nach unserer Schätzung kostet das, was Sie hier machen, mindestens 2,5 Milliarden € inklusive der Ersatzinvestitionen – wenn nicht mehr. Ihnen stehen keine Grundstücke zur Finanzierung zur Verfügung. Und Sie müssen die Abbruchkosten bezahlen. Das heißt, Sie haben denselben Betrag zu finanzieren wie wir. Das haben wir an anderer Stelle gezeigt. Und mit demselben zu finanzierenden Betrag haben Sie ohne die Schnellfahrstrecke praktisch keine verkehrliche Wirkung, weil Ihnen die Fahrzeitverkürzungen fehlen. Dann würde ich gerne mal wissen, wie Sie denn zusätzliche Einnahmen generieren wollen, um den Kapitalaufwand tatsächlich zu rechtfertigen. Keiner wird Ihnen das finanzieren. Das finanziert Ihnen keiner, weder das Land noch sonst irgendjemand.
Boris Palmer (Projektgegner): Herr Kefer, das will ich gerne beantworten. Wenn wir uns zunächst einmal darauf verständigen, dass die Aussage, die Sie gerade gemacht haben, war: Wir haben die Infrastruktur so lange erweitert, bis sie auf unseren Fahrplan gepasst hat. Das ist genau das, was wir sagen. Das ist das Schweizer Modell. Wir haben gesagt: wir haben einen Fahrplan, den wollen wir fahren.
15.20 Dann haben wir geguckt, wo es Konflikte gibt. Dann bauen wir zusätzlich zwei Kilometer Gleis.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Genau, völlig egal, was es kostet, nicht wahr?
Boris Palmer (Projektgegner): Sekunde! Zunächst einmal ist nur das Vorgehen beschrieben. Das haben Sie korrekt wiedergegeben. So haben wir es gemacht –
[S. 130 Schl-Stgt 27. November 2010
Schweizer Modell. Das, was dabei entsteht, sind drei kleine Abschnitte mit einer Gesamtlänge von – ich schätze – 7 oder 8 km höchstens. Mehr ist es nicht. (Zuruf: 10!) – 10? – Also gut, 10 km Gleis, das Meiste davon – ich kenne mich gut aus in der Region – neben bestehendem Bahnkörper. Das kann man kalkulieren, wie wir das heute Morgen gehört haben – da geht es um ein Gleis zusätzlich, nicht um zwei Gleise. Da liegen 10 km eingleisige Strecke im Bereich von 100 Millionen €. Das will ich Ihnen konzedieren. Vielleicht kostet es 150 Millionen €. So etwas um den Dreh kostet das, was wir Ihnen vorher genannt haben, zusätzlich – außerhalb des Kernbereichs des Kopfbahnhofs. Okay, das finde ich aber nicht schlimm, denn das, was Sie gerade gesagt haben, ist in etwa auch unsere Schätzung.
15.21 2,5 Milliarden € halten wir für die absolute Obergrenze der Kosten aller Maßnahmen, die wir vorschlagen. Das haben Sie gerade selbst gesagt: 2,5 Milliarden €.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Ich habe gerade gesagt: mindestens 2,5 Milliarden €.
Boris Palmer (Projektgegner): Na gut. Dann sind wir nur noch so weit auseinander: Sie sagen „mindestens“, wir sagen „höchstens“. Wir behaupten, dass es runter geht. Aber sei es drum! Da sind ja auch schon alle Ersatzinvestitionen – das haben Sie gerade gesagt: inklusive Ersatzinvestitionen – im Bahnhof drin. Das heißt, da ist alles fertig, und dann kostet es 2,5 Milliarden € aufwärts. Das sagen Sie. Ich nehme das jetzt einmal: 2,5 Milliarden € aufwärts. Dann haben wir doch aber gestern erfahren, wenn Ihre Ingenieure benennen, was Stuttgart 21 kostet, nicht die Politiker, die das nachher herunterrechnen, dann kostet es 5,2 Milliarden €. Da sehen Sie: Die Aussage stimmt exakt. Wenn man nicht vorher schon so viel getan hätte, um den Ausstieg unmöglich zu machen – Sie behaupten es zwar, aber Sie werden nachher nicht gegen das Land und den Bund klagen, das macht die Bahn nicht –, würde unsere Aussage bei der alternativen Abwägung exakt stimmen: Unser Konzept ist nur halb so teuer wie Ihres. Genau das sind die Zahlen, die vorliegen.
