Reisen mit der Deutschen Bahn im Winter (1. Fahrt am 16.12.2010)

Drei Reisen mit der Deutschen Bahn in winterlichen Zeiten

Anfang November 2010 hatte ich eine Reise nach Berlin für den 16.12. und zurück nach Wiesloch für den 25.12. gebucht – wunderbarer Preis: jeweils 29 Euro pro Fahrt, der sog. Sparpreis! Na da hat die Bahn doch mal richtig Freude verbreitet. Da hatte die sog. Schlichtung zum Stuttgarter Bahnhof mit Geißler usw. gerade begonnen, da hatte man noch nicht das ständig lächelnde Gesicht eines bis dahin völlig unbekannten Herrn Kefer zum Überdruss ansehen müssen, da hatte man noch nicht eine ständig herumstotternde und jede vernünftige Diskussion mit persönlichen Bemerkungen abbrechende Ministerin Gönner erleiden müssen, da kannte man all die Sachverständigen und so weiter der Bahn noch nicht. Am 16.12. allerdings hatte man das ganze Theater hinter sich gebracht und ich zumindest habe mir verdutzt die Augen gerieben, wie leicht sich unsere Leute (auch die besseren) so besoffen haben machen lassen, dass sie einem „Schlichterspruch“ ja sogar NACH demselben Lob zollten. Und so stand am nächsten Tag in der Süddeutschen zu lesen: „Geißler sagt: ‚Stuttgart 21 kann gebaut werden!’“ Dass er noch Bedingungen genannt hatte – ne ganze Menge zwar, die aber sozusagen wohl in die Rubrik „Kleingedrucktes“ abgewandert sind und von minderer Relevanz, hat u.a. auch Frau Dahlbender nicht zur Kenntnis nehmen können. Naja über diese großartige Demokratiedemonstration wird man dann wohl noch diverse Bücher des betagten Schlichters lesen können und auch die ein oder andere vernünftige Replik wie z.B. von Winfried Wolf oder von Frau Angelika Kreß … Die sind wirklich gut – aber ob die Rhetorik „nun setzen wir Stuttgart 21 Plus einen Widerstand Plus entgegen“ den GrabeGrube-Bahnhof wirklich verhindern kann – aber ich will nicht unken …