15.22 Jetzt kommen Sie bitte nicht mit den Abbruchkosten, zu denen wir uns heute Morgen geeinigt haben, dass selbst nach Ansicht der Wirtschaftsprüfer 1 bis 1,5 Milliarden € der Korridor sind. Wenn Sie die drauflegen – und mehr dürfen Sie schon nach Ihren Wirtschaftsprüfern nicht; ich sage: 600 Millionen € – haben Sie immer noch mindestens 1 Milliarde € gegenüber Stuttgart 21 eingespart.

Jetzt gibt es Leute, die sagen, 1 Milliarde € sei kein Geld. Ich sage: Wenn ich für die Milliarde nachher so einen schlechten Bahnhof bekomme, wenn ich 1 Milliarde € trotz Abbruch und Grundstücken und allem Drum und Dran mehr bezahlen muss, um dann diesen Fahrplan zu kriegen, den Sie uns heute Morgen gezeigt haben und zu der Sie mich als Ingenieur einstellen wollten, bin ich wirklich der Meinung: Sparen wir uns die 1 Milliarde € Mehrkosten und machen den Kopfbahnhof.

[S. 130 Schl-Stgt 27. November 2010
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Also Herr Palmer, das war jetzt gerade Politik und Behauptungen.
Boris Palmer (Projektgegner): So wie Sie auch, die gleiche Ebene.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Nein, dargestellt davon haben Sie nichts. Ich sage kurz eins dazu, weil wir jetzt beliebig und stundenlang so weitermachen können. Aber hier haben wir eine komplett andere Meinung. Und ich bin absolut der Überzeugung:
15.23 Wenn wir dort ins Detail gehen, werden Sie mit diesen Behauptungen Schiffbruch erleiden. (Zuruf: Machen Sie es doch!)
Boris Palmer (Projektgegner): Sie haben viele Wochen Vorbereitungszeit gehabt, Sie haben die Fragen geschickt. Wir haben sie Ihnen beantwortet. Eigentlich ging es gerade nicht um Kosten, sondern es ging um unsere Infrastruktur.

Sie haben keine Kritik geäußert, Sie haben keinen Fahrplankonflikt identifiziert. Das könnten Sie ja. Sie haben die Fahrpläne. Wenn Sie etwas hätten, würden Sie es uns sagen. Sie haben nichts gefunden. Also geht es. Und die Ausbauten haben wir definiert. Über das Geld müssen wir jetzt nicht reden.

Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Herr Palmer, auch das sind Behauptungen.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Da kommen wir noch dazu. Jetzt kommt Herr Rockenbauch und dann Herr Bauer.
Hannes Rockenbauch (Projektgegner): Ich möchte nur etwas sagen, damit nicht wieder das Gleiche passiert, was schon öfter vonseiten der Bahn gemacht wurde: Herr Kefer, Sie haben gerade wirklich einfach nur pauschal – ohne irgendetwas zu hinterlegen – Behauptungen in den Raum gestellt und dabei völlig Ihre Rolle vergessen. Wenn Sie hier erlebt haben, wozu wir in der Lage sind – ohne 16 Jahre Planungszeit und ohne Planungsbudget von Millionen, Herr Leuschel,
15.24 ohne dass Sie uns die Infrastrukturdaten herausgerückt hatten, die wir angefordert haben –, und sich jetzt hier darauf zurückziehen und sagen: „Ätschigäbel, Ihr könnt es gar nicht!“, weil Sie es uns nicht gegeben haben, und dann aber trotzdem so schwach argumentieren müssen wie Sie jetzt, dass Sie sagen, das ginge alles nicht, das glauben wir nicht, ist das wirklich arm. Wir haben das in kurzer Zeit hier mit unseren Fachleuten hinbekommen. Dass wir das hinkriegen, das zeigt, wie robust das Ganze ist. Und wir haben genug Puffer, das hat man gesehen. Herr Leuschel hat heute Morgen versucht, in seinem Bahnhof irgendwo noch kleine Flecken zu finden, wo etwas frei ist. Das ist fast unmöglich. Bei unserem Konzept müssen Sie sich mal die weißen Stellen ansehen, wieviel Puffer da wirklich noch drin ist. Es ist wirklich ein robustes System, weil wir es sogar in der Zeit hinbekommen konnten, das so verlässlich nachzuplanen. Aber grundsätzlich, wenn wir über Augenhöhe reden, fordere ich auch ein, dass Sie endlich von Ihrer Geheimhaltungspolitik herunterkommen und wirklich alle Fakten auf
[S. 132 Schl-Stgt 27. November 2010
den Tisch legen.
15.25 Das haben Sie zum wiederholten Male auch bei den Infrastrukturdaten – der Voraussetzung – nicht getan. Wenn Sie noch irgendwo Züge haben, oder noch irgendwelche Signale, ist das bei Ihnen Geheimsache. Legen Sie das auf den Tisch, geben Sie uns 250 Millionen € Planungsgeld, wie Sie es verbraten haben, dann machen wir den Job gern für Sie. Der Chefplaner ist schon da.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das war wieder eine der Reden, die gehalten werden mussten, aber wir sind jetzt ja bei Ihnen. Die Frage richtet sich ja an die Projektgegner.
Boris Palmer (Projektgegner): Ich glaube, wir haben auch geantwortet.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Die Frage, die in der Tat finanziell relevant ist, ist ja die, ob keine weiteren Ausbauten erforderlich sind. Und da ist der Herr Kefer zu dem Ergebnis gekommen, dass es alles in allem 2,5 Milliarden € kosten wird.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Nein, Herr Geißler, ich habe gesagt: mindestens 2,5 Milliarden €.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Mindestens.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Weil über Ihre Beschreibungen, was in den 2,5 Milliarden € enthalten war,
15.26 hinaus weitere Ausbauten hier hinterlegt sind.
Boris Palmer (Projektgegner): 100 Millionen €.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Das heißt, das werden mehr als 2,5 Milliarden €.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: 2,5 Milliarden € sind sogenannte optimistische Berechnungen. (Heiterkeit)
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Das ist extrem optimistisch. Herr Palmer, die Argumentation, dass es dann bei uns eh immer doppelt so teuer wird, würd ich mal sagen, ist auch eine hypothetische, würde ich einmal sagen. (Dr. Brigitte Dahlbender [Projektgegnerin]: Hat er nicht gesagt!) Sie setzen natürlich voraus, dass das bei Ihnen nicht doppelt so teuer wird, nicht?
Boris Palmer (Projektgegner): Ich habe das nicht gesagt. (Hannes Rockenbauch [Projektgegner]: Das sind Ihre Fachplaner.)
[S. 133 Schl-Stgt 27. November 2010
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Das habe ich vorhin so verstanden.
Boris Palmer (Projektgegner): Nein, ich habe gesagt: Die Differenz zwischen 5,2 Milliarden € und 2,5 Milliarden € ist genau das, das Doppelte. Das hat sonst keine Aussagen.
Dr. Volker Kefer (Projektbefürworter): Wie kommen Sie denn auf die 5,2 Milliarden €?
Boris Palmer (Projektgegner): Soll ich es noch einmal erläutern? – Sie hatten Ingenieure – Drees und Sommer –, die hatten Ihnen ausgerechnet: Wenn man die Planungskosten einrechnet, eine Komplettrechnung macht und auch die historischen Kosten, die für das Projekt ausgegeben wurden, einrechnet, dann sind es 5,2 Milliarden €. Dann haben Sie gesagt: 186 Millionen € Planungskosten – da tun wir so, als hätte es die nicht gegeben. Die führen wir in der Rechnung nicht auf. Dann haben Sie einen Zuschuss von 112 Millionen € vom Flughafen da einfach nicht drin, den gibt es nicht, kommt aber bei den Abbruchkosten wieder raus.