1. Reise a, 16.12.2010 von Wiesloch-Walldorf nach Berlin Hbf
Ich verabschiede mich also zunächst von diesem geistigen Höhenflug und steige ganz in den Niederungen in Wiesloch-Walldorf am 16.12. um 9.36 h in einen IC, der mich nach Hannover bringen soll und das auch pünktlich tut. In Frankfurt am Main ist allerdings wohl ein ICE ausgefallen, so dass mein Zug überraschend voll wird und auch eine kleine Verspätung hat. Die holte er aber locker auf der malerisch verschneiten Nebenstrecke über Friedberg, Gießen, Marburg, Wabern (ich fühle mich an uralte Zeiten erinnert – es gibt in Deutschland einen Ort mit dem Namen WABERN wow!!! – wunderbar!) nach Kassel Wilhelmshöhe wieder rein. Und wie gesagt: in Hannover erreiche ich problemlos meinen Zug nach Magdeburg. Auch dieser fährt durch wunderschöne Schneelandschaften – allerdings weht ein heftiger Wind, so dass der leichte Schnee manchmal größere Wolken bildet. Kurz vor Magdeburg lässt der Zugführer sich vernehmen und verkündet, dass wir wegen eines „Schneesturmes“ leider einige Verspätung hätten, außerdem müsse er bekannt geben, dass es in Magdeburg Neustadt einen Brand gebe, so dass die Weiterfahrt nach Berlin nicht gesichert sei. Dieser IC kommt mit so viel Verspätung in Magdeburg an, dass mein Anschlusszug weg ist – aber der ist – wie mit Bedauern mitgeteilt wird – ohnehin ausgefallen. Man möge sich an den Servicepoint wenden. Dazu muss man ein ganzes Stück laufen. Es gibt zwei Stellen, die irgendwas mit Fahrkarten und Service zu tun zu haben scheinen. Auf der linken Seite ballt sich eine so große Menschenmenge, dass ich beschließe, auf die rechte Seite zu gehen. Dort ziehe ich das mittlerweile wohl überall notwendige Wartemärkchen, wundere mich allerdings, dass zwischen der gerade dran seienden Nummer und der meinen mehr als 100 Nummern Differenz sein sollen. Die Schlangen werden auch überhaupt nicht kürzer. Mit einem Male sehe ich, dass ein älterer Herr anscheinend selbständig Wartemärkchen vergibt. Ich frage ihn. Nein, das täte er nicht,aber es sei trotzdem gut, dass ich mich direkt an ihn wende; denn es könne zur Zeit wegen des Brandes in Magdeburg Neustadt kein Zug dorthin fahren. Ein Schienenersatzverkehr sei aber eingerichtet, Reisende nach Berlin usw. mögen sich zum ZOB wenden, dort würden die Busse nach Biederitz abfahren. Eine große Menschenmenge bewegte sich durch das inzwischen heftigere Schneetreiben zum Zentralen Omnibusbahnhof. Dort standen alle möglichen Busse, aber keiner, der nach Biederitz fuhr. Es gab dort auch ein kleines verglastes Gebäude, das allerdings von fragenden Reisenden überquoll und in dem zwei es gut meinende Angestellte so gut sie konnten Auskunft erteilten – aber eigentlich wussten sie nichts; denn es handle sich bei unserem Anliegen um ein Problem der Deutschen Bahn, sie selbst aber hätten nur mit dem hiesigen Regionalverkehr zu tun. Von einer jungen Frau erfuhr ich, dass sie gerade von Biederitz mit dem Bus gekommen sei, es würden insgesamt zwei Busse eingesetzt, die beide auf einmal führen und für eine Strecke (Magdeburg-Biederitz oder umgekehrt) ca. 40 Minuten brauchen. Und vor 20 Minuten seien die beiden Busse gen Biederitz abgefahren. Na da konnte man sich ja ausrechnen, dass wenn die Busse sofort zurückfahren, dass man dann jetzt mal erst eine geschlagene Stunde auf diese Busse warten müsse – aber wieviele Züge waren in der Zeit womöglich in Magdeburg gestrandet?! Ich rastete leicht aus und fand die Organisation der Bahn schlicht katastrophal! Die Umstehenden stimmten zu – aber was soll man tun? Mit einem Male gab es eine andere Auskunft, es würde nämlich doch ein Zug nach Biederitz fahren – also alle wieder in den Bahnhof zurück. Und es wurde ein Zug zur Lutherstadt Wittenberg (wenn ich mich richtig erinnere) angekündigt. Da ich mich in der Gegend nicht auskannte, fragte ich, ob der Zug denn auch über Biederitz fahre. So genau wusste da auch niemand Bescheid, aber mehrheitlich nahm man an, dass dem so sei. So standen wir an Gleis 6, wo der Zug nicht etwa stand, sondern nur auf der Anzeigetafel angekündigt war. Auf Gleis 8 stand aber auch ein Zug – und nun ging das Gerücht, der führe auch über Biederitz. Die Meinung der Wartenden ging auseinander, ob man lieber in den wartenden Zug einsteigen solle oder auf den angekündigten warten. Ich überlegte, dass der Zug, der da stand, immerhin schon da war – wer weiß, ob der angekündigte überhaupt kommt. Also stieg ich in den Zug auf Gleis 8 ein, der auch wirklich bald abfuhr. Aber nach ca 200 m blieb er wieder stehen – und blieb dort auch erst einmal ungerührt stehen – sicher ne gute Viertelstunde. Mittlerweile bekamen junge Frauen Tränen in die Augen und einige Männer versuchten – immer nervöser werdend – per Handy mit der Außenwelt in Verbindung zu kommen. Da hieß es dann auch, dass der Brand in Magdeburg Neustadt durch Demonstranten gegen den Castortransport, der heute durch Magdeburg gegangen war, verursacht worden sei. Die hätten nämlich Oberleitungen zerstört und Gleise geschottert – allgemeines Schimpfen gegen diese „Terroristen“. Und an meinem Rucksack und auch auf meiner Jacke prangte jeweils so ein netter Button „Atomkraft – nein danke!“ Obwohl ich ein wenig Angst hatte, geschah mir aber nichts – sondern o Wunder über Wunder! der Zug setzte sich wirklich in Bewegung und landete nach gar nicht allzu langer Zeit im mir bis dahin völlig unbekannten Biederitz! Ich stieg in einen Regionalzug nach Berlin um, der mich mit ca 3 Stunden Verspätung in die deutsche Hauptstadt brachte. Eine kleine Anekdote bleibt aber noch zu erzählen von dieser ersten Bahnfahrt: als ich mich gerade in dem Zug nach berlin eingerichtet hatte, schoss ein junger Mann ins Abteil und bat mich, auf sein Gepäck zu achten, fand ich sehr mutig; denn wir kannten uns nicht. Es stellte sich heraus, dass er am Morgen in Hanau aufgebrochen war und schon sehr viel Verspätung angesammelt hatte. Ich erklärte ihm, dass er bei der Bahn wegen der erlittenen Verspätung Geld zurückfordern könne. Er solle den Schaffner fragen. Es kam auch wirklich einer, einer, der ein wenig fett und sehr gemütlich aussah, der meinem Begleiter aber erklärte, dass er nicht mit einer Erstattung rechnen könne; denn die Verspätung sei durch „Vandalismus“ entstanden. Und dann sah er auch noch meinen Aufkleber auf dem Rucksack – bei so Leuten wie mir müsse er sich beschweren. Ich erwiderte, dass der Reisende sich also in Brandenburg, wohin er fahren wollte, erkundigen solle – und dort würde man ihm sicher sagen können, ob die Verspätung wirklich durch Vandalismus von Atomkraftgegnern entstanden sei.

Ja so ist die Bahn – auf so eine Lappalie wie einen Winter ist sie partout nicht eingestellt – darum kümmert sie sich gar nicht – siehe die einschlägigen Nachrichten in den letzten Tagen! – aber wenn es um richtige Herausforderungen geht, am besten natürlich gleich zu einem richtigen Schnäppchenpaket geschnürt „wie verbuddle ich möglichst viel Geld ohne Sinn und Verstand in der Erde, wie raube ich einer meist willigen Bevölkerung ihren Schlossgarten, ihre Mineralquellen, eventuell sogar ein paar Villen in Hanglage und kriege vielleicht auch noch ein paar Tote hin, wenn die Wände der Tunnelschächte einstürzen, wie verschlechtere ich zu allem Überfluss noch einen der funktionstüchtigsten Bahnhöfe der Republik – wenn die Fragestellung so lautet, dann scheinen alle Planfeststellungsverfahren durchwinkbar zu sein, dann ist ihr nichts zu teuer, dann gräbt sie sogar gewesene Parteisekretäre aus, bittet attac-Mitglieder zu willfährigem Mittun – und schafft es sogar – na ok see above – macht eine ganze Gesellschaft total besoffen. Morgen zur 2. Reise – jetzt hab ich keine Lust mehr – und Ihr habt ja auch genug lesen müssen oder?