15.27 Dann haben Sie 45 Millionen € Ersparnis für Stahlkosten doppelt gerechnet. Das haben die Wirtschaftsprüfer Ihnen hingeschrieben, dass Sie die Ersparnis zweimal verbucht haben. Wenn Sie dann noch Ihre optimistischen Kalkulationen herausnehmen, was da alles passiert ist, stellen Sie fest: Sie haben so viel bei der Gesamtrechnung weggelassen, dass die Kosten – oh Wunder, oh Wunder – unter 4,5 Milliarden € gelandet sind. Mir kann niemand erzählen, dass das der Wunsch der Ingenieure war, denn die wollen, dass ihre Rechnung nachher stimmt. Es war der Wunsch der Politik, die wollte, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die kritische Zahl unterschritten wird. Deswegen sage ich: 5,2 Milliarden € ist ein sehr realistischer Wert. Wenn Sie konservativ – und ich bin halt für konservatives Rechnen – vorgehen würden, dann würden Sie 5,2 Milliarden € in der Öffentlichkeit sagen. Sie haben sich für optimistisch entschieden und nehmen 4,088 Milliarden €. Das ist Ihr gutes Recht. Beide Zahlen sind gleich falsch und gleich richtig, weil man das erst weiß, wenn fertig gebaut ist – völlig klar. Aber konservativ heißt, mit Risikoreserve. Deswegen komme ich zu diesem Wert, zum Doppelten von 2,5 Milliarden €. Ganz einfach.
15.28 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das haben wir nun gestern mit den Wirtschaftsprüfern beredet.
Boris Palmer (Projektgegner): Er hat mich gefragt. Ich kann ja nichts dafür, ich wollte darüber nicht reden. Das ist mir auch peinlich, jetzt wieder darüber reden zu müssen, wie Sie da ger
echnet haben.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Gut, aber die Seite geht ja nicht von 5,2 Milliarden € aus, die Wirtschaftsprüfer auch nicht.
Boris Palmer (Projektgegner): Doch, doch.
[S. 134 Schl-Stgt 27. November 2010
(Zurufe) Das ist der Basiswert, von dem heruntergerechnet wird. Und wie das geschieht, haben wir doch gesehen: Doppelbuchungen, herausrechnen, nicht aufführen. Ich halte das nicht für konservativ gerechnet. Tut mir leid. Mit so einer Rechnung – finde ich – kann man, wenn man Bauherr ist, nicht in ein Projekt reingehen. Das ist nicht konservativ. Ich brauche Reserven, sonst bin ich doch nachher der Dackel, wenn die Kosten steigen. Ich würde das nicht riskieren.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Also nochmal klar: Es waren 5,x Milliarden €, die die 60 Büros da entwickelt haben. (Hannes Rockenbauch [Projektgegner]: Nein, nein!) Dann hat die Bahn diese 5,1 Milliarden € auf 4,088 Milliarden € heruntergerechnet. Darum ging gestern der Streit. Und gelandet sind alle – die Wirtschaftsprüfer – bei einer Summe
15.29 zwischen 4,088 und 4,5 Milliarden €. (Hannes Rockenbauch [Projektgegner]: Ja!) Okay, aber nicht bei 5 Milliarden €. Davon gehen die nicht aus. – Herr Bauer.
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Ich denke, es ist einfach immer höchst spekulativ, wenn man Dinge in den Raum stellt, die in der Tat gestern eigentlich eindeutig von den Wirtschaftsprüfern widerlegt worden sind. Das hilft ja nicht. (Zurufe) Wir haben vereinbart, Wirtschaftsprüfer zu nehmen, und wenn euch das Ergebnis nicht gefällt, dann müssen wir sagen: Okay, das gefällt euch nicht.
Boris Palmer (Projektgegner): Im Gegenteil: Ich zitiere die Wirtschaftsprüfer und unterstreiche, was die sagen.
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Nein, das ist falsch.
Boris Palmer (Projektgegner): Die haben vollkommen richtig geurteilt.
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Es ist eben falsch, so, wie Sie es zitieren. Das war eine Position.
Boris Palmer (Projektgegner): Aber sicher.
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Aber ich wollte gar nicht darauf eingehen.
[S.135 Schl-Stgt 27. November 2010
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Ich unterbreche jetzt diese Diskussion, weil wir die gestern geführt haben. (Boris Palmer [Projektgegner]: Ich will darüber nicht reden!] Es hat gar keinen Sinn, dass wir das jetzt noch einmal machen. Herr Bauer, wollen Sie sich jetzt zu dieser Frage äußern? – Bitte.
Bernhard Bauer (Projektbefürworter): Nein, Herr Dr. Geißler, ich wollte einen Vorschlag machen. Hätten wir die Fragen so beantwortet wie er, dann hätten wir zwei Stunden über Präliminarien diskutiert. Das ist wirklich Luft, was hier kommt. Jetzt kann ich Ihnen sagen:
15.30 Wir können Gegenrechnungen aufmachen. Herr Prof. Heimerl kann Ihnen zum Beispiel belegen, dass die 2,5 Milliarden € für K 21 auch Luftbuchungen sind. Das wird jenseits – – Mindestens, hat er gesagt. (Boris Palmer [Projektgegner]: Her damit!) – Sie haben dann trotzdem gesagt: Wir sind sogar eher noch drunter – mindestens. Ich hätt einen anderen Vorschlag: Weil manche Fragen von uns nicht ausreichend beantwortet, sondern behauptet sind, was die Angebotskonzeption angeht, könnten wir das vielleicht von uns aus darstellen. Ich denke, dann können wir die eine oder andere Antwort von Ihnen auch abräumen. Dann würde ich vorschlagen, dass Herr Malik etwas zu der Angebotskonzeption, die ja so trassenscharf und so pünktlich geplant worden ist, sagt. (Hannes Rockenbauch [Projektgegner]: Keine Überheblichkeit hier!) Dann können wir uns in der Tat noch einmal darüber unterhalten, dann können wir über Kosten reden, dann können wir relativ konkret bestimmte Dinge machen. Aber es hilft uns wenig, wenn Sie uns immer wieder vorwerfen, wir würden die Fragen nicht beantworten, obwohl wir in vielen Dingen sehr präzise sind. Hier mag jeder sehen, wie viel Luft, wie viel Nebel, wie viel Spekulationen und
15.31 Hoffnungen in Ihren Antworten auf die Fragen von uns sind. Deshalb mein Vorschlag: Herr Malik sagt etwas, und dann kann Herr Prof. Heimerl etwas zu den Kosten sagen. Dann könnten wir uns Punkt für Punkt mit den Positionen befassen, die auch wir letztlich gegen Ihre Positionen haben.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Wenn wir uns kurz fassen, können wir das machen. – Herr Malik. (Volkard Malik: Ich habe eine Präsentation!) – Ja, bitte schön.

15.32
[S.136 Schl-Stgt 27. November 2010
Volkard Malik: Herr Dr. Geißler! Meine Damen und Herren! Wir haben seit 10. November dieses Jahres das Angebotskonzept K 21.
(Präsentation: Angebotskonzept K21)
Wir haben es aus Landessicht überprüft, so wie vereinbart.
(Präsentation: Angebotskonzept K21 – Folie 2: Ist das Angebotskonzept K 21 für das Land Baden-Württemberg eine realistische Alternative im Regionalverkehr?)
Wir haben gefragt, ob das Angebotskonzept K 21 eine realistische Alternative für das Land Baden-Württemberg in seiner Eigenschaft als Besteller für Nahverkehrsleistungen ist. Wir haben es auf die grundsätzliche Fahrbarkeit geprüft, auf die erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen und auf die Stimmigkeit des Fahrplans. Als erste Quintessenz darf ich sagen:
15.33 Ja, diesen Fahrplanentwurf K 21 sehen auch wir als grundsätzlich umsetzbar an. (Beifall von den Projektgegnern) Dies war aber nicht die entscheidende Frage, wie ich eingangs gesagt habe, sondern es kommt darauf an, ob es für das Land Baden-Württemberg eine realistische Alternative ist. Deswegen muss die Frage eigentlich lauten, welche qualitativen Anforderungen K 21 nicht erfüllt.
(Präsentation: Angebotskonzept K21 – Folie 3: Die Realisierung des Konzepts
K 21 würde über die Sanierung des Kopfbahnhofs hinaus ein ganzes Bündel an Infrastrukturmaßnahmen erforderlich machen)
Ich darf noch einmal – das hat ja gerade eben auch eine Rolle gespielt – die Maßnahmen beim Infrastrukturausbau von K 21 in Erinnerung rufen und kurz darlegen, um was es hier zusätzlich geht. Das wird unterstellt. Das sind die Angaben aus dem Konzept K 21, das ist nicht von uns hinzugefügt. Sie sehen hier eine
15.34 Menge von Infrastrukturmaßnahmen, die ihren Preis haben.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Das Blaue ist also das, was die Projektgegner an Infrastrukturmaßnahmen vorsehen? – Sie sagen aber doch in der einen Antwort: Ausbaumaßnahmen nicht notwendig.
Boris Palmer (Projektgegner): Darf ich das erklären? Wir haben die Frage beantwortet. In der Frage steht: über das Vorgesehene hinaus. Das alles haben wir vorgesehen, und darüber hinaus halten wir nichts für erforderlich. Das, was da ist, ist von uns vorgesehen, aber nichts darüber hinaus.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Aber das Blaue haben Sie vorgesehen?
[S.137 Schl-Stgt 27. November 2010
Boris Palmer (Projektgegner): Das Blaue und auch das Schwarze, was jetzt noch kommen wird, ist alles vorgesehen und übermittelt.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Okay.
Boris Palmer (Projektgegner): Deswegen kann Herr Malik das jetzt darstellen, sonst wüsste er das ja nicht.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Schön. – Also, Herr Malik.
Volkard Malik: Nicht nur Blau, sondern auch Schwarz, das ist wichtig. All diese Maßnahmen sind für K 21 notwendig. Wir brauchen zusätzlich auch noch die roten Maßnahmen; auch das ist für Sie nicht überraschend. K 21 gibt das auch so vor.

(Präsentation: Angebotskonzept K21 – Folie 4: Das Fahrplankonzept K 21 weist erhebliche Schwachstellen beim Fernverkehr, im Regionalverkehr und bei der S-Bahn auf)

15.35 Zu den Fahrtzeiten beziehungsweise zu dem Fahrplankonzept: Wir stellen fest, dass der ICE, der Fernverkehr auf der Fernverkehrsachse von Mannheim her kommend über Stuttgart nach Ulm langsamer unterwegs ist – von Mannheim nach Stuttgart um 2 Minuten, von Stuttgart nach Ulm um mehrere Minuten, und er steht gegenüber heute den 4 Minuten technische Zeit, die der ICE heute im Bahnhof stehen muss, 7 Minuten. (Hannes Rockenbauch [Projektgegner]: Das ist auch gut so!) – Das mag gut sein, die Frage ist nur, für wen. Und die Frage ist auch, ob ein Fahrgast, der von Mannheim über Stuttgart nach München fahren will, in Kauf nimmt, dass er dann insgesamt 11 Minuten schneller braucht. (Thomas Bopp [Projektbefürworter]: Langsamer!) Denn wenn Sie das addieren, was ich eben gesagt habe – von Mannheim nach Stuttgart eine Fahrtzeitverlängerung von 2 Minuten,
15.36 dann eine Haltezeit verlängert auf 7 Minuten und von Stuttgart weiter nach Ulm –, ergibt sich eine Gesamtmehrreisezeit von 11 Minuten.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Warum fährt der ICE von Mannheim nach Stuttgart beim Kopfbahnhof 2 Minuten länger? Weil er früher abbremsen muss oder warum?
Volkard Malik: Diese Frage kann ich, wenn Sie gestatten, auch in Ihrem Namen beantworten; denn es geht darum – Herr Palmer hat es vorhin schon dargelegt –, aus Stuttgart einen 15/45-Minuten-Knoten zu machen. Unter dem Gesichtspunkt braucht man schlichtweg nicht so schnell von Mannheim nach Stuttgart und umgekehrt zu
[S.138 Schl-Stgt 27. November 2010
fahren, man hat Zeit. Die verbummelt man, aber ich behaupte: zu Lasten des Fahrgastes. Das ist ein qualitatives Moment, das wir so nicht akzeptieren können. (Boris Palmer [Projektgegner]: 2 Minuten!) Wir sehen im Regionalverkehr auch Zwänge.
15.37 Schlichter Dr. Heiner Geißler: Es kann ja sein, dass ich der einzige in ganz Baden- Württemberg bin, der das nicht kapiert. Aber warum sollte derselbe ICE von Mannheim nach Stuttgart beim Kopfbahnhof 2 Minuten länger brauchen? Weil er das so will oder warum? – Ja Herr Palmer.
Boris Palmer (Projektgegner): Das ist von uns absichtlich so gemacht. Er könnte auch 2 Minuten schneller fahren. Das ist nicht technisch bedingt, sondern der Fahrplan ist so gemacht, dass wir eine entspannte Fahrtzeit haben. Die 2 Minuten sind Reserve. Ein bisschen Stehen im Bahnhof Stuttgart ist auch gut. Ich sage Ihnen, warum: Erstens. Die Masse der Fahrgäste steigt dort ein oder aus, nur ein kleiner Anteil fährt durch. Zweitens. In Mannheim machen die ICEs das heute auch. Sie stehen dort auch fahrplanmäßig, sogar länger als 7 Minuten. Trotzdem kommen sie häufig verspätet raus. Sie brauchen solche Puffer in großen Knotenbahnhöfen immer wieder, damit der Bahnchef endlich sein Ziel eines pünktlichen Bahnverkehrs erreicht. Wir erreichen mit dem kleinen Puffer, dass alle Anschlüsse perfekt gelingen.
15.38 Das heißt: ein bisschen länger stehen, dadurch aber schneller weiterfahren. Das ist absichtlich von uns so konzipiert. Das ist das Prinzip Knotenbahnhof.
Schlichter Dr. Heiner Geißler: Herr Palmer, dann dürfen Sie aber nicht sagen: „Der braucht länger“, sondern dann müssen Sie sagen: „Er soll länger brauchen, (Boris Palmer [Projektgegner]: Das hat aber er gesagt, nicht ich!) weil wir das philosophisch für richtig halten.“ (Boris Palmer [Projektgegner]: Gut!) – Okay. Aber dann müssen Sie es auch so sagen, sonst denken die Leute: Da ist plötzlich eine Bremse von oben drin, die ihn langsamer macht. Das ist nicht der Fall, sondern Sie wollen, dass er 2 Minuten länger braucht. (Boris Palmer [Projektgegner]: Wir wollen die 2 Minuten! Dann brauchen wir nicht so schnell zu fahren!) – Das müssen Sie aber sagen. Das kapiert sonst keiner. (Dr. Brigitte Dahlbender [Projektgegnerin]: Das hat er ja gesagt!)
[S.139 Schl-Stgt 27. November 2010
Volkard Malik: Aber aus Sicht des Fahrgastes muss ich betonen: Er sitzt 2 Minuten länger im Zug, er müsste es nicht. (Martin Hilger: Das ist ja entsetzlich! – Weitere Zurufe)

usw.